Comics als Lehrmaterial

Eine Abfolge von Bildern, die einen Vorgang oder eine Geschichte erzählen, wird Comic genannt. In der Lehre werden Bildergeschichten gezielt eingesetzt, um für Abwechslung zu sorgen, das Lernmaterial interessanter zu machen, komplexe Zusammenhänge zu verdeutlichen und die Lernenden zu motivieren. Dabei beinhalten unterhaltende Bilder zwar die Gefahr, vom eigentlichen Lerninhalt abzulenken und die kognitive Verarbeitung zu behindern, gleichzeitig gelten z.B. sparsam eingesetzte Comicstrips durchaus als ein Mittel des E-Learning-Gestaltungsrepertoires. Häufig wird in der Praxis auf Comic-Klassiker (z.B. Tim und Struppi, Asterix, Batman etc.) zurückgegriffen, da diese den meisten Lernenden vertraut sind und spontan ihr Interesse wecken.

Im Folgenden werden unterschiedliche Anwendungsszenarien von Bildergeschichten in der Lehre vorgestellt und Beispiele aus dem Bildungsbereich präsentiert.

Der Einsatz von Comics in der Lehre

Als graphische Erzählform kombinieren Szenen aus Comics Bildmedien mit mehr oder weniger spärlich eingesetzten Textbausteinen – häufig in Form von Sprechblasen. Daraus resultiert eine dialogische Erzählweise. Einsatzmöglichkeiten einzelner Comicbilder oder ganzer Comicszenen sind beispielsweise:

  • Dialogische Darstellung und Diskussion kontroverser Themen bzw. Meinungen, z.B. indem sich zwei Charaktere ein Streitgespräch liefern
  • Vereinfachte Darstellung komplexer Zusammenhänge, z.B. können historische Entwicklungen nachgezeichnet und wissenschaftliche Theorien oder naturwissenschaftliche Phänomene praxisnah erklärt werden
  • Abbilden der Ausgangslage eines Lehrinhalts, z.B. durch die Illustration einer typischen Fragestellung bzw. Problemsituation
  • Fremdsprachenunterricht für Anfänger, z.B. zur Wiederholung gelernter Vokabeln, zum Verständnis von Alltagsgesprächen
  • Bündelung der Aufmerksamkeit der Lernenden auf ein bestimmtes Thema
  • Auflockerung des Lehrmaterials bzw. Aufheiterung der Lernenden

Bilder und Comics sollten den Studierenden jedoch nicht ohne erklärenden oder ergänzenden Text präsentiert werden, da die meisten Lernenden die wesentlichen Informationen aus Gewohnheit eher im Text suchen und ihre Aufmerksamkeit nur kurz auf Bilder lenken. Bei jeder Art von Illustration müssen die Lernenden daher, je nach Abstraktionsgrad der Darstellung, große Verstehensleistungen aufbringen, um deren Sinn bzw. den Zusammenhang zum Thema richtig zu verstehen (Oestermeier & Eitel, 2014). Zudem bringt der Einsatz von Comics in der Lehre die Gefahr mit sich, dass Lernende die Aussagekraft der Abbildungen unterschätzen. Aufgrund der relativen Bekanntheit einer Comicszene bzw. der Charaktere werden gegebenenfalls tiefergehende Aussagen übersehen oder nur peripher beachtet.
Achtung: Beim Einbinden von Comicmaterialien in Lernumgebungen müssen außerdem verschiedene Fragen des Urheberrechts geklärt und berücksichtigt werden.

Beispiele aus dem Bildungsbereich

Im Bildungsbereich, sowohl in der Lehre an Schulen als auch an Hochschulen, kamen bereits ganze Comics bzw. einzelne Sequenzen aus Bildergeschichten zum Einsatz - hierzu einige Beispiele aus der Praxis:

F. James Holler und John P. Selegue, beide Chemie-Professoren an der Universität von Kentucky, entwickelten im Jahr 1995 " The Periodic Table of Comic Books ". Das sogenannte "Comic-Periodensystem der Elemente" beschreibt die Wirkungsweise jedes chemischen Elements in Ausschnitten aus Comics seit den 1940er Jahren. So werden z.B. das Element Sauerstoff und damit verbundene Phänomene u.a. in Comicszenen aus "Dagobert Duck" oder "Batman" dargestellt, Ausschnitte aus "Tim und Struppi", "Superman" und anderen Klassikern klären beispielsweise über die Auswirkungen von Kohlenstoff auf.

Außerdem lassen sich in Comicform z.B. Bedienungsanleitungen von Software oder anderen Anwendungsprogrammen anschaulich darstellen und erklären. Ein Beispiel hierfür ist das neueste Werk von Scott McCloud, einem US-amerikanischen Comic-Künstler und Comic-Theoretiker. In seiner 39-seitigen, digitalen Bildergeschichte beschreibt er die Entstehungsgeschichte und Funktionsweise des Webbrowsers Google Chrome. Weitere Comics des Künstlers sind auf der Homepage von Scott McCloud zu finden, so auch seine berühmten Webcomics. Diese entstanden zwischen 1998 und 2004 und beschäftigen sich größtenteils mit der Idee, den Computerbildschirm anstatt einer einfachen Webseite als ein digitales Fenster zu sehen. Zudem veröffentlichte McCloud eine Reihe Sach-Comics, die sich mit Vergangenheit, Gegenwart und dem zukünftigen Potenzial der sequenziellen Kunst auseinander setzen und Autoren Tipps bzw. Hinweise beim virtuellen Geschichtenerzählen geben.


Im Jahr 2008 veröffentlichte das Anne Frank Zentrum Berlin zusammen mit dem Anne Frank Haus Amsterdam den Comic "Die Suche", der sich mit Nationalsozialismus, Judenverfolgung und deutschen Konzentrationslagern während des Zweiten Weltkriegs beschäftigt. Testweise im Unterricht an Berliner Schulen eingesetzt, sollte die fiktive Bildergeschichte die Jugendlichen in Rückblenden über tatsächliche Ereignisse aus der NS-Zeit aufklären. Dabei wurde der Stil des Comics an den eher naiven Zeichenstil der "Tim und Struppi"-Comics angepasst. Ziel des Bandes war es, Fragen zu provozieren und das Interesse der Schüler/-innen am Thema zu wecken (Spiegel Online, 07.02.2008: "Holocaust-Grauen im Comic-Format").

Darüber hinaus bietet sich der Comic "Maus. Die Geschichte eines Überlebenden" von Art Spiegelman aus den Jahren 1986 bis 1991 zum Einsatz in der Lehre an. In Form einer Fabel erzählt der Autor die Geschichte seiner jüdischen Eltern während des zweiten Weltkriegs in Polen, wobei alle Charaktere als Tiere (Juden als Mäuse, deutsche Nazis als Katzen, US-Amerikaner als Hunde etc.) dargestellt werden. Im Jahr 1992 wurde der Comic mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet und empfiehlt sich aufgrund seines hohen Niveaus vor allem für den Einsatz in der Hochschullehre (Frankfurter Rundschau, 15.04.2010: "Tim & Struppi in Auschwitz").


Weitere Informationen

  • Mit der pädagogischen Wirkung von Comics im Geschichtsunterricht beschäftigt sich die Historikerin Christine Gundermann der FU Berlin in ihren zahlreichen Publikationen, so z.B. in "Jenseits von Asterix. Comics im Geschichtsunterricht" (2007).
  • Im Bereich Medientechnik stellen wir Ihnen einige webbasierte Tools zum Erstellen von Comics und Collagen vor.
Letzte Änderung: 31.03.2016