Visualisierung und Multimedia

Ob statische Bilder, Animationen, Simulationen, Videos oder virtuelle Realitäten: den möglichen Formen von Visualisierungen sind scheinbar keine Grenzen gesetzt. Oftmals werden diese Visualisierungen zusätzlich von Texten (gesprochen oder geschrieben) begleitet. Diese Kombination von Visualisierung und Text bezeichnet man in der Literatur als „Multimedia“. Noch immer wird häufig angenommen, dass multimediale Darstellungen generell zu einer besseren Lernleistung führen – doch das ist ein Irrtum. Vielmehr bestimmen viele Faktoren gemeinsam, wie und unter welchen Umständen es zu höherem Lernerfolg kommt.

Rahmenbedingungen

Sowohl in modernen digitalen oder virtuellen Lernumgebungen als auch im klassischen Lehrbuch werden die meisten Lerninhalte multimedial präsentiert, d. h. durch die Kombination von Texten (geschrieben oder gesprochen) und Bildern (statisch oder bewegt). Die Annahme, dass multimediale Darstellungen dabei generell zu mehr Behaltens-, Verstehens- und damit auch zu besseren Lernleistungen führen, hält sich hartnäckig. So universell gesprochen ist diese Annahme jedoch falsch. Vielmehr beeinflussen viele Faktoren, wie z. B. der konkrete Lerninhalt, die Art der Visualisierung, aber auch das Vorwissen des Lernenden, ob multimediale Darstellungen zu einem höheren Lernerfolg führen. Daher ist es wichtig, einige Gestaltungshinweise zu beachten. 

Lösung

Damit Visualisierungen den Lernerfolg steigern können, sollten sie gezielt und passend zum Lerninhalt, zum Lernziel und zu den Lernenden eingesetzt werden. Es gibt verschiedene wissenschaftliche Theorien darüber, wie und unter welchen Bedingungen Visualisierungen in Kombination mit Texten den Lernerfolg steigern können. Eine der bekanntesten Theorien ist dabei die kognitive Theorie des Multimedialen Lernens (cognitive theory of multimedia learning, CTML; Mayer, 2021). Sie gibt Hinweise für die Gestaltung multimedialer Lernmaterialien.

Details

Die kognitive Theorie des Multimedialen Lernens (cognitive theory of multimedia learning, CTML) beschreibt die kognitiven Prozesse, die dem Lernen mit Multimedia zugrunde liegen (Mayer, 2021). Daraus werden verschiedene Gestaltungsprinzipien für multimediales Lernmaterial abgeleitet. 

Screenshot von einem Lernmaterial: Ein Text beschreibt den Aufbau und die Vorgänge einer typischen tierischen Zelle. Oben drüber verdeutlicht eine Illustration das Ganze bildhaft.
Beispiel für E-Learning-Inhalte, die aus einem statischen Bild und einem geschriebenen Text bestehen. Verwendet wurden die Inhalte in einer Studie von Scheiter et al. (2014).

Die Theorie nimmt an, dass Lernende Informationen in zwei verschiedenen Verarbeitungskanälen verarbeiten: einem visuell/bildhaften und einem auditiv/verbalen (Paivio, 1990). Beide Verarbeitungskanäle weisen dabei eine begrenzte Kapazität auf, d. h. in den einzelnen Kanälen kann nur eine bestimmte Menge an Informationen gleichzeitig verarbeitet werden. Wenn nun Informationen auf beide Kanäle aufgeteilt werden, ist die kognitive Belastung für die einzelnen Kanäle geringer. Wenn also beispielsweise ein Text mit einer Grafik, die den Textinhalt illustriert, kombiniert wird, kann die Information in beiden Kanälen verarbeitet werden. Dies kann zu einer Reduktion der kognitiven Belastung und zu einer Verbesserung der Lernleistung führen (= Multimediaprinzip). Des Weiteren kann durch die Verwendung von gesprochenem Text (anstelle von geschriebenem Text) in Verbindung mit einem Bild die kognitive Belastung besser auf beide Kanäle verteilt werden (= Modalitätsprinzip). 

