Mit Lernlaboren Lehrkonzepte erproben, evaluieren und weiterentwickeln

01.05.2019: Bis die Idee eines digitalen Lehrkonzepts zu einer etablierten Digitalisierungspraktik der Hochschulbildung wird, ist es oft ein weiter und teilweise schwieriger Weg. Das Zentrum für multimediales Lehren und Lernen (@LLZ) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg will diesen Weg erleichtern, indem es durch sogenannte Lernlabore den Lehrenden die Möglichkeit zur Erprobung und umfassenden Evaluierung von digitalen Lehrkonzepten gibt.

Hauptbild des Beitrags

Benjamin Abicht und Elisa Thieme

Die verantwortlichen Mitarbeitenden des @LLZ, Elisa Thieme und Benjamin Abicht, stellen den Ansatz der Lernlabore in einem Interview vor und schildern am Beispiel eines Projekts zur Wissensvermittlung via Twitter die Umsetzung und Begleitung in der Praxis.

Ein Lernlabor - was ist das eigentlich?

Das Zentrum für multimediales Lehren und Lernen (@LLZ) in Halle unterstützt die Lehrenden der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg bei der Anreicherung der Lehre mit multimedialen Elementen. Im Rahmen dieser Arbeit werden seit dem Wintersemester 2018/19 Lernlabore durchgeführt. Dabei handelt es sich um Lehrveranstaltungen mit besonders innovativem Charakter, welche neben der Unterstützung durch die Mitarbeitenden des @LLZs mit einer Hilfskraft und umfangreichen Evaluationen begleitet werden. Die Evaluationen umfassen kurze Befragungen der Studierenden und Dozierenden vor, während und nach dem Semester sowie ein abschließendes Interview mit der oder dem Lehrenden. Somit besteht schon während der Durchführung eine Reflexionsphase auf Seiten der Lehrenden und der Studierenden. Zusätzlich werden so ein Austausch bzw. eine direkte Mitbestimmung der Veranstaltung ermöglicht. Eines dieser Lernlabore war das Seminar „Die Revolution twittern” von Prof. Dr. Patrick Wagner.

Lernlabor: „Die Revolution twittern"

Die dargestellte Veranstaltung war im Fachbereich Geschichte angesiedelt und hat sich mit der Revolution 1918/19 und deren speziellen Auswirkungen im lokalen Raum Halle beschäftigt. Zentraler Lehrinhalt für die Studierenden war neben den historischen Hintergründen vor allem die Darstellung von geschichtlichen Informationen für Außenstehende. Prof. Dr. Patrick Wagner hatte sich zum Ziel gesetzt, die erarbeiteten Inhalte über den Rahmen des Seminars hinaus und somit einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Die geschichtlichen Aspekte sollten so aufbereitet werden, dass sie in einem aktuellen, modernen Rahmen vorgestellt werden konnten.

Dazu hat er sich für ein Medium entschieden, welches zentraler Bestandteil des Lebens junger Menschen ist: Twitter. Die Revolution, die im Wintersemester 2018/2019 genau 100 Jahre zurücklag, sollte im sozialen Netzwerk reproduziert werden:

„Die Idee war dann, mit dem Seminar durch die Studierenden die Geschehnisse von vor 100 Jahren so in einem Twitterkanal zu melden, als seien das sozusagen aktuelle Meldungen von heute. Und diese sollten auf den Tag genau, teilweise auf die Stunde genau, in die Twitterwelt versenden, was exakt so vor 100 Jahren in Halle passiert ist.” (Prof. Dr. Patrick Wagner)

Bildbeschreibung (1 - 3 Wörter)
Screenshot des Twitterkanals


Neben den gängigen Methoden von Recherche und Aufbereitung kam hierbei auch die Notwendigkeit der durch das Medium vorgegebenen Reduzierung auf 280 Zeichen hinzu. Die Studierenden hatten durch das Stadtarchiv Halle Zugang zu den Originalquellen bekommen und sollten daraufhin in Gruppen, jeweils für einen bestimmten Zeitabschnitt, Twittermeldungen formulieren. Diese wurden dann im Rahmen von Präsenzveranstaltungen in einer größeren Runde diskutiert und abschließend zeitlich passend getwittert.

