L3T - die Rezension

12.08.2011 |

L3T ist das Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien. e-teaching.org hat die gedruckte Buchfassung gelesen.


Martin Ebner & Sandra Schön (Hg.) (2011): Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T). epubli: Berlin.


Im Newsletter 28 vom Februar 2011 hatte e-teaching.org seinen Adressaten das interdisziplinäre Lehrbuch L3T - Lernen und Lehren mit Technologien zur Lektüre empfohlen. Inzwischen hatten wir Gelegenheit, uns mit dem Werk, das inner- und außerhalb der E-Learning-Community große Resonanz gefunden hat, etwas intensiver auseinander zu setzen. Das Erscheinen der Druckfassung ist uns Anlass für die folgende Rezension, bei der das Werk am eigenen Anspruch gemessen werden soll, nämlich seinem Charakter als Lehrbuch.

Die Adressatenschaft von L3T ist weit gefasst. Es sind Lernende und Lehrende in Studiengängen im jeweiligen Themenfeld. Das wird von den Herausgebern interdisziplinär gesehen mit den Bezugsdisziplinen Erziehungswissenschaften, Psychologie und Informatik mit relevanten Teildisziplinen wie Mediendidaktik, Medienpädagogik, Pädagogische Psychologie, Medieninformatik bis hin zu Mensch-Maschine-Interaktion und BWL. Den Lernenden soll es die Forschungs- und Praxisgebiete erschließen, den Lehrenden Anregungen und Unterlagen für ihren Unterricht bieten.

Der Bogen der 48 Kapitel ist entsprechend weit gespannt. Zur Grobstrukturierung wurden diese unterteilt in Einführung (16 Kapitel), Vertiefung (13 Kapitel) und Spezial (19 Kapitel). Der Druckfassung fehlt allerdings diese Dreiteilung im Inhaltsverzeichnis. Die Einführungstexte sollen Übersichten geben, die später vorausgesetzt werden. Sie sind einzeln i.d.R. gut lesbar. Mir fehlt allerdings eine herausgeberische Linie, die ihnen einen roten Faden gibt. So bietet Schulmeisters Kapitel zu Hypertext einen schönen Überblick auf dem (gesicherten) Stand der Wissenschaft mit Anschlussmöglichkeiten an aktuelle Entwicklungen. Leider fehlen entsprechende Beiträge zu anderen charakteristischen Nutzungsformen, z.B. Drill & Practice, Tutorials oder Simulationen. Informationen dazu finden sich allenfalls verstreut und versteckt an anderen Stellen.

Die Konzentration auf aktuelle Entwicklungen wird im Abschnitt Vertiefung besonders deutlich. Als Beispiel sei das Kapitel Simulationen und simulierte Welten genannt, das sich im Wesentlichen auf immersive 3D-Welten konzentriert. Klassische Simulationen und Modellbildungssysteme sind immer noch nicht so alltäglich, dass sie keiner Erwähnung mehr bedürften. Sie bieten andererseits viel methodisches Potenzial, gerade hinsichtlich explorativer und expressiver Lernaktivitäten. Andererseits finden unter Vertiefung und besonders im Abschnitt Spezial Themen ihren Platz, die in konkurrierenden Bänden ausgeblendet blieben, wie E-Assessment, Qualitätssicherung oder Geschlechterforschung.

Vielen Beiträgen in Einführung und Vertiefung ist eine gewisse Techniklastigkeit nicht abzusprechen. So wird das Lernen mit Bildern, Audio und Video sehr knapp abgehandelt und schnell auf technische Anforderungen übergegangen. Das kognitionswissenschaftliche Kapitel behebt diesen Mangel nicht, sondern beschäftigt sich mit den grundlagenwissenschaftlichen Konzepten und deren Konsequenzen für unser Verständnis von Wissen und Lernen. Es gibt weitere Kapitel, die etwas isoliert von den anderen stehen, etwa das zur Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT), obwohl diese doch derzeit in vielen E-Learning/(E-Teaching-Kontexten diskutiert wird.

Die fachspezifische Sicht ist ein Schwerpunkt des Abschnitts Spezial. Vertreten sind die Human- und Tiermedizin, Naturwissenschaften, Mathematik, Sport und Fremdsprachen. Da diese Kapitel in ihrer gebotenen Kürze für den Blick über den Tellerrand geeignet sein sollten, wäre wohl die exemplarische Vorstellung typischer Anwendungen hilfreich zum Verständnis der eher abstrakten Ausführungen.

Der Lehrbuchcharakter von L3T wird durch zahlreiche gestalterische Elemente unterstützt. Alle Kapitel haben jeweils kurze Einführungen in das Themenfeld und zentrale Aussagen sind in Kästchen hervorgehoben. Ebenso gibt es jeweils Aufgaben für Einzellerner und Lerngruppen. Vielfach gibt es Zusatzinformationen "In der Praxis", durch die eine engere Verknüpfung der forschungsorientierten Kapitel mit der Nutzung im Unterrichtsalltag hergestellt werden soll. Hilfreich ist dabei sicher auch, dass zu dem Buch eine ganze Reihe von Begleitmaterialien im Web verfügbar sind (z.B. Literaturliste, Videos u.a.). Das Arbeiten mit L3T würde leichter fallen, wenn es ein Glossar sowie einen Sach- und Personenindex beinhalten würde. Das Buch ist in einem lesefreundlichen Zwei-Spalten-Layout gesetzt - aus Kostengründen leider nur im S/W-Druck, obwohl bei etlichen Abbildungen Farbe (wie im PDF bzw. in der Books on Demand-Fassung) wünschenswert wäre.

Trotzdem hat L3T insgesamt eher den Charakter eines Kompendiums. Es deckt die ganze Bandbreite an Themen ab, die eine interdisziplinäre Sichtweise auf das Lernen und Lehren mit Technologien erfordert und es bietet eine wertvolle Fundgrube für alle Lehrenden in diesen Bereichen. Für ein Lehrbuch, das die Lernenden bei Bedarf auch eigenständig durcharbeiten, fehlen vielfach die Bezüge und eine gegenseitige inhaltliche Integration der Kapitel. Das mag dem Entstehungsprozess und der großen Zahl beteiligter Personen am Lehrbuch L3T geschuldet sein. Es verlagert damit aber die kognitive Integration über Gebühr auf Seiten der Rezipienten.

Die Herausgeber planen eine Folgeausgabe von L3T mit Überarbeitungen und Erweiterungen. Wenn einige der hier genannten Kritikpunkte und Anregungen Berücksichtigung finden, dann kann unsere bisherige "wärmste Leseempfehlung" zur "Pflichtlektüre" für alle Adressaten von e-teaching.org hochgestuft werden ;-)

Gepostet von: mschmidt
Kategorie: