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Für Lehrende an Hochschulen und Universitäten gilt das Prinzip der "Freiheit von Forschung und Lehre": Sie können ihre Veranstaltungen den eigenen Vorstellungen entsprechend gestalten. Zugleich berichten Lehrende häufig von dem für sie frustrierenden Eindruck, dass Studierende sich lediglich dafür interessieren, ob bestimmte Inhalte auch geprüft werden. Was sie jedoch oft unterschätzen, ist, dass sie mit der gewählten Prüfungsform ein Zeichen dafür setzen, was tatsächlich in ihrer Veranstaltung relevant ist. Das Konzept des Constructive Alignment unterstützt Lehrende dabei nicht nur Lernziele und Lehr-/Lernmethoden aufeinander abzustimmen, sondern auch die Prüfungsformen in ihre Planung einzubeziehen, Warum ist die „konstruktive Abstimmung“ dieser drei Elemente aufeinander so wichtig? Ein wesentlicher Grund ist, dass Studierenden so die Ziele einer Lehrveranstaltung besser verstehen und Missverständnisse zwischen Lehrenden und Lernenden vermieden werden können. Zugleich unterstützt das Konzept des Constructive Alignment eine zentrale Anforderung der Bologna-Reform, nämlich eine kompetenzorientierte Gestaltung der Lehre (Schaper, Reis, Wildt, Horvath & Bender, 2012).
Damit Lehrende und Studierende am selben Strang ziehen, werden beim Constructive Alignment Lernziele, Lehr-/Lernmethoden und Prüfungsform bereits bei der Planung einer Lehrveranstaltung aufeinander abgestimmt. Konkret werden sowohl der Aufbau, die Struktur als auch die Inhalte der Lehrveranstaltung entsprechend an den Prüfungsaufgaben ausgerichtet. Die Lehrveranstaltung gewinnt dadurch an Kohärenz und Transparenz. Dabei können die angestrebten und mit der Prüfung adressierten Lernergebnisse sich im Zeitverlauf noch ändern, das Konzept einer Veranstaltung kann also flexibel angepasst werden.
Das Modell des Constructive Alignment wurde von John Biggs entwickelt, einem australischen Professor für Pädagogische Psychologie (Biggs & Tang, 2011; Wildt & Wildt, 2011). Folgende Fragen und Komponenten sind ausschlaggebend für das Konzept:
Das Konzept basiert auf dem konstruktivistischen Ansatz, wonach die Lernenden im Fokus stehen, sich ihr Wissen aktiv und eigenständig aneignen und damit für ihren Wissenserwerb selbst verantwortlich sind (Neubert, Reich & Voß, 2001). Die Lehrenden hingegen stellen den Studierenden die Möglichkeiten zum Wissenserwerb zur Verfügung, kommunizieren die Lernziele klar und eindeutig. Außerdem stellen sie sicher, dass die Lernmethoden an die angestrebten Lernergebnisse angepasst sind und die anschließenden Prüfungsaufgaben den Studierenden aufzeigen, was sie gelernt haben. Diese drei Elemente – Lernziele, Lernmethoden und Prüfungsform(en) – werden im Constructive Alignment auch oft als das „Goldene Dreieck“ bezeichnet (Gallagher, 2017).
Die abgebildete schematische Darstellung des Modells des Constructive Alignment (in Anlehnung an Wildt & Wildt, 2011) nennt explizit die Aspekte „Situationen“, „Anforderungen“ und „Aufgaben“, die für jeden der drei Eckpunkte spezifiziert werden können. So werden beispielsweise für die Prüfungsform die jeweilige Prüfungssituation, die Prüfungsanforderungen sowie die Prüfungsaufgaben mit einbezogen.
Learning-Outcomes/Lernziele
„Die Learning Outcomes (Lernziele, Lernergebnisse) […] beschreiben, was Studierende am Ende einer Lerneinheit wissen und können müssen und welche Einstellungen von Ihnen erwartet werden“ (Bachmann, 2014, S. 34).
