ResearchGATE

23.11.2009: ResearchGATE ist eine der erfolgreichsten Social Networking Plattformen im Wissenschaftsbereich. Im Interview berichtet Dr. Ijad Madisch, Mitgründer und Geschäftsführer von ResearchGATE, wie die Idee zum Projekt entstand und wie sich die Community weiterentwickelt hat.

Mit mehr als 180.000 Mitgliedern ist ResearchGATE eine der erfolgreichsten Social Networking Plattformen im Wissenschaftsbereich. Dr. Ijad Madisch ist Mitgründer und Geschäftsführer von ResearchGATE. Den größten Teil seiner Zeit verbringt er in Boston, wo der Nachwuchswissenschaftler neben seiner Arbeit an der Plattform in der radiologischen Forschung am Massachusetts General Hospital der Harvard Medical School aktiv ist. Ijad Madisch studierte Medizin und Informatik an der Universität Hannover und der Harvard University in Boston. Er schloss seine Dissertationsarbeit in der Virologie zum Thema Evolution, Gentherapie und molekulare Typisierung von Adenovieren mit summa cum laude ab und wurde 2008 mit dem Doktorandenpreis der Medizinischen Hochschule Hannover geehrt. „Meine Hauptaufgabe liegt natürlich darin, ResearchGATE in der Forschungswelt zu etablieren, dabei ist der enge Kontakt zur Community klare Grundvoraussetzung“, so Dr. Madisch. In seiner eigenen Scientific Community ist er nach wie vor sehr aktiv. Als Autor und Mitautor von 16 Artikeln in Fachzeitschriften und über 30 Konferenzbeiträgen weiß Ijad Madisch, welche Probleme und Bedürfnisse Forscher/innen bei der wissenschaftlichen Zusammenarbeit umtreiben. Im Interview gibt er einen Blick hinter die Kulissen der Social Networking Plattform.

Wie sehen die organisatorischen Rahmenbedingungen für die Arbeit an der Plattform ResearchGATE aus?

Unser Team ist über die ganze Welt verteilt, die Schlüsselpersonen sitzen aber der Ostküste der USA und in Deutschland. Es ist natürlich eine Herausforderung, das alles über den Atlantik hinweg zu managen; aber wer, wenn nicht eine Internetfirma solle dazu in der Lage sein?! Wir nutzen alle vorstellbaren Kommunikationsmöglichkeiten und stehen täglich in engem Kontakt. Die unterschiedlichen geographischen und kulturellen Einflüsse kreieren eine enorme kreative Vielfalt, besonders vor dem Hintergrund des internationalen Anspruchs an unsere Plattform ist das sehr hilfreich.

Wie ist die Idee zum Projekt ResearchGATE entstanden und wie hat sich die Community im Laufe des letzten Jahres weiterentwickelt?

Die Idee kam tatsächlich aus der Praxis. Wir waren selber über den Globus verteilt in der Forschung tätig und als die neuen sogenannten Web 2.0 Funktionalitäten aufkamen fanden wir das wie geschaffen für eine virtuelle Umgebung, in der sich Forscher mit ihren Kollegen vernetzen können, aber auch weltweit ganz neue Kontakte knüpfen und Diskussionen in Gang bringen können. Nach einer geschlossenen Betaphase Anfang 2008 in der einige hundert Forscher weltweit die ersten Funktionalitäten unserer Plattform getestet haben, sind wir dann am 23. Mai 2008 online gegangen. Wir wollten die Applikationen auf ResearchGATE gemeinsam mit den Forschern auf der Plattform ausbauen, denn die aktiven Nutzer wissen natürlich am allerbesten, was ihnen hilft und was nicht. So ist es dann auch gekommen, parallel mit dem Wachstum der Anwender haben wir kontinuierlich neue Funktionen online gebracht. Sei es die Literaturdatenbank mit verschiedenen Suchmaschinen, File-Sharing Möglichkeiten, das Open Access Repository oder das Job Board. Und dieser Prozess hält weiter an, wir wachsen so stark wie noch nie und haben gerade letzte Woche ein Blog-Tool online gebracht – jeder User hat seinen eigenen Blog, die besten Beiträge werden im so genannten ResearchBLOG gefeatured und so einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Beschreiben Sie ein typisches Nutzungsszenario! Warum sollten Wissenschaftler/innen einen Account bei ResearchGATE anlegen?

Da unsere Anwendung so vielfältig ist, gibt es nicht den einen Workflow, sondern eine Menge verschiedener Nutzungsszenarien, von denen ich hier nur beispielhaft einige nennen kann. Im Zentrum steht das persönliche Profil, in dem jeder Forscher Angaben zu seiner Arbeit machen und eine Publikationsliste anlegen kann. Über die Profile können sich die Forscher dann vernetzen und Nachrichten austauschen, sich Publikationen empfehlen oder andere Informationen teilen. Viele Forschungsgruppen und Projekte nutzen geschlossene Gruppen um sich zu organisieren und auszutauschen, über das File-Sharing Tool können sie gemeinsam an Dokumenten arbeiten, hierbei wird jede Version mit Änderungsdatum abgespeichert. Ein Diskussionsboard, ein Kalender und ein Umfragetool sind weitere Anwendungen innerhalb einer solchen Gruppe. Aber auch öffentlich werden Gruppen genutzt um sich über die verschiedensten Thematiken auszutauschen. Darunter findet sich mittlerweile alles von Labormethoden bis zu tiefgehenden philosophischen Diskussionen. Für bereits existierende Netzwerke wie z.B. wissenschaftliche Gesellschaften bieten wir sog. Sub Communities an. Diese stellen einen geschlossenen Bereich innerhalb der Plattform dar, zu dem nur die Mitglieder der jeweiligen Gesellschaft Zugang haben.

Welche Vorteile haben Studierende?

Als Student oder junger Forscher kann man sich innerhalb von ResearchGATE früh sein eigenes Netzwerk aufbauen, an Diskussionen teilnehmen, nach Literatur oder anderen Ressourcen recherchieren. Natürlich kann der Student auch gezielt nach Mentoren Ausschau halten und einen umfassenden Eindruck von der Forschungslandschaft gewinnen. Außerdem bietet unser Job Board auch eine Menge an Stellenausschreibungen für PhD Positionen, rund um die Welt.

Auf welche Weise unterstützt das Portal die Open Access Bewegung?

Da haben wir viele Gedanken und viel Mühe reingesteckt. Herausgekommen ist folgende, bisher einmalige Anwendung. In unserem Publikationsindex sind über 35 Mio. Publikationsmetadaten hinterlegt und damit suchbar. Findet ein Forscher seine Arbeit in dem Index, kann er sich als Autor damit verlinken, für jede Publikation in der Datenbank überprüfen wir die sog. Self-Archiving Bestimmungen des Verlegers. Ist es dem Autor gestattet eine Volltextversion seiner Arbeit auf seiner persönlichen ResearchGATE Homepage (also seinem Profil) zu veröffentlichen, weisen wir automatisch darauf hin und geben ihm die Möglichkeit diesen Text dort der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der wirklich überwiegende Teil der Verlage räumt den Autoren diese Rechte mittlerweile ein, nur war es verständlicherweise für den Autor bisher schwer dieses zu überprüfen. An dieser Stelle bieten wir eine komfortable Lösung, die auch sehr gut angenommen wird! Mehr Informationen zu diesem Thema bietet unsere Informationsseite http://www.self-archiving.me.

Wird das Angebot von ResearchGATE evaluiert? Sind Studien für die Zukunft geplant?
 
Ja, da arbeiten wir mit einem Professor der JFK School zusammen. Untersucht werden soll der Einfluss einer solchen Plattform auf die Produktivität der Forschung.

Was sind Ihre "lessons learned" aus der Arbeit an einem Social Networking Portal?

Vor allem anderen haben wir gelernt, dass die User der Plattform am allerbesten wissen, welche Funktion ihnen nutzt und welche nicht. Es gibt nichts Wertvolleres als das Feedback der Forscher auf unserer Plattform!

Nutzen Sie selbst auch andere Social Networking Angebote, z.B. Facebook?

Ja, Facebook nutze ich selber sehr intensiv.

Was ist bei ResearchGATE für die Zukunft geplant?

Das letzte große Update waren die Userblogs und das aggregierte ResearchBLOG. Beides Anwendungen, die den Austausch und das Verbreiten von Forschungsergebnissen erleichtern sollen. In diese Richtung wollen wir noch mehr optimieren. Aber auch online Kollaboration ist ein wichtiges Thema. Wir arbeiten gerade an einem Virtual-Conferencing-Tool, das in die ResearchGATE Plattform integriert werden soll.

Weitere Informationen zum Netzwerken im Internet bietet die Vertiefung Social Networking in der Rubrik Didaktisches Design.

Weitere Informationen

Dieser Erfahrungsbericht ist Teil des Themenspecials E-Learning - die Sicht der Studierenden.