Augmented Reality

„Augmented Reality” (AR) steht für „erweiterte Realität” und hierin besteht auch der größte Unterschied zu klassischen Virtual-Reality-Umgebungen wie z.B. Second Life. Während sich der User dort innerhalb einer virtuellen Computerwelt bewegt, befindet er sich bei Augmented-Reality-Systemen in der realen Umgebung, die um virtuelle Elemente bzw. digitale Informationen erweitert wird.

Die virtuellen Informationen werden hierbei in das Sichtfeld eines Betrachters eingeblendet. Ein typischer Benutzer ist dabei mit einem mobilen Endgerät oder einer halbtransparenten Datenbrille (z.B. von Google) ausgestattet — früher waren es Helme oder schwere Spezialbrillen. Nutzt er ein mobiles Endgerät, dann überlagert die zusätzliche Information mittels AR das eigentliche Kamerabild. Die eingeblendeten Informationen können Text, Grafiken, 2D- oder 3D-Objekte, Animationen oder Videos sein. Handelt es sich um Informationen, die eingeblendet werden, während man unterwegs ist, wird dies als „Mobile Augmented Reality” bezeichnet. Ein weiteres Szenario  ist das Einblenden von virtuellen Objekten in Büchern.

Unter einem AR-System (kurz ARS) versteht man das System der technischen Bestandteile, die nötig sind, um eine Augmented-Reality-Anwendung aufzubauen: Kamera, Trackinggeräte und Unterstützungssoftware.

Abb: Geobasierte App „Zeitreise” der HdM-Stuttgart

Zusammenfassend unterscheidet man:

  • Marker-basierte AR: Markierungen, die man in der Fachsprache auch als Marker, Trigger, Tracker, Targets oder Image bezeichnet, werden von der AR-Anwendung mit Hilfe einer Kamera erkannt und interpretiert und lösen einen Prozess bzw. ein Ereignis aus, wie zum Beispiel das Einblenden eines 3D-Modells an der Stelle, wo sich der Marker befindet. Oft wird ein QR-Code als Marker benutzt.
  • Marker-Less AR: Hier erkennt die Kamera die Kontur bzw. Struktur eines Objektes, dadurch wird ein Ereignis ausgelöst, wie das Einblenden von Informationen.
  • Geobasierte AR (Location-based AR): Hier führt ein bestimmter Standpunkt bzw. die geografischen Daten dazu, dass ein Vorgang ausgelöst wird. So können geografische Positionen, etwa von Baudenkmälern, beispielsweise mit den entsprechenden Wikipedia-Artikeln verknüpft werden. Möglich ist es auch, Objekte mit sogenannten LLA-Markern (LLA: Latitude, Longitude, Altitute) zu versehen.

Am häufigsten im Einsatz ist die Marker-basierte AR, die auch am stabilsten funktioniert. An zweiter Stelle rangiert die geobasierte AR, die durch die Funktionen moderner Endgeräte (wie GPS, gyroskopische- oder Beschleunigungssensoren) immer zuverlässiger wird. Die Erkennungsrate für dreidimensionale Objekte ist bisher noch sehr gering. Bekannte Dienste für die Erstellung eigener Marker-basierter AR-Inhalte sind Layar, Metaio (Junaio), Wikitude, Daqri, Aurasma und Augment. Für geobasiertes AR eignen sich Layar, Wikitude und Metaio (Junaio). Die meisten dieser Dienste sind kostenpflichtig.

 

Bisher bietet AR zumeist Zugang zu statischen, speziell vorgefertigten Informationen. Allerdings gibt es auch Beispiele, wo Informationen in Abhängigkeit von der Manipulation der realen Außenwelt unterschiedlich visualisiert werden. Informationen werden somit bedarfsorientiert vermittelt. Ebenso bietet AR die Möglichkeit, dass Objekte z.B. über einen RFID-Chip (Radio-Frequency IDentification) mit Informationen verknüpft werden, die von Nutzern erweitert werden können. Auf diese Weise werden verschiedene Stand- oder Gesichtspunkte zum realen Objekt abrufbar oder ganze Geschichten von Objekten (Bewegung, physikalische Umgebungsbedingungen, Kommunikation durch Besucherinnen und Besucher) können erfahrbar und veränderbar gemacht werden (Herber, 2012).