Damit sich die Lernziele auch im Sinne des Constructive Alignment in den Lernmethoden und der Prüfungsform wiederfinden, müssen sie vorab explizit formuliert werden. Hilfestellung bieten dabei Lernzieltaxonomien (z.B. Bloom, 1972), in denen nicht nur passende Verben für die Formulierung von Lernzielen vorgeschlagen, sondern auch verschiedene Schwierigkeitsgrade der Lernziele angezeigt werden. Hinsichtlich der Anzahl der Lernziele empfehlen Biggs und Tang (2011) nicht mehr als fünf oder sechs zu nennen, auch wenn es genug Stoff für mehr gäbe. Die Formulierungen sollten dabei möglichst genau beschreiben, was die Studierenden am Ende können sollten und warum dies wichtig ist. Je präziser die Lernziele formuliert sind, desto einfacher ist es, die Lernmethoden und die Prüfungsformen anzupassen.
Verschiedene Studien haben in den letzten Jahren deutlich gezeigt, dass das Verhalten von Lernenden bei der Vorbereitung auf eine Prüfung vom angekündigten Format dieser Leistungsüberprüfung beeinflusst wird (Scouller, 1998). Die Einschätzung, welche Anforderungen eine bestimmte Prüfungsform mit sich bringt, hat Einfluss darauf, welche Lernstrategie gewählt wird. So haben Untersuchungen gezeigt, dass Lernende geschlossene, automatisch auswertbare Aufgaben (wie Multiple-Choice-Aufgaben) – etwa im Vergleich zu offenen Antwortformaten (wie Klausuren und Freitextaufgaben) – als deutlich leichtere Prüfungsform einschätzen und bei der Prüfungsvorbereitung häufiger oberflächliche Lernstrategien nutzen (für eine zusammenfassende Auswertung der Literatur zu diesem Thema siehe auch Lindner, Strobel & Köller (2015)).
Aus der Perspektive der Dozierenden gibt es einen weiteren Grund, sich schon zu Beginn der Planung einer Veranstaltung auch mit den Prüfungsformen auseinanderzusetzen: Es macht sie darauf aufmerksam, ob die von ihnen definierten Lernziele überhaupt vernünftig geprüft werden können (bevor sie ggf. zeitaufwändig Lernaktivitäten entwickeln, um dann festzustellen, dass die gewünschten Learning Outcomes schlecht prüfbar sind).
Aus diesen beiden Gründen erscheint es sinnvoll, im Sinne des Constructive Alignment die Prüfungen bei der Planung von Lehrveranstaltungen von Beginn an mit zu bedenken. Nach der Definition der Learning Outcomes sollten daher zunächst die Prüfungsformen festgelegt werden. Die Prüfungen sollen so ausgerichtet sein, dass sie sicherstellen, dass die Lernenden die intendierten Lernziele erreicht haben. Ist dies der Fall, verfolgen Lehrende mit ihren Methoden und Studierende mit ihren Lernaktivitäten dasselbe Ziel (Biggs & Tang, 2011). Wichtige Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Studierenden vorab durch den Lehrenden über die intendierten Learning Outcomes informiert werden.
Je nach festgelegtem Lernziel lassen sich unterschiedliche Lehr- und Lernmethoden empfehlen. So unterscheiden Biggs und Tang (2011) zunächst zwischen deklarativem bzw. deskriptivem Wissen und Anwendungswissen. Sollen die Studierenden ihr Wissen lediglich verbal wiedergeben können? Dann können beispielsweise Lernaktivitäten wie Peer-Teaching oder Wissensüberprüfungsaufgaben angewandt werden. Oder sollen sie Handlungsabläufe in bestimmten Situationen anwenden können? Dann eignen sich womöglich eher Gruppenarbeiten und Problembasiertes Lernen. Je nach Art der Wissensvermittlung variieren somit auch die Lehr- und Lernmethoden. Zudem hängt die optimale Wahl der Methode auch davon ab, wie groß die Gruppe der zu unterrichtenden Studierenden ist. Generell sollte jedoch beachtet werden, dass die Lernenden dabei im Fokus stehen und aktiv im Sinne des konstruktivistischen Lernverständnisses gefördert werden sollen.
Konkrete Beispiele für Lehr- und Lernmethoden finden sich etwa bei Biggs und Tang (2011).