Zudem nimmt die Theorie an, dass Informationen aus Text und Bild miteinander verknüpft, also integriert werden müssen. Diese Integration ist zentral für den Lernerfolg und steht im Mittelpunkt der Theorie. Daher sollten die zu verknüpfenden Inhalte möglichst nah beieinander (sowohl räumlich als auch zeitlich) präsentiert werden. Konkret bedeutet dies, dass beispielsweise ein geschriebener Text und das dazugehörige Bild möglichst nahe beieinander und auf einer Seite präsentiert werden sollten (= räumliches Kontiguitätsprinzip) und dass der gesprochener Text und das dazugehörige Bild zeitgleich und nicht nacheinander präsentiert werden sollten (= zeitliches Kontiguitätsprinzip). 

Um die Text-Bild-Verknüpfungen weiter zu erleichtern, bietet sich sogenanntes „Signaling“ an. Dabei werden beispielsweise Textpassagen und dazugehörende Details im Bild farbig markiert oder durch entsprechende Nummern gekennzeichnet (Richter et al., 2016). 

Stolpersteine

Nicht alle multimedialen Darstellungen sind für alle Lernenden gleichermaßen hilfreich. Studien zeigen, dass vor allem Lernende mit wenig Vorwissen von multimedialen Präsentationen profitieren. Lernende hingegen, die bereits ein hohes Niveau an Vorwissen aufweisen, profitieren deutlich weniger oder teilweise gar nicht von multimedialen Präsentationen (Kalyuga, 2014). Dies liegt daran, dass Lernende mit hohem Vorwissen oftmals nur den Text oder nur das Bild zum Verständnis benötigen und die doppelte Darstellung der Inhalte in Text und Bild zu einer unnötigen Erhöhung der kognitiven Belastung führt. So ist z. B. auch das oben beschriebene Signaling vor allem für Lernende mit wenig Vorwissen geeignet (Richter et al., 2016). 

Vorteile 

  • Ein Aufteilen der zu lernenden Inhalte auf Text und Bild sowie auf unterschiedliche Sinnesmodalitäten (gesprochener Text und Bild) kann die kognitive Belastung reduzieren (vgl. Multimediaprinzip und Modalitätsprinzip).
  • Vor allem räumlich-visuelle Inhalte lassen sich gut mit Bildern unterstützen. Wie bereits erwähnt ist es hier wichtig, dass Text und Bild verknüpft werden, was beispielsweise durch Signaling erreicht werden kann. 
  • Bilder können die Motivation und Emotionen anregen (Lenzner et al., 2013).

Nachteile

  • Nicht alle Inhalte lassen sich gleich gut durch Visualisierungen abbilden. So lassen sich z. B. abstrakte Begriffe oder logische Verknüpfungen zwischen Aussagen (wenn… dann, obwohl, trotzdem, etc.) nur schwer bildlich darstellen.
  • Bilder können eine oberflächliche Verarbeitung des Materials begünstigen. Dies liegt daran, dass Bilder potentiell einfacher verarbeitet werden können, sozusagen „auf einen Blick“. Besonders kritisch ist dabei, dass diese einfachere Verarbeitung bei Lernenden den subjektiven Eindruck erwecken kann, den Inhalt besser verstanden zu haben. Dieser subjektive Eindruck des besseren Verstehens stimmt nicht zwangsläufig mit der Realität überein. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass Bilder den Eindruck vermitteln können, das zu lernende Material sei einfach. Das Überschätzen des eigenen Lernerfolges, wenn mit Multimediamaterial gelernt wird, wird auch Multimedia-Heuristik genannt (Jaeger & Wiley, 2014).
  • Überflüssige oder sehr komplexe Visualisierungen können die benötigte kognitive Verarbeitungskapazität unnötig erhöhen. Hier zeigen Studien, dass beispielsweise dekorative Bilder, also Bilder, die nur der Dekoration dienen und nicht den Lerninhalt erläutern, den Lernerfolg reduzieren können, da sie zwar Verarbeitungskapazität beanspruchen, aber nicht direkt zum Lernen beitragen (Sundararajan & Adesope, 2020). 

Weitere Informationen

Letzte Änderung: 30.05.2023

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