Interaktivitätsdesign

Zwar kann der Rechner keinesfalls die soziale Interaktion ersetzten, doch richtig eingesetzt und angemessen gestaltet kann computergestützte Interaktivität in Form von Übungen, Lernspielen, Simulationen und Tests eine didaktisch sinnvolle Ergänzung virtueller Lernumgebungen darstellen.

Unter Interaktivität wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich nur die Mensch-Computer Interaktion verstanden. Digitale Medien erlauben lediglich standardisierte, durch die Programmierung vorgegebene Interaktionen. "Interaktivität" ist somit ein Ausdruck der Eingriffsmöglichkeiten in computergestützte Prozesse, was an die Qualität sozialer Interaktion nicht heranreicht. Informationen zur mediengestützten Interaktion zwischen Personen finden Sie im Bereich Kommunikation. Im folgenden möchten wir Ihnen verschiedene Methoden der computervermittelten Interaktivität vorstellen.

Formen und Einsatzmöglichkeiten

Der Einsatz von Interaktivität kann verschiedene Ziele verfolgen:

  • Interaktive Werkzeuge können den Benutzer darin unterstützen, sich die Inhalte einer Lernumgebung selbstständig zu erschließen, z.B. indem verschiedene Wege durch den hypertextuell organisierten Informationsraum führen, die jeweils unterschiedliche Interessen und Bedingungen berücksichtigen.
  • Durch Kontrolltests wird es den Lernenden ermöglicht, Lernerfolge und eigene Wissensbestände selbstständig zu überprüfen.
  • Interaktive Visualisierungen können dazu dienen, das Gelernte auf neue Situationen anzuwenden oder durch Übung zu vertiefen.
  • Wenn eine aktive Auseinandersetzung mit dem Material gefördert werden soll, müssen dem Nutzer Möglichkeiten zur Einbindung eigener Informationen eröffnet werden. Außerdem sollten Arbeitsstand und Materialien aus der Umgebung heraus exportiert und gesichert werden können.

Den verschiedenen Zielen von Interaktivität entsprechen auch unterschiedliche Formen und Einsatzmöglichkeiten interaktiver Elemente in virtuellen Lernsituationen.

Adaption des Systems

Adaptive Systeme erlauben eine Anpassung des Systems an unterschiedliche Lernbedürfnisse und Vorlieben. Der Benutzer kann zum Beispiel nach einer Registrierung ein spezielles Interesse für bestimmte Inhaltskategorien bekunden und seine Lernvoraussetzungen (Vorkenntnisse etc.) spezifizieren. SO ensteht ein individuelles Profil. Bei der Ausgabe des Lerninhalts werden diese Eingaben verarbeitet und eine nutzerspezifische Ausgabe generiert.

Auskunft und Beratung

Verschiedenen Informationsbedürfnissen, die sich jeweils um einen bestimmten Themenkreis drehen, kann mit einem Chatbot begegnet werden. Chatbots sind textbasierte Dialogsysteme im Internet. Sie werden hauptsächlich eingesetzt um über ein bestimmtes Thema zu beraten oder Auskunft zu geben. Über eine Eingabemaske wird den Nutzern ermöglicht frei formulierte Fragen an den Chatbot zu stellen. Das dahinter stehende System ähnelt dabei einer Volltextsuche. Nach Eingabe einer Frage wird diese nach speziellen Erkennungsmustern in einzelne Elemente zerlegt und eine Datenbank nach einer passenden Antwort durchsucht. Oft werden Chatbots in Verbindung mit einem Avatar angeboten.

Die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg setzt als virtuelle Auskunft auf ihrer Webseite den Chatbot Stella ein. Benutzer können von Stella rund um die Uhr Auskünfte zur Bibliothek und ihren Dienstleistungen, wie Literatursuche und -beschaffung abfragen.

Feedback und Kontrolle

Feedback ist an vielen Stellen und in vielen Situationen nötig, um den Umgang des Nutzers mit dem Computersystem zu steuern, etwa um den Nutzer auf weitere Handlungsmöglichkeiten oder Eingabefehler hinzuweisen. Als didaktisches Mittel kann computervermitteltes Feedback der Lern- und Erfolgskontrolle dienen und dem Lerner direkte Rückmeldungen zu seinem Lernprozess geben. Durch interaktive Übungen können Lernende in computergestützten Lernsituationen ihr Wissen selbstständig überprüfen.

Feedback ist das Komplement zu interaktiven Übungen. Ohne Feedback sind interaktive Übungen gar nicht möglich, Feedback ohne vorhergehende Lernhandlungen machen wenig Sinn (Schulmeister, 2004). Wichtig ist, wie die Rückmeldung an den Lernenden gestaltet wird: Abgestufte Feedback-Informationen sind sinnvoller als ein stereotypes „richtig" oder "falsch“. Als kontextsensitive Hilfe kann der Lernende auf weiterführende Informationen hingewiesen werden.

