E-Klausur

Das steigende Prüfungsaufkommen im Zuge der Anpassung an die Bologna-Richtlinien führt zu einem erheblichen Aufwand was die Organisation, Durchführung und die Korrekturen der Prüfungen betrifft. Eine Lösung für die Bewältigung des erhöhten Prüfungsaufkommens stellt die E-Klausur dar. In Abgrenzung zur Online-Prüfung wird die Klausur an Rechnern in den Räumlichkeiten der Hochschule durchgeführt. Im Folgenden stellen wir verschiedene Aspekte vor, die bei der Durchführung beachtet werden sollten.

Rahmenbedingungen

  • E-Klausuren werden von den Studierenden am Computer in den Räumlichkeiten der Universität absolviert.
  • Bei Massenveranstaltungen muss ein hohes Pensum an Prüfungs-Teilnehmern auf einmal bewältigt werden. Dafür müssen große Räume zur Verfügung stehen. Stehen nicht genügend Räumlichkeiten und technische Möglichkeiten zur Verfügung müssen Prüfungen in mehreren Durchgängen und unterschiedlichen Räumen durchgeführt werden.
  • Grundlage einer E-Klausur ist die bestehende Prüfungsordnung. Wie bisher müssen die Prüfungen archiviert und die Möglichkeit der Prüfungseinsicht bestehen.
  • Eine Beaufsichtigung muss erfolgen.
  • Prüfungsdaten sind vertrauliche Daten. Sie müssen gegen einen Zugriff von außen geschützt werden.

Lösung

Wickelt man die Prüfung über eine Klausur-/Prüfungssoftware ab, kann auch die Auswertung der Prüfung elektronisch erfolgen. Die elektronischen Prüfungen werden an Rechnern durchgeführt. Je nach System kann die Prüfung am eigenen Rechner erfolgen oder einem Rechner, der von der Hochschule zur Verfügung gestellt wird. Die Ergebnisse können unmittelbar elektronisch ausgewertet und rückgemeldet werden.

Details

  • Es existieren viele verschiedene Prüfungssoftware-Systeme und viele Lernplattformen bieten integrierte Prüfungsmodule an. Das System sollte je nach Fach unterschiedliche Anforderungen/Funktionen bereitstellen. Die Anbieter von Prüfungssoftware bieten verschiedene Vertragsmodelle an. Zum Teil wird die Betreuung und Wartung übernommen, zum Teil muss die Hochschule diese Aufgaben selbst übernehmen.
  • Die Systeme lassen sich (in unterschiedlichem Umfang) über Schnittstellen in bestehende Prozesse und Systeme der Hochschule einbinden oder auch an bestehende Infrastrukturen anpassen.
  • Die Hochschule muss entscheiden, ob sie einen eigenen PC-Pool aufbaut und eigene Serverhardware anschafft oder auf Dienste eines Anbieters zurück greift.
  • Auch die Ankündigung und Anmeldung (Zulassung) zu einer E-Klausur kann elektronisch erfolgen. Ebenso kann die Vorbereitung auf die Prüfung elektronisch unterstützt werden.

