Digitale Bibliotheksdienste

Die digitale Transformation hat die Rolle von Bibliotheken in der Hochschullandschaft grundlegend verändert. Bibliotheken sind nicht mehr nur reine Anbieter von Informationen, sondern entwickeln sich zu aktiven Partnern in Studium, Lehre und Forschung.

Studierende mit Laptop in der Bibliothek
Bild: Antoni Shkraba / pexels

Die Informationsversorgung wird zunehmend digital: Wissenschaftliche Bibliotheken bieten neben ihrem Präsenzbestand einen 24/7-Zugang zu digitalen Ressourcen, wie wissenschaftliche Fachdatenbanken, elektronische Zeitschriften, E-Books und Open-Access-Publikationen. Ergänzend dazu stellen Fachinformationsdienste (FID) eine wichtige Ressource dar, die disziplinspezifische Informationsbedarfe abdecken und die lokalen Angebote von Hochschulen und Forschungseinrichtungen erweitern. Bibliothekarische Meta-Suchmaschinen wie der Karlsruher Virtuelle Katalog (KVK), die Bielefeld Academic Search Engine (BASE) und die bibliographische Datenbank openAlex ermöglichen über die lokalen Bibliothekskataloge hinaus eine weltweite institutionsübergreifende Recherche nach wissenschaftlichen Publikationen und Informationen. Beim Erwerb neuer Informationsressourcen gewinnen kollaborative Ansätze an Bedeutung, bei denen Nutzende aktiv in die Auswahl der Medien einbezogen werden. Diese nutzerzentrierte Herangehensweise fördert die bedarfsgerechte Bereitstellung wissenschaftlicher Inhalte.

Bibliotheken als Orte des Lernens und Forschens

Hochschulbibliotheken übernehmen als Teaching Libraries eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz. Das Konzept der Teaching Library betont die aktive Integration bibliothekarischer Angebote in die Lehr- und Lernprozesse an Hochschulen. Durch innovative Ansätze, wie die enge Zusammenarbeit mit Lehrenden bei der Entwicklung didaktischer Materialien oder die gezielte Einbindung Studierender in Schulungsprojekte, erweitern Bibliotheken ihre klassische Rolle und werden zu zentralen Bildungspartnern. Eine Einführung in das Konzept der Teaching Library bietet u.a. das Kompetenznetzwerk für Bibliotheken in seinem Bibliotheksportal.

Wissenschaftliche Bibliotheken bieten eine Vielzahl an Schulungen, Informations- und Beratungsangebote für Studierende, Lehrende und Forschende an: von der effektiven Nutzung fachspezifischer Datenbanken, über zielgerichtete Recherchestrategien und -instrumente bis hin zur Verwendung von Literaturverwaltungsprogrammen und Beratung zum wissenschaftlichen Schreiben. Abhängig von den jeweiligen Angeboten und Schwerpunkten der Hochschulen werden spezifische Software und Tools geschult, z.B. im Bereich der Digital Humanities. Darüber hinaus schulen Bibliotheken auch zu aktuellen technologischen Entwicklungen, etwa zu rechtlichen Grundlagen und Anwendungsszenarien von Künstlicher Intelligenz.

Neben Präsenzschulungen setzen Bibliotheken zunehmend auf hybride und Online-Formate sowie umfassende digitale Selbstlernangebote. Unter anderem werden digitale Lern- und Lehrmaterialen und Video-Tutorials erstellt und auf lokalen Lernmanagementsystemen (LMS) hochschulweit zur Verfügung gestellt, zunehmend aber auch über Soziale Medien geteilt und auch auf Plattformen für Open Educational Resources (OER), wie dem EU open Research Repository (Zenodo), unter Creative-Commons-Lizenzen hochschulübergreifend zur Verfügung gestellt.

Darüber hinaus schulen und beraten Hochschulbibliotheken zu guter wissenschaftlicher Praxis sowie zu Karriereplanung und Publikationsprozessen. Als aktive Förderer von Open Science bieten sie insbesondere Schulungen, (freie) Lehrmaterialien sowie Beratung zum Open-Access-Publizieren und zum Forschungsdatenmanagement an. Auch betreiben sie eigene Plattformen (Repositorien) zur kostenfreien Veröffentlichung von Publikationen sowie Publikationsfonds zur Förderung von Open-Access-Publikationen bei kommerziellen Verlagen. Dabei arbeiten die Bibliotheken eng mit Fachbereichen und Forschungseinrichtungen zusammen, um ihr Angebot optimal auf die Bedarfe und Wünsche der Hochschulangehörigen anzupassen. Das von mehreren Partnerbibliotheken und Forschungseinrichtungen getragene open-access.network stellt Informationen, digitale Lern- und Lehrmaterialen sowie Tutorials zu allen Aspekten des Themas Open Science bereit. Daneben treiben Bibliotheken auch Themen wie Nachhaltigkeit, barrierefreie Gestaltung digitaler Angebote und digitale Langzeitarchivierung voran.