Ein von Studierenden und Lehrenden geteiltes Verständnis der Konzeption einer Lehrveranstaltung kann laut Gallagher (2017) insbesondere durch Feedback vertieft werden. In Bezug auf das Modell des Constructive Alignment schlägt er z.B. vor, Studierenden regelmäßiges Feedback zu ihren Lernfortschritten zu geben (z.B. durch Tests und Quizzes, aber auch durch Rückmeldungen in der Präsenzveranstaltung), aber auch Feedback von den Studierenden einzuholen, etwa darüber, ob aus deren Perspektive die Beschreibung von Lernzielen klar ist oder ob sie die Lehr-/Lernszenarien, Materialien und Aufgaben für geeignet halten, um die Lernziele zu erreichen. Gegenseitiges, insbesondere formatives Feedback kann auch dabei unterstützen, die Abstimmung der drei Eckpunkte – Lernziele, Lehr-/Lernmethoden und Prüfungsform(en) – aufeinander fortlaufend zu überprüfen.
Wie sieht die Anwendung des Constructive Alignment in der Praxis aus? Hier sind einige Beispiele:
Schaper, Reis, Wildt, Horvath & Bender, 2012: https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/535a7bd1d3ed408b81e277fe5ccd96b8
Biggs & Tang, 2011: https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/b62abf54ef0f4a77a4d1f00ddcb7f9b8
Wildt & Wildt, 2011: https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/a9f849c66b4b49a6a512e61ee22a9a8a
Neubert, Reich & Voß, 2001: https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/d945002035db40a8a1eaf0371b96098d
Gallagher, 2017: https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/c3a1c913f9e4443bb04894bbc5353077
Wildt & Wildt, 2011: https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/a9f849c66b4b49a6a512e61ee22a9a8a
Bachmann, 2014: https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/72ed3ef6ed0c419fb239734ab23e5933
Bloom, 1972: https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/23f410896fc243dcaa06e00a49a747ae
Biggs und Tang (2011): https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/b62abf54ef0f4a77a4d1f00ddcb7f9b8
Scouller, 1998: https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/52e46b2d4e02436aac54506496f73c4b
Lindner, Strobel & Köller (2015): https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/d0352e8899564eb884cd58862b8f0ee7
Biggs & Tang, 2011: https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/b62abf54ef0f4a77a4d1f00ddcb7f9b8
Biggs und Tang (2011): https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/b62abf54ef0f4a77a4d1f00ddcb7f9b8
Biggs und Tang (2011): https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/b62abf54ef0f4a77a4d1f00ddcb7f9b8
Gallagher (2017): https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/c3a1c913f9e4443bb04894bbc5353077
Reinmann, 2018: https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/e08932fd38a64926a11bd06cb8d6733e
Artikel: https://www.researchgate.net/publication/236964317_Constructive_Alignment_interdisziplinar_-_Ein_Beispiel_aus_dem_Maschinenbau
Beitrag: http://www.religionskunde.info/images/Schroder_ZFRK_5-2017.pdf
Tagungbeitrag: https://e-pruefungs-symposium.de/wp-content/uploads/2017/07/FlippedCT_hoffmann_eps2017_33.pdf
Qualifizierungsspecial „learning e-learning“: https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/410a6d11480041aa84c3adf95320c274
Seite zur Themeneinheit Constructive Alignment: https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/19db549da54441fca2193420cd33eafd
„EAs.LiT": http://andreas-thor.github.io/eal/
elektronischen Lehrveranstaltungsplaner (eLP) : https://www.elp.uni-wuppertal.de/
Educast: http://dl.medienlabor.uni-wuppertal.de/zim4learners/elp/index.html
Teaching Teaching & Understanding Understanding: https://www.youtube.com/watch?v=iMZA80XpP6Y&list=PLUvh8nBV_eO9ma_DggZiSGLnKb9hBZ5yO
Teaching for Quality Learning at University: https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/resolveuid/b62abf54ef0f4a77a4d1f00ddcb7f9b8
e-teaching.org (2023). Constructive Alignment. Zuletzt geändert am 21.02.2023. Leibniz-Institut für Wissensmedien: https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment/constructive-alignment. Zugriff am 31.03.2023