Didaktisches Potenzial

Laut Studien befindet sich die Nutzung von Augmented Reality für den Lehr-Lernkontext noch in den Anfängen (Herber, 2012). Bewährt hat sich AR bisher hauptsächlich im Kontext wissenschaftlicher Experimente, für Exkursionen, die Bereiche Ökologie, Mathematik und Geometrie bzw. Ingenieurwissenschaft, insbesondere für das Verständnis abstrakter oder komplexer Konzepte und Modelle. Im geisteswissenschaftlichen Bereich wurde AR zum Sprachenlernen eingesetzt sowie für das erweiterte Verständnis von Kunstwerken, insbesondere Gemälden. Ein wichtiger Grund für den Einsatz von AR in Lehr-Lernkontexten scheint die Motivation der Studierenden zu sein, die durch die neue Erfahrung mittels AR einhergeht (Bacca et al., 2014).

Positive Lerneffekte, die festgestellt werden konnten sind (Bitter & Corral, 2014):

  • verstärkte Kollaboration,
  • Unterstützung selbstgesteuerten Lernens,
  • erhöhte Motivation,
  • bessere Lernleistung durch steigendes Verständnis von Inhalten,
  • gesteigerte Motivation und gesteigertes Engagement,
  • Kennenlernen von räumlichen Strukturen,
  • Verankerung im Langzeitgedächtnis.

Negative Effekte, die im Zusammenhang mit AR festgestellt wurden, sind:

  • eingeengte Aufmerksamkeit (attention tunneling); es wird nur auf die digitale Information fokussiert, Anderes wird nicht wahrgenommen.
  • Studierende äußern Probleme, die eingeblendeten Informationen zu erhalten, was hauptsächlich mit bestehenden Usability-Problemen der noch unausgereiften Systeme zu tun hat.
  • Wird mit auf dem Kopf getragenen visuellen Ausgabegeräten, sogenannten Head-Mounted-Displays gearbeitet, werden diese manchmal als Störfaktor empfunden.
  • Bisher ist die Erstellung neuer Lerninhalte für AR aufwändig. Es fehlen leicht bedienbare Autorenwerkzeuge.

    Beispiele für Augmented Reality Apps

    • LearnAR ist ein Beispiel für ein einfaches AR-Lernprogramm (kostenlos, englischsprachig), das mit Markern arbeitet und das Verständnis von Organen und chemischen Elementen unterstützen will. Wer die ausgedruckten Marker mit der Webcam scannt, bekommt die 3D-Modelle angezeigt.
    • An der Hochschule der Medien in Stuttgart wurde die App Zeitfenster entwickelt. Per GPS wird der aktuelle Standpunkt des Smartphone-Halters ermittelt und auf dem Display des mobilen Gerätes sind Zusatzinformationen über die Umgebung zu lesen. Schwenkt man mit der Kamera durch die Umgebung, öffnen sich kleine, blaue Pins, die sogenannten Zeitfenster, hinter denen sich Bilder aus der Vergangenheit verbergen. Bewegt sich der Betrachter auf ein Zeitfenster zu, verwandelt sich das aktuelle Bild in das Stadtbild vergangener Tage.
    • Die App „Field Play” der Geological Society of America ist ein System, das geologische Feldstudien unterstützt. An interessanten Orten, wie zum Beispiel in Nationalparks, können Nutzer eine Route wählen, auf der sie Informationen zu den realen Orten abrufen können wie z. B. Fotos, Videos, Animationen oder Interviews mit Fachexperten.
    • Das mobile Anwendungsprogramm mARble stellt typische rechtsmedizinische Verletzungen auf dem Smartphone dar. Lebensecht simulieren die Bilder Verletzungen auf der Haut, die mittels Marker auf die Haut projiziert werden können. So haben Studierende die Gelegenheit, reale Fälle aus der Rechtsmedizin kennenzulernen sowie ohne Patientenkontakt Untersuchungs- oder Interview-Techniken zu trainieren.
    • Das Projekt Technology Enhanced Textbook der TU Berlin erforscht die Anreicherung von Textbüchern mittels Augmented-Reality-Elementen.
    • Die Seite Culture to go bietet eine Übersicht wie AR im Museumskontext eingesetzt wird.
    • Anatomy 4D ist eine kostenlose App aus dem Bereich Anatomie, die die Untersuchung eines Körpers ermöglicht.
    Letzte Änderung: 31.03.2016