Stolpersteine

  • Einführung: Es ist wichtig die neue Prüfungsform bei den Studierenden einzuführen und sie nicht damit zu überraschen. Eine Möglichkeit ist, die Studierenden im Rahmen einer Übungsklausur mit dem System vertraut zu machen.
  • Softwaresysteme: Die Systeme sollten sicher und störungsunanfällig laufen; die Wartung und der Service sollten sichergestellt werden können.
  • Der Aufbau eines Rechner-Pools sollte in Absprache mit dem Sicherheitsbeauftragten der Hochschule erfolgen. Auch bei Stromausfall muss die Abwicklung der Prüfung gewährleistet sein.
  • Serverkapazität: Die gleichzeitige Abwicklung von Prüfungen am Rechner erfordert eine hohe Serverkapazität.
  • Prüfungsordnung: Vor der Durchführung muss geprüft werden, ob die E-Klausuren die Anforderungen an Reliabilität und Validität erfüllen und auch sonst mit der Prüfungsordnung vereinbar sind.
  • Bedienbarkeit: Prüfer und Studierende müssen mit den neuen Systemen und evtl. den Rechnern zurecht kommen. Eventuell hilft es, wenn Studierende mit dem Prüfungssystem eine Probeklausur durchführen können. Lautstärke und Bedienbarkeit der Rechner sowie die Ergonomie der Tastatur sollten sich nicht störend auf die Prüfungsabwicklung auswirken.
  • Sicherheit: Datenschutz und Datensicherheit müssen gewährleistet werden können. So erfordern E-Prüfungen abgeschirmte Leitungs- oder Funknetze zwischen den Rechnerarbeitsplätzen für die Studierenden und einem zentralen Server. Die Rechner müssen so eingerichtet werden, dass keine Manipulation der Prüfung durch die Studierenden erfolgen kann (z.B. sichere Authentifizierung).
  • Didaktik: Didaktisch kann es von Nachteil sein, wenn die Prüfungsform an der Software ausgerichtet wird und nicht umgekehrt. Kritisch sollte auch eine Standardisierung der Prüfungen betrachtet werden (z.B. Multiple Choice statt Freitext). Die Steigerung der Effektivität (was die Abwicklung von Prüfungen betrifft) sollte nicht auf Kosten der didaktischen Anforderungen gehen.

Vorteile

  • Fragen können individuell oder per Zufallsgenerator zusammengestellt werden, damit wird Abschreiben fast unmöglich.
  • Das vorläufige Prüfungsergebnis kann unmittelbar den Studierenden übermittelt werden.
  • Elektronische Prüfungen ermöglichen neue Formen der Evaluation, die auch die Qualität der Prüfung verbessern können, z. B. geben sie Aufschluss darüber, bei welchen Prüfungsteilen es am häufigsten Probleme gibt.
  • Über die Prüfungssoftware lassen sich viele verschiedene Aufgabentypen umsetzen: Die möglichen Fragetypen reichen von Multiple-Choice, Zuordnungs- und Anordnungsfragen per Drag and Drop über offene Aufgaben bis hin zu Diagnoseübungen an virtuellen Patienten. Es lassen sich verschiedene Medien (Bilder, Audio-, Video, Animationen) einbinden. In einem Fragenpool lassen sich die einmal entwickelten Aufgaben verwalten und wiederverwenden.
  • Auch bei Aufgaben, die manuell ausgewertet werden müssen, etwa Freitextaufgaben oder Aufsätzen, bieten E-Klausuren Vorteile, da es die Korrektur erleichtert und die Korrekturzeit verkürzt, wenn die Antworten in einer einheitlichen, gut lesbaren (bzw. maschinellen) Schrift vorliegen (Schulz & Apostolopoulos 2011, 37–39).   
  • Die Studierenden können die Lösungen beliebig oft überarbeiten, ohne Spuren zu hinterlassen.
  • Die Studierenden gewöhnen sich in der Regel schnell an das neue Format. Von vielen Studierenden wird die elektronische Prüfung sogar als angenehmer und zuverlässiger angesehen.
  • Reduktion des Korrekturaufwandes.
  • Reduktion des Personalaufwands.

Nachteile

  • Auch bei E-Klausuren müssen die Studierenden persönlich erscheinen; eine Authentifizierung über das Web erscheint in vielen Fällen noch nicht sicher genug.
  • Organisation und Durchführung erfordern genauso wie konventionelle Klausuren Aufsichts- und Verwaltungspersonal.
  • Neue Formen der Manipulation müssen berücksichtigt werden.
  • Die Fehlerintoleranz der Systeme z.B. bei geringfügigen Orthografiefehlern, kann zu Problemen führen.
  • Die größte Effizienz von E-Klausuren ergibt sich, wenn die Ergebnisse automatisiert ausgewertet werden können, etwa bei der Abfrage von Standardwissen (z.B. im Grundstudium). Komplexere Qualifikationen und Kompetenzen und argumentative Strukturen lassen sich jedoch nicht mit solchen Aufgabentypen erfassen. Hier sind auch künftig Leistungsnachweise wie Aufsätze bzw. Klausuren notwendig, die manuell ausgewertet werden müssen (auch wenn sie ggf. computergestützt durchgeführt werden können).
  • Das Überlegen und Erstellen von Prüfungsaufgaben mit der Sofware erfordert vom Dozierenden weiterhin viel Zeit. Bestehende Aufgaben müssen erst in das System eingespeist werden.
  • Bestehende Räume erfüllen zumeist nicht die Anfordernisse eines IT-Arbeitsplatzes (schräge Tische, enge Sitze usw.) Eine Umrüstung kann mit erheblichen Kosten verbunden sein. Die Uni Bremen hat rund 550.000 Euro in das elektronische Testcenter investiert (Stand Dezember 2007).
  • Die gleichzeitige Abwicklung von Prüfungen stellt hohe Ansprüche z.B. an die Serverkapazität oder das WLAN-Netz. Es kann eine gewisse Zeit dauern, bis ein System stabil läuft.

