Tagungsbericht: ePrüfungssymposium 2017

Der September ist „der“ Tagungsmonat für alle, die sich für den Einsatz digitaler Medien in der Hochschullehre interessieren. Dabei fokussiert sich das ePrüfungssymposium (ePS) auf einen ganz konkreten Aspekt. Wie fruchtbar – und keineswegs einseitig – eine solche Konzentration sein kann, zeigte das diesjährige 4. ePS, zu dem am 21. und 22. September ca. 170 Teilnehmende an der Universität Bremen zusammenkamen.

Bild Keynote
Keynote von Dr. Marlit Linder (IPN; Foto: © Univ. Bremen | ZMML)

Mehrere in den Vortrag des ersten Keynote-Speakers, Julius Friedrich (CHE/HFD), eingebundene Online-Umfragen gaben Einblicke in die Arbeitskontexte und Interessen der Teilnehmenden: So hatte mit 41% ein großer Teil der Besucher bereits selber angefangen, E-Prüfungen einzusetzen, weitere 36 % schätzten sich sogar als „sehr erfahren“ ein – aber immerhin nahmen auch 23% Neulinge am ePS teil. Auf die Frage, welche der sieben in einer Studie des HFD als zentral identifizierten digitalen Prüfungsszenarien sie nutzen, lagen bei den Tagungsteilnehmenden Self Assessments (60%) und Low Cost Assessments (etwa der Einsatz von Abstimmungstools, 55%) vorne; adaptive (18%) und gamifizierte (12%) Prüfungsformen kamen erheblich seltener zum Einsatz. Bereits dieser Einstieg zeigte also, dass es bei ePrüfungen keineswegs nur um summative Abschlussprüfungen und E-Klausuren, sondern um sehr unterschiedliche Einsatzformen geht.

„Assessment drives Learning“ – was bedeutet das für die Konzeption von Lehren und Prüfen?

Mit den beiden weiteren Keynotes wurde das ePS seinem Anspruch gerecht, Prüfungspraktiker in den Austausch mit Bildungswissenschaftlern zu bringen: Dr. Marlit Lindner (Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, IPN) fasste zunächst Forschungsergebnisse zur Gestaltung von Multiple-Choice-Aufgaben (MCA) zusammen und ging dabei z. B. darauf ein, dass die Qualität (und nicht die Anzahl) der Aufgaben das Rateverhalten vermindert. Ein Einblick in ihre eigenen Studien bestätigte den Grundsatz des Constructive Alignment, „Assessment drives Learning“: MCA werden nicht nur von Studierenden als leichter eingeschätzt und von schwachen Lernenden präferiert – Lernende, denen MCA angekündigt wurden, bereiteten sich auch kürzer und oberflächlicher auf Prüfungen vor. Als Vorteile von elektronischen MCA nannte sie beispielsweise die Darstellung dynamischer, multimodaler und multimedialer Inhalte und die Möglichkeit mehrstufiger und interaktiver Antwortformate, aber auch neue Prüfungsformate, etwa „Explanation MCA“ unter dem Motto „Answer until Correct“.

Dr. Ulf Kröhne (Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, DIPF) stellte innovative Erhebungs- und Auswertungsmethoden in Large-Scale Assessments (wie etwa der PISA-Studie) vor und illustrierte ausgewählte Potentiale und Forschungsfragen technologiebasierter Assessments anhand von aktuellen empirischen Beispielen.