Erfahrungen von Prof. Dr. Wagner und Studierenden

Aus den Evaluationen der Studierenden ging eine große Begeisterung für die Veranstaltung hervor. So beschreiben Studierende als besonders positiv, das „andere Format, um Geschichte und zurückliegende Gegebenheiten an Menschen weiterzutragen, außerhalb der Wissenschaft und außerhalb von Textgattungen” oder auch „das Stöbern in den alten Zeitungen auf der Suche nach dem besten Tweet”. Insgesamt bewerteten 83,3% der Teilnehmenden die Form des Seminars als motivationsfördernd und 71,4% sahen sich dabei in ihrem Lernprozess gefördert. Insgesamt bewerteten 92,9% der Studierenden das Seminar als gelungene Abwechslung zum “normalen” Lehralltag.

Diagramme zum Einsatz von Twitter
Diagramme zum Einsatz von Twitter im Rahmen des Projekts „Die Revolution twittern"


Durch die Mehrfachbefragung konnte die Veranstaltung im Laufe des Semesters auf die Wünsche der Studierenden angepasst werden, sodass eine direkte Mitgestaltung der Lehre möglich war. So wurde der Twitterkanal um einen Blog mit allgemeinen Informationen und einen Podcast ergänzt. Interessant ist hier der Mehraufwand, der sowohl durch Studierende als auch den Dozenten in Kauf genommen wurde, um das Projekt weiter voran zu bringen.

Abgesehen vom innovativen Konzept der Lehrveranstaltung ist vor allem die Resonanz auch außerhalb des Hochschulkontextes bemerkenswert. Insgesamt konnte der Twitterkanal mit 890 Kurzmitteilungen über den gesamten Projektverlauf mehr als 800 Follower ansammeln und war in mehreren überregionalen Medien (vgl.: sueddeutsche.de, mdr.de) vertreten. Herr Prof. Dr. Wagner fasst abschließend positiv zusammen:

„Wir haben die multimedialen Elemente ja weniger im Binnenverhältnis des Seminars genutzt, sondern zur Vermittlung der Arbeitsergebnisse in eine breitere Öffentlichkeit. Das ist für die Studierenden eine völlig neue, motivierende und befriedigende Erfahrung: Was ich leiste, wird (anders als bei einer Hausarbeit) nicht nur von einer Handvoll von Menschen zur Kenntnis genommen, sondern ich erreiche Tausende.” (Prof. Dr. Patrick Wagner)

Generell wird die Öffentlichkeitswirkung des Seminars auch durch die Studierenden mehrfach positiv benannt, da Ihre Arbeit einem breiteren Publikum zugänglich wird. So schreibt jemand aus der Studierenengruppe: „Ich fand es gut, dass die Inhalte des Seminars nicht nur dem Seminar gehörten, sondern mittels Twitter in die Öffentlichkeit getragen wurden”.

Insgesamt ist abschließend noch einmal die Steigerung der Motivation und Integration der Studierenden als ein überraschender und positiver Aspekt zu nennen, der die potentiellen Vorteile von multimedialer Lehre in den Vordergrund stellt:

„Es hat dann doch meine Erwartungen übertroffen, wie sehr das eine Motivation ausgelöst hat - diese Art, das so zu erarbeiten. Das war überdurchschnittlich.” (Prof. Dr. Patrick Wagner)

Beitragende

Benjamin Abicht studierte Medien-, Kommunikations- und interkulturelle Sprachwissenschaften sowie MultiMedia & Autorschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Halleschen Europäischen Journalistenschule für multimediale Autorschaft
Alfred Neven DuMont. Er ist seit September 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für multimediales Lehren und Lernen (@LLZ) im Fachbereich Geistes- und Sozialwissenschaften. Thematisch liegt sein Arbeitsfokus auf mobilen Lehr-Lernkonzepten, Blogs als Lehrmittel sowie offenen Bildungsressourcen.
Elisa Thieme studierte Soziologie an der Universität Leipzig mit dem Schwerpunkt der empirischen Sozialforschung und ist seit April 2016 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für multimediales Lehren und Lernen (@LLZ) der Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg (MLU) im Bereich Qualitätssicherung und Evaluation tätig. Ihre Arbeitsbereiche liegen in der Forschung sowie universitätsweiten Umfragen und Evaluationen zum Themenbereich multimedialer Lehre. Zudem ist sie verantwortlich für den @ward - Lehrpreis für multimediales Lehren und Lernen, der jährlich an an der MLU verliehen wird.

Weitere Informationen

Dieser Erfahrungsbericht ist Teil des Themenspecials Digitalisierungspraktiken und Hochschulbildung – sind wir auf dem richtigen Weg?.