Hybrides Ausstellungsprojekt an der Kunstuniversität Linz

20.01.2023: An der Kunstuniversität Linz wurde im Frühjahr 2021 ein Online-Seminar angeboten, in dem ein hybrides Ausstellungsprojekt zu Künstler/innenmanifesten umgesetzt wurde. Die damalige Co-Seminarleiterin Prof. Dr. Anna Maria Loffredo hat dem e-teaching.org-Team in einem Interview Einblick in die Gestaltung des Lehrprojekts und der hybriden Ausstellung gegeben. Ihre Erfahrungen sind im folgenden Praxisbericht zusammengefasst.

Ausstellungsraum mit mehreren Kunstwerken
Ausstellung „Es wird keine Bilder mehr geben!“ (Copyright: Anna Maria Loffredo)

Im Rahmen eines so genannten „Art-Researcher-in-Residence-Projekts“ wurde an der Kunstuniversität Linz in den Monaten März und April 2021 ein Projektseminar zu Künstler/innenmanifesten durchgeführt. Die jeweils zweimonatigen Aufenthalte von Gastkünstler/innen bzw. Gastwissenschaftler/innen als Art-Researcher-in-Residence werden an der Kunstuniversität Linz seit 2018 in Kooperation mit dem Atelierhaus Salzamt Linz organisiert, um in der Lehre besondere Impulse zu setzen.

In dem Projektseminar, das Residence-Gast PD Dr. Andreas Zeising (Technische Universität Dortmund) gemeinsam mit Anna Maria Loffredo (Kunstuniversität Linz) gestaltete, erarbeiteten Studierende eigene Kunstwerke und konzipierten eine Ausstellung. Dabei wurde die Gestaltung eines physischem Ausstellungsraums mit einem komplementären 360°-Rundgang auf einer Webseite kombiniert. Beteiligt waren zehn Studierende der Studienrichtungen „Lehramt“, „Raum & Designstrategien“ und „Visuelle Kommunikation/Fotografie“. 

Ablauf des Lehrprojekts

Während der Kontaktbeschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie wurde das künstlerische Projekt in vier Arbeitsphasen umgesetzt.

In der ersten Phase ging es um die theoretische Erarbeitung des Seminarthemas und die grundlegende Konzeption der Ausstellung. Ausgewählte Künstler/innenmanifeste der Avantgarde wurden in Hinblick auf den jeweiligen Kontext, die jeweilige Ästhetik und die jeweiligen Argumentationsstrategien einem Close Reading unterzogen. Parallel dazu wurden erste Überlegungen angestellt, wie sich die Studierenden mit eigenen Kunstwerken zu diesen Texten verhalten könnten. Als Ausstellungsformat wurde unter anderem eine reine Online-Präsentation der künstlerischen Arbeiten in Erwägung gezogen. Die Entscheidung für die Gestaltung einer physischen Ausstellung, die komplementär als virtueller 360°-Rundgang auf einer Webseite verfügbar ist, trafen die Studierenden vor allem, weil sie sich von diesem Format ein höheres Maß an Freiheit bzw. Flexibilität für die Erstellung ihrer Kunstwerke versprachen. Ein weiterer Mehrwert dieser Variante wurde in der Authentizität des physischen Ausstellungsraums – auch als Basis für das virtuelle Format – gesehen. Und ein physischer Raum stand durch die Kooperation mit dem Atelierhaus Salzamt ja auch bereits zur Verfügung.

In der zweiten Phase erstellten die Studierenden ihre Kunstwerke. Dafür waren die Ateliers der Kunstuniversität − trotz der zu diesem Zeitpunkt bestehenden pandemiebedingten Einschränkungen − durchgehend geöffnet.

Die konkrete Ausstellungsplanung erfolgte in der dritten Arbeitsphase. Wie die Positionierung der einzelnen Werke im Ausstellungsraum aussehen soll, wurde auf einem Miro-Board geplant. Dabei wurde beispielsweise berücksichtigt, welche Arbeiten flach an der Wand hängen, welche Arbeiten einen größeren Raumanteil beanspruchen und in welchen Fällen einzelne Teile auf dem Weg zu einem Hauptwerk zu platzieren sind. Die Basis für diesen Gestaltungs- und Aushandlungsprozess war ein Grundriss des Atelierhauses Salzamt, auf dem der Aufbau der physischen Ausstellung schließlich fixiert wurde. Für die Ausstellungsankündigung wurde ein Plakat entworfen, das auch für die langfristige digitale Präsentation geeignet sein sollte.

In der vierten Arbeitsphase, wurden sowohl die physische als die komplementäre virtuelle Ausstellung umgesetzt. Aus organisatorischen Gründen im Hinblick auf die Semesterplanung der Studierenden war diese Arbeitsphase dem eigentlichen Projektseminar nachgelagert. Die Aufgabe der Organisation der Infrastruktur für die physische Ausstellung übernahm daher im Wesentlichen die Dozentin in Zusammenarbeit mit der Ausstellungsabteilung der Kunstuniversität. Bei der Umsetzung des virtuellen 360°-Rundgangs arbeitete Anna Maria Loffredo eng mit einer Studienassistenz (studentische Hilfskraft an österr. Hochschulen) zusammen, und zwar einem Studenten, der neben einem künstlerischen Fach auch das Fach Informatik studiert.