Skulptur an der Universität Bremen
Skulptur an der Universität Bremen

Themenvielfalt: unterstützende Tools, alternative Prüfungsformen, Serious Games und vieles mehr

In den weiteren Sessions wurden sehr unterschiedliche technische, didaktische und organisatorischen Themen aufgegriffen. Dabei kamen keineswegs nur automatisch auswertbare Aufgabenformen zur Sprache. So wurden in mehreren Beiträgen alternative Prüfungsformate – etwa E-Portfolios – thematisiert und häufig wurde auf das didaktische Konzept des Constructive Alignment Bezug genommen, also auf eine optimale Abstimmung von erwarteten Lernergebnissen, Lehr- und Lernmethoden und die Prüfung(smethoden). Hier einige kurze Einblicke:

  • Am Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik der Universität Leipzig wurden zwei digitale Tools entwickelt, die Lehrende dabei unterstützen, ganz unterschiedliche Prüfungsformen auf Basis des Constructive Alignments umzusetzen bzw. deren Qualität zu sichern. Norbert Pengel (M.Ed.) stellte das „E-Assessment-Literacy-Tool“ (EAs.LiT) vor. Das Web-basierte System unterstützt Lehrende dabei, hochschuldidaktisch fundiert Learning Outcomes zu formulieren und kollaborativ adäquate (Multiple-Choice-) Aufgaben zu erstellen und zu reviewen. Dies erleichtert zugleich die kriterienbasierte, semi-automatische Zusammenstellung gleichwertiger E-Prüfungen. Das von Prof. Dr. Heinz-Werner Wollersheim präsentierte „Peer-Assessment-Tool – PAssT!“ bündelt den erheblichen organisatorischen Aufwand für Peer-Assessments und macht sie so für Lehrende leichter durchführbar. Das Tool kann unabhängig von Learning-Management-Systemen (LMS) eingesetzt werden und ermöglicht die Umsetzung verschiedener Anwendungsszenarien.
  • In einem Pilotprojekt wurde an der „Virtuellen Akademie Nachhaltigkeit“ (Universität Bremen) erprobt, wie alternative Prüfungsformen – etwa Video- und Blogbeiträge – zur Prüfung von Forschendem Lernen eingesetzt werden konnten. Das Video zum Flipped-Conference-Talk von Oliver Ahel und Lisa Schleker steht auf der Tagungsseite zur Verfügung. Ein interessantes Ergebnis der begleitenden Evaluation war, dass die Studierenden die „traditionellen“ videobasierten Lehrformen des Fernstudienangebots für solche Prüfungsformen als nicht mehr angemessen empfanden.
  • Der Workshop zu E-Prüfungen in den Geisteswissenschaften zeigte, dass großes Interesse daran besteht, ob und wie die in diesen Fächern meist offenen und diskursorientierten Aufgabentypen elektronisch abgebildet werden können. Auch wenn nur ein kleinerer Teil der Teilnehmenden damit bereits praktische Erfahrungen hatte, gab es viele interessante Hinweise und Tipps. So werden z. B. an einer Hochschule Schulungen dazu angeboten, „alte“ Freitextaufgaben in neue Aufgabenformate umzuwandeln. Natürlich wurde auch auf die bessere Lesbarkeit von am Computer verfassten Freitext-Klausuren hingewiesen.
  • Vertieftere Auswertungen der Erfahrungen mit (juristischen) Freitextklausuren an der Universität Siegen stellten Andreas Hoffmann und Marc Sauer in ihrem Sessionbeitrag vor. Dabei hatten nicht nur sowohl Studierende als auch Lehrende den Eindruck, dass das Schreiben am Computer dazu führte, dass tatsächlich vorhandenes Wissen präsentiert werden konnte (und nicht das Bemühen um eine lesbare Handschrift im Vordergrund stand). Einen besonderen Vorteil sahen die Lehrenden auch darin, mithilfe der speziellen Korrekturumgebung konkrete Passagen direkt kommentieren zu können. Darüber hinaus hatten sie teilweise sogar den Eindruck, dass mit dem elektronischen Schreiben neue Techniken der Falllösung bzw. eine umfassendere Beschäftigung mit dem Fall und eine Lösung der Probleme auf höheren Kompetenzniveaus verbunden sein könnten.
  • Einen ganz anderen Zugang zu elektronischen Prüfungsformen stellte Wolfgang Barodte (RWTH Aachen) in seinem Beitrag Programmieren lernen mit Serious Games vor. Das dazu an der RWTH entwickelte browserbasierte Programmierspiel wird veranstaltungsbegleitend in verschiedenen Vorlesungen eingesetzt. Dabei zeigte sich unter anderem, dass die Nutzung durch die Studierenden deutlich davon beeinflusst wird, wie stark Lehrende in der Präsenzveranstaltung auf das Spiel Bezug nehmen. Außerdem wurde anschaulich demonstriert, dass die getrackten Spielverläufe als Monitor studentischer Verhaltensweisen dienen können und aufschlussreiche Hinweise auf typische Fehler geben, aber auch zeigen, dass Lernende Aufgaben mit unterschiedlichen Strategien angehen.
  • In einer weiteren Session wurden gebündelt Ergebnisse des Projekts E-Assessment NRW vorgestellt und dabei erste Einblicke in Leitlinien und Handlungsempfehlungen gegeben, die in Kürze veröffentlicht werden sollen, z. B. Handlungsempfehlungen zu rechtlichen Fragen bei E-Assessments, ein Leitfaden zur systematischen semesterübergreifenden Begleitung bei der Implementierung von E-Assessment sowie ein Vorgehensmodell zur Etablierung von E-Prüfungen an Hochschulen.

E-Prüfungen als Treiber der Hochschullehre mit digitalen Medien

Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich das ePS seit 2014 fest in der Community etabliert hat – e-teaching.org ist übrigens schon zum dritten Mal als Veranstaltungspartner dabei. Bereits in dieser kurzen Zeit haben sich die Themen verändert: Während es zunächst meist darum ging, ob und wie ein hohes Prüfungsaufkommen durch elektronische Prüfungen effizienter bewältigt werden kann – und damit verbunden insbesondere um technische und organisatorische Themen –, zeigt sich inzwischen immer deutlicher, wie stark die Auseinandersetzung mit elektronischen Prüfungsformen auch dazu beiträgt, sich mit didaktischen Fragen, Qualitätssicherung und alternativen Prüfungsformaten zu befassen. Insofern verstehen sich E-Prüfungs-Akteure durchaus sowohl in Bezug auf die konkrete Umsetzung als auch bezüglich didaktischer Innovationen auch als wesentliche Treiber des Einsatzes digitaler Medien in der Hochschullehre.

Dr. Jens Bücking verabschiedet die Gäste des ePS 2017
Dr. Jens Bücking verabschiedet die Gäste des ePS 2017

Das ePS trägt in diesem Kontext auch erheblich dazu bei, den Austausch zwischen den E-Prüfungs-Akteuren zu unterstützen. Dieser Anspruch wurde von den die Organisatoren der diesjährigen Veranstaltung – allen voran dem E-Prüfungspionier Dr. Jens Bücking vom ZMML der Universität Bremen – in hohem Maße umgesetzt: So war in allen Vortragssessions ausreichend Zeit für Fragen und Diskussion eingeplant; zwei Beiträge wurden als „Flipped Conference Beiträge“ angeboten, zu denen bereits im Vorfeld Videos zur Vorbereitung zur Verfügung standen. Parallel dazu wurden mit zwei Workshops und zwei Knowledge-Cafés weitere interaktive Konferenzformate angeboten.

Auf der Homepage des ePS stehen bereits jetzt umfangreiche weiterführende Informationen zur Verfügung (die laufend ergänzt werden), etwa der Abstract-Band, die Videobeiträge zu den Flipped-Conference-Talks, die präsentierten Poster, diverse Präsentationen und die auf Etherpads dokumentierten Diskussionen aller Sessions:

http://www.e-pruefungs-symposium.de/

Übrigens: Das nächste ePS wurde bereits angekündigt und wird 2018 wieder an der RWTH Aachen stattfinden.

Letzte Änderung: 19.10.2017