Es gibt eine Vielzahl verschiedener Testformen, zum Beispiel:

  • Multiple choice: Der Lernende muss aus angebotenen Antwortmöglichkeiten eine Auswahl treffen, als Varianten stehen eine einfache Auswahl (nur eine Eingabe ist richtig) und eine Mehrfachauswahl zur Verfügung. Die Abbildung zeigt ein Beispiel aus einem virtuellen Geschichtstest :
  • Multiple image choice: Statt durch Anklicken mehrerer Text-Anwortmöglichkeiten die Lösung festzulegen, werden dem Lernenden Bilder bzw. Grafiken präsentiert, aus eine Auswahl getroffen wird. Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus einer interaktiven Visualisierung von Bühlers Sprachmodell. Hier müssen Teile der Grafik per Drag & Drop neu positioniert werden.
  • Image map questions: Das System gibt eine Frage aus und zeigt dem Lernenden eine Image Map Grafik. Um die Frage zu beantworten muss der Lernende den richtigen Teil der Grafik per Klick aktivieren. Die Abbildung zeigt als Beispiel einen Ausschnitt aus einem interaktiven Tutorial zur Einführung in den Aufbau und die Bedienung digitaler Videokameras.
  • List matching questions: Der Lernende muss Begriffspaare richtig zusammenstellen oder Begriffe in eine bestimmte Reihenfolge bringen.
  • Lückentextaufgaben: Über Masken können Texte um Satz- oder Wortbestandteile ergänzt werden. Eine vordefinierte Eingabe wird mit der durch den Lernenden erstellten Eingabe verglichen. Je nach Anwendungskontext sollten die Masken ggf. eine Fehlertoleranz gegenüber der Eingabe aufweisen, bzw. mehrere alternative Antworten vorsehen (Synonyme, gängige Tippfehler). Eine Anwendungsmöglichkeit sind die so genannten C-Tests in der Fremdsprachenausbildung. Ein Beispiel für einen Englisch-Sprachtest, der als Ergebnis eine Einordnung des Sprachniveaus nach dem Europäischen Referenzmodell ausgibt, finden Sie auf den Seiten der Carl Duisberg Centren.

Einsatz

Ob und welche Testformen für Ihren Anwendungszusammenhang in Frage kommen, hängt von der Zielgruppe und den Lernzielen Ihrer Veranstaltung ab. Selbsttests mit Hilfe interaktiver Übungen sind bei den Studierenden relativ beliebt. Schulmeister (2003) vermutet, dass computergeneriertes Feedback weniger wertend empfunden wird als eine Beurteilung durch den Lehrenden. Manche Studierenden bezweifeln allerdings den Nutzen virtueller Tests und bevorzugen komplexe, durch einen Betreuer korrigierte Aufgaben (Thillosen & Arnold, 2001). Die Autorinnen empfehlen, einen Mix von verschiedener Aufgabentypen und zur Verfügung zu stellen und keinesfalls nur automatisch auswertbare, sondern auch ausreichend komplexe Aufgaben zu stellen.

Manipulation und Erweiterung des Systems

Möglichkeiten der Veränderungen und Ergänzungen des Systems dienen dazu, sich vertieft mit Inhalten auseinanderzusetzen.

  • Bei vielen elektronischen Büchern sind wie beim analogen Medium Anmerkungen, Lesezeichen und Hervorhebungen möglich, die durch Hyperlinks mit dem Text verbunden werden. Das abgebildete Beispiel ist der Notizzettel in der Lernplattform ILIAS.


  • In virtuellen Welten kann der Nutzer sogar eine eigenständige Veränderung von Parametern und Objekten vornehmen. Auch in Simulationen wird der Nutzer durch eine interaktive Objektsteuerung als Handelnder in die Computerumgebung einbezogen. Weiterführende Informationen zu interaktiven Visualisierungen erhalten Sie in den Vertiefungen Animation und Simulation.


Sicherung von Ergebnissen

Ein wichtiges interaktives Element, um produktive Arbeit zu unterstützen ist, dass eigene Annotationen Texte und Bilder in andere Anwendungen exportiert, ausgedruckt oder heruntergeladen werden können.

Aus digitalen Materialien können Texte, Bilder und andere Medien in der Regel leicht kopiert werden. Dies bietet dem Lernenden die Möglichkeit, Teile des Dokuments in anderen Programmen weiter zu verwenden. So können Studierende sehr frei mit den dargebotenen Materialien umgehen. Ein Problem kann in damit verbundenen Urheberrechtsverletzungen liegen. Näheres zum Thema Urheberrecht erfahren Sie im Bereich Rechte und Verwertung in der Rubrik Projektmanagement. 



Letzte Änderung: 08.04.2015