Geschäftsmodellentwicklung für E-Learning

Prof. Dr.-Ing Rolf Granow ist E-Learning-Beauftragter der FH Lübeck und verfügt über langjährige Erfahrung in der Leitung großer nationaler und internationaler E-Learning-Projekte, z.B. der Virtuellen Fachhochschule, dem Baltic SeaVirtual Campus sowie der Portale „nach vorn“ und „Softskills online“. Im Expertenchat erläuterte er die Frage, unter welchen Rahmenbedingungen sich E-Learning-Aktivitäten an Hochschulen finanzieren lassen und geht dabei auf oncampus ein, die E-Learning-Tochter der Fachhochschule Lübeck.

25.04.2008, 14:00 Uhr

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Prof. Dr.-Ing. Rolf Granow (E-Learning-Beauftragter, FH Lübeck)

Viele E-Learning-Projekte wurden an deutschen Hochschulen in den letzten 10 Jahren entwickelt und eingeführt – viele sind auch wieder verschwunden. Das Scheitern von solchen Projekten liegt in vielen Fällen nicht an ihrer didaktischen Erfolglosigkeit, an technischen Problemen oder organisatorischer Unfähigkeit, sondern daran, dass nicht rechtzeitig und systematisch genug darüber nachgedacht wurde, wie sich der Dauerbetrieb solcher Projekte ohne Projektförderung finanzieren lässt. Nun lässt sich akademisch vortrefflich darüber streiten, was denn ein Geschäftsmodell ist und ob solche auf Hochschule und Studium überhaupt anwendbar sind. Jenseits dieser De-batte sollen sich die folgenden Ausführungen nun damit beschäftigen, unter welchen Rahmenbedingungen sich denn E-Learning-Aktivitäten an Hochschulen finanzieren lassen – abgesehen von dem frommen Wunsch, man möge doch einfach dauerhaft zusätzliche Mittel hierfür an den Hochschulen bereitstellen. 

Ein solches Geschäftsmodell soll am Beispiel der Fachhochschule Lübeck und ihrer E-Learning-Tochter oncampus erläutert werden: 

Welcher Mehrwert wird für unsere Hochschule erreicht? 
In unserem Fall bestand das Ziel darin, zusätzliche Studierende für die Hochschule zu gewinnen, die mit den bestehenden Präsenzstudiengängen nicht zu erreichen sind. Wir nutzen deshalb das Internet für berufs- und lebensbegleitendes Studium und Weiterbildung und haben dazu gemeinsam mit Verbünden nationaler und inter-nationaler Hochschulen gemeinsam Online-Studiengänge in einem blended-learning-Konzept entwickelt und implementiert. 

Welcher Mehrwert wird für unsere Studierenden erreicht? 
Wir ermöglichen ein berufsbegleitendes Bachelor- und Masterstudium mit denselben Standards, wie sie einem Präsenzstudiengang entsprechen. Unsere Studierenden können örtlich und zeitlich unabhängig lernen; sie sind aber nicht allein gelassen, sondern werden über das Netz betreut und arbeiten auch intensiv online miteinander. Präsenzseminare am Wochenende dienen der Vertiefung, der Durchführung von La-borversuchen und der direkten Kommunikation untereinander. Ein wichtiger Mehr-wert der internationalen Angebote besteht darin, dass Menschen unterschiedlicher kultureller und sozialer Prägung im Netz miteinander lernen ohne ihre Alltagsumge-bung verlassen zu müssen. 

Wie können wir die Kosten von Online-Studiengängen begrenzen? 
Nicht, indem wir an der Qualität sparen, sondern indem wir die Lasten auf viele Schultern verteilen. Wir entwickeln unsere Angebote gemeinsam mit anderen Hoch-schulen und nutzen sie auch gemeinsam. Wir entwickeln alle Module eines Studien-ganges – aber jedes nur einmal und stellen sie uns gegenseitig zur Verfügung: nicht auf Basis von gentleman-agreements sondern auf langfristig abgesicherter vertragli-cher Basis. Wir teilen uns auch die Infrastruktur und halten die zentralen Dienste nur einmal vor. Wir lernen aus unseren Erfahrungen und standardisieren und konzentrie-ren die Entwicklungsprozesse: so erhalten wir eine gleichmäßige Qualität, senken kontinuierlich die Entwicklungskosten und können gleichzeitig eine ressourcenscho-nende laufende Überarbeitung und Aktualisierung der Module erreichen. 

Wie finanzieren wir die Kosten des laufenden Betriebes? 
Die Lehre in den Online-Modulen (sowohl über das Netz wie auch in den Präsenz-seminaren) finanzieren die einschreibenden Hochschulen jeweils für sich aus ihren regulären Haushalten – da sie zusätzliche Studiengänge mit zusätzlichen Studieren-den eingeführt haben, sind diese genauso kapazitätsrelevant wie alle anderen Stu-diengänge auch. Wir haben bei der Konzeption der Betreuung darauf geachtet, dass die Kosten je Studierenden nicht höher werden als in vergleichbaren Präsenzstu-diengängen. Die Kosten für die zentrale Infrastruktur und die laufende Aktualisierung der Module finanzieren wir aus Medienbezugsgebühren, die wir von den Studieren-den erheben. Hierzu wurden in allen beteiligten Bundesländern die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen. 

Lohnt sich die Entwicklung solch aufwändiger Online-Studiengänge? 
Die Entwicklung unserer Studiengänge wurde aus öffentlich finanzierten Projekten geleistet. Am Beispiel des Hochschulverbundes Virtuelle Fachhochschule lässt sich zur wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit folgendes sagen: Als Ergebnis sind derzeit über 1.500 Studierende zusätzlich an den Hochschulen des Verbundes eingeschrieben. Hierzu mussten keine zusätzlichen Investitionen in Gebäude, Laborausstattung und Infrastruktur getätigt werden: das Online-Studium führt zu einer Nebennutzung von bereits vorhandener Ausstattung an Hochschulen. Damit werden zusätzliche Hoch-schulkapazitäten geschaffen ohne zusätzliche Baumaßnahmen. Unter diesem Ge-sichtspunkt rechnen sich auch die Entwicklungskosten für Online-Studiengänge. Un-berücksichtigt ist dabei der Effekt, dass die Hochschulen sich für zusätzliche Ziel-gruppen geöffnet haben und attraktiv werden für den Bereich des Lebenslangen Ler-nens – angesichts des demografischen Wandels ist das auf mittlere Sicht ein nicht zu unterschätzender Gesichtspunkt zur Sicherung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit.