Eye-Tracking

Beim Eye-Tracking geht es darum, mithilfe entsprechender technischer Hilfsmittel die Augen- bzw. die Blickbewegungen einer Testperson aufzuzeichnen und hinsichtlich verschiedener Fragestellungen auszuwerten. Eye-Tracking kommt daher oftmals bei Marktforschungsanalysen zur Wirksamkeit von Werbekampagnen oder auch Untersuchungen zur Benutzerfreundlichkeit z.B. von Internetseiten als wichtige Technik und Methode der Evaluation zum Einsatz.

Einsatzmöglichkeiten

Um die Nutzung von Lernumgebungen durch Studierende zu untersuchen, stellt Eye-Tracking eine recht aufwändige Methode dar.  Wenn auch die Technik immer einfacher und günstiger wird, so stellt doch die Auswertung der Daten Forscher vor gewisse Herausforderungen. Sofern Ihre Hochschule über ein Eye-Tracking-System verfügt, bietet die Analyse der Blickbewegungen durchaus interessante Perspektiven.

Wird Eye-Tracking beispielsweise zur Analyse des Benutzerverhaltens auf Internetseiten oder in digitalen Lernumgebungen eingesetzt, lassen sich mit dieser Methode typischerweise folgende Aspekte und Fragen näher beleuchten:

  • Was wird auf einer Bildschirmseite wahrgenommen?
  • Welche Betrachtungsdauer haben einzelne Seiten und einzelne Bereiche (z.B. Menüs, Headlines, Werbebanner, grafische Elemente) innerhalb einer Seite?
  • Wie oft und wie lange werden bestimmte Inhaltsbereiche vom Blick erfasst?
  • Welche Bereiche werden intensiv gelesen oder betrachtet, welche werden nur überflogen?
  • Lesen die User nur Überschriften bzw. Teaser oder auch ganze Artikel?
  • Wie ist das Aufmerksamkeitsverhältnis zwischen Grafik- und Textelementen?

Hintergrund

Eine entscheidende Rolle spielt beim Eye Tracking neben der eingesetzten Technologie die Blickbewegungsforschung. Sie versucht, die Zusammenhänge zwischen Augenbewegungen und neurologischen Verarbeitungsprozessen im Gehirn aus kognitionspsychologischer Perspektive nachzuvollziehen. Im Sinne der Wahrnehmungspsychologie wird also versucht, durch geeignete Analyse- und Interpretationsschemata den von außen beobachtbaren Blickbewegungen entsprechende interne, subjektive Vorgänge und Ergebnisse zuzuordnen.

Blickbewegungsforschung

Um die Aufgabe und Intention des Eye-Tracking-Verfahrens besser zu verstehen, lohnt sich ein näherer Blick auf die Funktion des menschlichen Auges bzw. seiner Bewegungen. Hierzu lassen sich verschiedene Arten der Augenbewegung klassifizieren:

  • Von einer Fixation spricht man, wenn ein bestimmter Punkt im Raum – der so genannte Fixationspunkt - fokussiert, also mit dem Blick erfasst wird, um diese Stelle visuell zu fixieren. Es ist allerdings nicht möglich, die Augen dabei in eine absolute Ruheposition zu zwingen. Selbst bei einer Fixation treten unablässig leichte Zitterbewegungen des Augapfels auf, die zu kleinen Veränderungen in der Positionierung des Auges führen. Das eintreffende Bild fällt also nicht ständig auf dieselben visuellen Rezeptoren auf der Netzhaut, die dadurch entlastet werden.
  • Der Sprung von einer Fixation zur nächsten, also beispielsweise beim Wechsel vom Blick auf die Tastatur zum Blick auf den Monitor, wird als Saccade bezeichnet. Dabei handelt es sich um ruckartige und sehr schnelle Augenbewegungen, während derer man keinerlei optische Informationen wahrnimmt und somit tatsächlich blind ist.
  • Der Großteil der bewussten Augenbewegungen besteht aus Fixationen und Saccaden, eine abwechselnde Reihe davon machen eine Verfolgungsbewegung aus, mit der sich bewegende Objekte fixiert werden, wobei während der Fixationsphasen neurologisch verwertbare Informationen an das Gehirn geleitet werden, die auch während der Saccadenphase weiter ausgewertet werden können.

Generell werden die Form und Ausprägung von Augenbewegungen, z.B. die Dauer von Fixationen oder die Länge von Saccaden in hohem Maße von biologischen Faktoren wie Müdigkeit, Drogenkonsum, Koffeinpegel, Geschlecht und Alter u.ä. oder individuellen Faktoren wie Gewohnheiten, Fähigkeiten, Intention der Beobachtung und Interesse am beobachteten Gegenstand beeinflusst. Aber auch die Qualität des visuellen Gegenstandes selbst kann nennenswerte Auswirkungen auf die Augenbewegungen nehmen, zum Beispiel die Komplexität einer grafischen Darstellung oder der Schwierigkeitsgrad eines Textes. Gerade diese Wechselwirkungen zwischen Objekt und Betrachter, bei der sich das Gesehene und dessen kognitive Verarbeitung gegenseitig beeinflussen, machen die Blickbewegungsforschung und damit die Methode des Eye Tracking aus wissenschaftlicher und ökonomischer Perspektive interessant.

Technik

In der Anfangszeit der Eye-Tracking-Forschung dienten noch unhandliche und eher bedrohlich wirkende Apparaturen zur Aufzeichnung der Blickbewegungen, die den Versuchspersonen auf den Kopf oder vor das Gesicht geschnallt wurden. Dank der technischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte gibt es heute Eye-Tracking-Hardware, die direkt am Beobachtungsmonitor installiert wird und dank Infrarot-Technik gänzlich berührungslos funktioniert. Die Probanden werden somit nicht in ihren natürlichen Bewegungsabläufen beeinträchtigt und die Versuchsreihen nicht durch eine allzu künstliche Versuchsumgebung in ihren Ergebnissen verfälscht.

Bei der Infrarot-Technik befindet sich das Eye-Tracking-Gerät in bis zu einem Meter Abstand zur Versuchsperson, während ein schwacher Infrarot-Lichtstrahl auf die Augen gerichtet wird. Nach einer anfänglichen Kalibrierung wird von einer Videokamera ein Bild der Augen aufgezeichnet, welches sowohl die Pupillen, als auch einen Reflexpunkt des infraroten Lichts auf der Hornhaut – den so genannten Cornealen Reflex – aufzeichnet.

Eine zum Eye-Tracking-System gehörende Software errechnet anschließend die Augenbewegung aus dem relativen Abstand von Pupillen und Hornhautreflex. Aus diesen Daten lassen sich dann exakte Fixationsfolgen, Saccadenbewegungen oder auch Betrachtungszeiträume rekonstruieren und analysieren.

Beispiele

Verschiedene Firmen bieten Eye-Tracking-Analysen als Dienstleistung an, insbesondere als empirische Basis für Untersuchungen zur Wirksamkeit von Werbekampagnen oder zur Benutzerfreundlichkeit von Internetseiten, Katalogen, Zeitschriften und Feldversuchen vor Ort (Einkaufszentren, Messen u.ä.). Aber auch aus wissenschaftlichem Antrieb werden Eye-Tracking-Studien unternommen, um mehr über das Verhalten von Nutzern in digitalen Informations- oder Lernumgebungen zu erfahren. Beispiele dafür sind die Poynter-Studie oder die MERIAN-Studie der Universität Göttingen

Produkte

Ein System zur Erfassung von Blickbewegungsdaten besteht in der Regel aus einem Aufzeichnungsgerät und einer dazu gehörenden Computersoftware, welche die eingehenden Daten analysiert und bewertet.  Während die Eye-Tracking-Systeme lange Zeit sehr teuer waren, gibt es heute bereits Open Source Systeme zum Download und es ist absehbar, dass sich in näherer Zukunft Eytracking mit der eigenen Webcam am eigenen Computer durchführen lässt . Bei der Auswahl eines Systems sollte insbesondere darauf geachtet werden, in welchem Bereich das System hauptsächlich zum Einsatz kommt. So kommt es im Bereich Forschung hauptsächlich auf die Verwertbarkeit der Datensätze an und weniger auf die Produktion von schönen Grafiken (Holmqvist, 2011).

Einige Beispiele für Eye-Tracking-Produkte werden nachfolgend kurz vorgestellt.

Externe Systeme

  • Eyegaze-System Eye Follower: Bei diesem Eye-Tracking-System werden die Augenbewegungen mit einer speziellen Videokamera verfolgt, wobei alle 8,3 ms eine Abtastung erfolgt (entspricht einer Samplingrate von 120 Hz). Die Kameras werden direkt am Computermonitor befestigt, so dass die Versuchsperson nicht mit weiteren Geräten (Brillen, Helme o.ä.) verbunden werden muss und eine berührungslose Datenerhebung möglich ist. Ein Nachteil des Geräts ist, dass Pop-Up Fenster nicht ausgewertet werden können. Weitere Informationen zu Preisen und Funktionen finden Sie auf den Internetseiten des Herstellers. Beim Eye-Tracking Anbieter Tobii ist die Aufzeichnungsfunktion direkt in den Bildschirm integriert.
  • ITU Gaze Tracker: Der ITU Gaze Tracker ist ein Open Source Produkt, das von der Gaze Group, einer dänischen Forschergruppe im April 2009 veröffentlicht wurde. Damit soll eine kostengünstige Alternative zu kommerziellen Systemen geboten werden. Durchgeführt wird das Eytracking hier am eigenen Computer mit einer Webcam (die allerdings gewisse Voraussetzungen erfüllen muss).

Mobile Systeme

  • Chronos 3D Binocular Eye-Tracker: Das Modell der Firma Chronos besteht aus einem leichten Gestell, das auf dem Kopf getragen wird und an dem zwei Kameras befestigt sind, welche die Augenbewegungen aufzeichnen. Die Abtastrate beträgt hier bis zu 400 Hz. Weitere Informationen zu Preisen und Funktionen finden Sie auf den Internetseiten des Herstellers.

Auswertungsmöglichkeiten

Auch wenn die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Blickbewegungsforschung mittlerweile sehr umfangreich sind und die Eye-Tracking-Methode eine längere Tradition besitzt, muss man sich natürlich fragen, in welcher Weise die dadurch zu Tage geförderten Ergebnisse zu bewerten sind. Auch wenn – oder gerade weil? – die technischen Möglichkeiten der Blickverfolgung durchaus eine gewisse Faszination besitzen, sollte die Aussagekraft dieser Methode der Datenerhebung und –auswertung kritisch hinterfragt werden.Was also kann das Eye-Tracking leisten – und was kann es nicht leisten?

Vorteile

  • Eye-Tracking kann nachweisen, dass der Bildschirm betrachtet wird. Ohne Eye-Tracking-Systeme ist vielfach unklar, ob Nutzer überhaupt auf den Bildschirm schauen, z.B. während der Ladezeit von Webseiten oder Programmen.
  • Eine Analyse der Dauer und Anzahl von Fixationen und Saccaden kann klären, ob Nutzer sich auf den Inhalt konzentrieren, z.B. einen Text aufmerksam lesen oder eine Bildschirmseite nur überfliegen. 
  • Mittels Eye-Tracking läßt sich ermitteln, welche Bereiche einer Bildschirmseite besondere Aufmerksamkeit erhalten. Teilt man den Bildschirminhalt in verschiedene Beobachtungsbereiche, z.B. Kopfzeile bzw. „Oben”, Menü bzw. „Links”, Content bzw. „Mitte”, „Rechts”, so kann man anhand der aufgezeichneten Augenbewegungen nachvollziehen, welche Bereiche wie lange fixiert werden.
  • Insbesondere bei Webseiten, die für den Nutzer neu sind, lässt sich anhand von Veränderungen des Pupillendurchmessers ermitteln, ob unbekannte bzw. irrelevante oder erwartete Begriffe und Bereiche erfasst werden, nach denen der Nutzer Ausschau gehalten hat.
  • An Hand der gewonnenen Daten lassen sich die Strategien verschiedener Nutzer und die Art und Weise der Anwendung miteinander vergleichen. Beispielsweise kann man ein und dieselbe Internetseite – z.B. einen Sportinformationsdienst – einmal am Thema interessierten Versuchspersonen zeigen und einmal eher uninteressierten, um anschließend nach Unterschieden in der visuellen Wahrnehmung und Verarbeitung zu suchen.

Nachteile

  • Es ist durchaus möglich, Dinge mit dem Blick zu fixieren, ohne dass sie tatsächlich von der Wahrnehmung erfasst werden. Ob dies der Fall ist, lässt sich mit Eye-Tracking-Systemen nicht belegen.
  • Auch durch die Peripherie des Sehfeldes gelangen Informationen in das kognitive System und werden verarbeitet (z.B. die Scrollbalken einer Webseite). Diesbezüglich kann Eye-Tracking keine Daten oder Analyseergebnisse liefern.
  • Die Methode des Eye-Tracking ist auf eine quantitative Funktion beschränkt. Allein die Feststellung der Tatsache, dass jemand auf einer Bildschirmseite zuerst die Kopfzeile anschaut, lässt noch keine qualitativen Rückschlüsse zu, warum dies der Fall ist.
  • Darüber hinaus kann Eye-Tracking nicht bei allen Menschen mit derselben Erfolgsaussicht eingesetzt werden. Brillen oder Kontaktlinsen beispielsweise können die Erfassung von Daten verfälschen oder unmöglich machen.

Weitere Informationen

Wenn Sie eine digitale Lernumgebung mittels Eye-Tracking analysieren wollen, bietet es sich in der Regel an, die Methode mit anderen Usability Tests zu kombinieren. Insbesondere die Methode Lautes Denken kann eine Eye-Tracking-Analyse sinnvoll ergänzen. Weitere Informationen zu Lautem Denken finden Sie im Langtext von Uwe Frommann.

  • Umfangreiche Informationen zu Untersuchungen per Eye-Tracking finden sich auf der Seite Elearning- Psychologie.de.
  • Eine Untersuchung des Learning Management Systems Moodle mittels Eye-Tracking beschreibt die Publikation "Cast your Eyes on Moodle: An Eye-Tracking Study investigating learning with Moodle" von Gergely Rakoczi (2010).
  • Auch Judy Van Biljon und  Marco Pretorius  haben Eye-Tracking im Rahmen einer Usability Studie eines Learning Management Systems eingesetzt. Die Ergebnisse sind dokumentiert im Artikel "Usability of learning management systems: Do information and communication technology skills widen the gap?" (2009).
  • Am Zentrum für empirische und experimentelle BWL der DHBW wurde ein Vorlesungsraum mit Eye-Tracking Technolgie ausgestattet. Insgesamt 20 Geräte und deren Analysesoftware ermöglichen es dem ZEEB nun, bis zu 20 Studenten gleichzeitig auszubilden und die Eyetracking Technologie als Forschungsinstrument fest in den Lehrplan zu integrieren.
  • ETIZ ist eine Interessens-Gruppe welche sich 2013 in Zürich formierte. Sie besteht vor allem, aber nicht nur, aus Eye-Tracking interessierten Studenten und Akademikern der ETH und Uni Zürich (UZH). Man erreicht sie über die Facebook-Gruppe.
Letzte Änderung: 27.07.2015