Beispiele

  • An der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) werden seit 2005 E-Klausuren mit einem mobilen Prüfungssystem über Tablett-PCs durchgeführt. Das mobile Prüfungs- und Evaluationssystem Q[kju:] läuft über einen mobilen Server, der die Auswertung direkt im Anschluss an die Prüfung ermöglicht. Der externe Dienstleister Codiplan ist für die Bereitstellung der Geräte, die Einrichtung der Fragen auf den PCs, die technische Instandhaltung und die personelle Betreuung während der Prüfungen verantwortlich. Die Erfahrungen der Beteiligten werden in einem  Videobeitrag anschaulich zusammengefasst.
  • An der Uni Bremen lassen sich alle Geräte auf einmal zentral starten, anstatt von Hand hochgefahren zu werden. Mit einer zentralen Management-Software lassen sich für verschiedene Rechner unterschiedliche Programme frei schalten. Per Mausklick wird beispielsweise entschieden, ob Word oder das Internet zur Verfügung stehen sollen oder nicht. Dadurch sind im Testcenter mehrere verschiedene Prüfungen zur gleichen Zeit möglich. In einem Referenzbeispiel wird das Testcenter der Universität Bremen ausführlich vorgestellt.
  • Die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Zürich stellt ihren Studierenden ausführliche Informationen zu technischen Voraussetzungen und zur Handhabung von Online-Klausuren zur Verfügung.

Werkzeuge

Die Anwendungen enthalten in der Regel einen Entwicklungs- und einen Prüfungsteil.
Für die Erstellung computerunterstützter Übungen und Tests sind oftmals entsprechende Funktionen in Autorenwerkzeugen oder Lernmanagementsystemen verfügbar. Prüfungsgeneratoren hingegen sind speziell auf die Erstellung von Übungen, Tests und Examen ausgerichtet.

Kommerzielle Anbieter:

  • Codiplan,
  • Lplus GmbH,
  • NetTest (Lerndesign GmbH),
  • Questionmark Perception (Telerat GmbH),
  • Respondus (WebCT Inc.).

Lizenzfreie Systeme:

  • eduplone eXam (Lernplattform eduplone),
  • Online Exam (Ilias),
  • UbiLearn Testtool (UbiLearn),
  • ViPS (StudIP).

Weitere Informationen

  • Die Veröffentlichung "E-Klausuren an Hochschulen" (2009) der Koordinationsstelle Multimedia des Hochschulrechenzentrums der Universität Gießen beschreibt viele Aspekte von E-Klausuren etwas ausführlicher.
  • Rechtsfragen zum Thema elektronische Prüfungen hat Dr. Michael Beurskens in einem Interview für die TU Dresden beantwortet.
  • Das Niedersächsische Netzwerk für E-Assessments und E-Prüfungen N2E2 betreibt ein Wiki, in dem das Know-how rund um E-Klausuren dokumentiert wird. Hier können Best-Practice-Beispiele nachgelesen oder Literaturlisten eingesehen werden.
  • Im Evaluierungsbericht "Prüfen am PC. Wissenschaftlicher Evaluierungsbericht PC-Prüfungen im Praxiseinsatz" von Kerres, Rottmann & Stratmann (2007) wurden 25 computergestützte, meist webbasierte Prüfungen der Handwerks- sowie Industrie- und Handelskammern evaluiert.
  • Weitere Infos liefert auch das Portal: http://www.pruefer-hwk.de/ der Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk e.V
Letzte Änderung: 10.05.2022