Der virtuelle Rundgang durch die Ausstellung sollte über eine Webseite möglich sein, die zunächst grundlegend gestaltet wurde. Hierfür wurden Ausstellungsaufnahmen mittels einer 3-D-Kamera erstellt, wobei insbesondere entschieden werden musste, zu welchen Elementen einzelner Kunstwerke Detailaufnahmen einen Zoom ermöglichen sollen. Für das Blättern durch ein Booklet mit Bildern wurde eine zusätzliche App in den virtuellen Rundgang integriert.

Das Ergebnis des Projektseminars war die Ausstellung mit dem Titel „Es wird keine Bilder mehr geben!“ und dem Untertitel „Künstler:innenmanifeste. Antworten auf die Avantgarde“. In Präsenz konnte diese Ausstellung vom 28. April bis 12. Mai 2021 im Atelierhaus Salzamt in Linz besucht werden und langfristig ist sie als virtuelle Tour verfügbar.

Ausstellungsraum mit mehreren Kunstwerken
Ausstellung „Es wird keine Bilder mehr geben!“ (Copyright: Anna Maria Loffredo)

Erkenntnisse aus dem Lehrprojekt

Da dieses Projekt die erste virtuelle Ausstellungspräsentation an der Kunstuniversität Linz war, erforderte die konkrete Umsetzung ein hohes Maß an Selbstorganisation und Kreativität. Co-Seminarleiterin Anna Maria Loffredo machte zudem die Erfahrung, dass es in der Arbeit mit den Studierenden, die erstmals mit dieser Art der Ausstellungsgestaltung konfrontiert waren, durchaus eine Herausforderung darstellte, das künstlerische Potential des hybriden Formats zu vermitteln: 

„Was zum Beispiel bei dem Projekt auffällig war, war das die Kunststudierenden eigentlich klassisch in ihrem Vorstellungsvermögen geblieben sind, was digital, virtuell möglich ist. Oft ist es doch noch so, dass in diesem kleinen, engen Rahmen – wirklich wortwörtlich – eines Bilderrahmens gedacht wird, dass dann darin irgendwie das eigene Werk auftaucht. Und ich habe dann gesagt: Na ja, man kann ja ein Kunstwerk auch so gestalten, dass man über den eigentlichen Kunstwerkrahmen hinaus, die Wand des Ausstellungsraumes weiter bespielt. Also wirklich: Grenzen öffnen, in alternativen Möglichkeiten, Szenarien denken und sich dann begründet für eine bestimmte Variante entscheiden – das ist mir eigentlich wichtig in so einem Prozess.“

Um diesbezüglich die Kreativität anzuregen, schlug Anna Maria Loffredo den Studierenden weiterführende Verknüpfungen zwischen physischem und virtuellem Ausstellungsraum vor – etwa, indem die Kunstwerke mit QR-Codes versehen werden, über die z.B. Animationen oder Filme zugänglich gemacht werden. Diese Darstellungsformen wurden im Rahmen des Ausstellungsprojekts nicht umgesetzt. Doch trotz einer grundlegenden anfänglichen Skepsis gegenüber dem virtuellen Ausstellungsraum sei das Feedback der Studierenden letztendlich sehr positiv ausgefallen. 

Eine große Chance sah Anna Maria Loffredo auch darin, mit dem in diesem Projektseminar realisierten virtuellen Format − „in einer grundsätzlichen Betrachtung von bisheriger kuratorischer Praxis an der Kunstuniversität“ − den Aspekt der Nachhaltigkeit stärker zu berücksichtigen. Schließlich würden für physische Ausstellungen, die nur wenige Tagen oder Wochen besucht werden können, viele, zum Teil auch umweltschädliche, Materialien verbraucht.

Grundlegend formulierte die Projektleiterin die Erkenntnis, dass es kein Zurück zu der Lehre vor der Corona-Pandemie geben und die Verbindung von physischem und digitalem Raumerleben in Lehrveranstaltungen an der Kunstuniversität zukünftig eine zentrale Rolle spielen sollte. Denkbar wäre etwa auch die Gestaltung von studentischen Ausstellungen unter Einbezug von KI-Anwendungen. In diesem Zusammenhang ließen sich auch neue Formen der interdisziplinären Zusammenarbeit erproben – etwa zwischen Kunst und Mathematik oder Kunst und Physik. Im Hinblick auf die Ausbildung für das Lehramt sollte zudem reflektiert werden, wie sich diese Arbeitsformen auch auf den Bereich Schule übertragen lassen. Dabei könnten die Aufmerksamkeit für die physische Umwelt und die Möglichkeiten virtueller Räume auf vielfältige Wiese miteinander verbunden werden. Entscheidend sei die Frage, so Loffredo: „Wie kann man zum höchsten Grad komplexer Erkenntnisse gelangen?“

Zur Interviewpartnerin

Dr. Anna Maria Loffredo war bis 2021 Professorin und Leiterin der Abteilung Fachdidaktik an der Kunstuniversität Linz (Kontakt via: http://blog.kunstdidaktik.com).

Entwurfsmuster zu diesem Praxisbeispiel

Zur Gestaltung Hybrider Ausstellungsrundgänge im Rahmen von Lehrveranstaltungen finden Sie auf e-teaching.org auch ein Entwurfsmuster im Repositorium Hybride Lernräume. In dieser Sammlung stellen wir Ihnen kleine, aber auch umfassendere Lösungen für die Gestaltung hybrider Lernräume in der Hochschullehre vor. Gestaltungselemente werden dabei jeweils detailliert erläutert und anhand von Beispielen veranschaulicht.

Weitere Informationen

Dieser Erfahrungsbericht ist Teil des Themenspecials Hybride Lernräume.