Neben digitalen Angeboten bleiben Bibliotheken auch physische Lernorte und werden hierfür bspw. als Lernlandschaft gestaltet. Solche Lernumgebungen integrieren technologische und didaktische Elemente, um kollaboratives Arbeiten, individuelles Lernen und den kreativen Austausch zu fördern: von Einzelarbeitsplätzen und online buchbaren Einzelarbeitskabinen, bis hin zu Räumlichkeiten für Gruppenarbeit oder akademische Veranstaltungen. Lernräume sind zunehmend hybrid, mit physischen und digitalen Elementen ausgestattet. Darüber hinaus bieten spezielle Makerspaces, darunter 3D-Druck-Labore, Audio- und Videoproduktionsräume oder Gaming-Bereiche Raum für kreative Projekte und die Erprobung neuer Technologien. So schaffen Bibliotheken vielseitige Räume, die individuelle Lernbedürfnisse ebenso erfüllen wie kreative Zusammenarbeit und technologiebasiertes Arbeiten fördern.

Digitalisierung historischer Bestände und Vermittlung des kulturellen Erbes

Ein zentrales Element der digitalen Transformation von Bibliotheken ist die Digitalisierung historischer Bestände (Retrodigitalisierung). Bibliotheken treiben Projekte zur Digitalisierung voran, um wertvolle Kulturgüter zu erhalten. Ein langfristiges Kooperationsprojekt ist die Sammlung Deutscher Drucke, deren Ziel es ist, eine umfassende Sammlung von Werken aus dem deutschen Sprach- und Kulturraum vom Beginn des Buchdrucks bis in die Gegenwart zu erstellen, zugänglich zu machen und dauerhaft zu bewahren. Seit 2007 besteht am Münchener DigitalisierungsZentrum der Bayerischen Staatsbibliothek ein Massendigitalisierungsprojekt: in Kooperation mit Google wird sukzessive der gesamte historische Bestand der Bibliothek retrodigitalisiert.

Durch Technologien wie Optical Character Recognition (OCR) werden die Texte maschinenlesbar gemacht. Dies ermöglicht nicht nur den Zugang für Lehrende, Forschende und eine breite Öffentlichkeit, sondern dient auch als Grundlage für computergestützte Analysen, die neue wissenschaftliche Erkenntnisse liefern können. Hochauflösende Scans, Metadaten und innovative Darstellungsformen ermöglichen ein interaktives Erleben der Bestände. Neben den lokalen Plattformen der einzelnen Bibliotheken, bieten nationale und internationale Plattformen wie die Deutsche Digitale Bibliothek und Europeana zentrale Zugänge zu den digitalisierten Kulturgütern von zahllosen Kultureinrichtungen in Deutschland und Europa.

Zusätzlich setzen Bibliotheken auf digitale Ausstellungen, um ihr kulturelles Erbe erlebbar zu machen. Solche Ausstellungen kombinieren digitalisierte Dokumente, audiovisuelle Inhalte und interaktive Elemente, um historische Kontexte anschaulich zu vermitteln. Beispielsweise können virtuelle Rundgänge durch Bibliotheken oder digitale Reproduktionen historischer Sammlungen den Nutzenden ein immersives Erlebnis bieten. Die Deutsche Nationalbibliothek bietet beispielsweise einige virtuelle Ausstellungen unter anderem zum literarischen Erbe; die Deutsche Digitale Bibliothek bietet virtuelle Ausstellungen von diversen Kulturinstitutionen zu verschiedensten Themen und Beständen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Digitalisierung ist die aktive Einbindung der Öffentlichkeit. Citizen-Science- und Crowdsourcing-Projekte bieten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, aktiv an der Erschließung von Beständen mitzuwirken. Beispielsweise durch das Ergänzen fehlender Informationen in regionalen Bildsammlungen oder durch das Überführen von Inhalten historischer Handschriften in heutige Schriftformen. Kulturgüter können so in einen breiteren Kontext eingebunden und einem breiten Nutzendenkreis zugänglich gemacht werden. Die Zentral- und Landesbibliothek Berlin bietet beispielsweise mit den Berliner Großstadtgeschichten eine Plattform, auf der auch Bürgerinnen und Bürger ihre persönlichen Erzählungen und historischen Zeugnisse zur Geschichte Berlins einbringen können.

Innovative Formate wie Kultur-Hackathons erweitern die Möglichkeiten der Nutzung digitaler Objekte. Diese bringen Entwicklerinnen und Entwickler, Kreative und Bibliotheksfachleute zusammen, um aus offenen Kulturdaten Anwendungen, Visualisierungen und Vermittlungsformate zu entwickeln. Unter anderem bietet das StabiLab der Staatsbibliothek zu Berlin Citizen Science-Workshops, Transkribathons und Kultur-Hackathons an. Solche Veranstaltungen fördern nicht nur den kreativen Umgang mit Kulturgütern, sondern steigern auch die öffentliche Wahrnehmung und Relevanz digitaler Bibliotheksbestände.

Durch die Kombination aus Digitalisierung, innovativer Vermittlung, digitalen Ausstellungen und aktiver Partizipation stärken Bibliotheken ihre Rolle als Bewahrerin und Vermittlerin des kulturellen Erbes und eröffnen neue Perspektiven für Lehre, Forschung und gesellschaftliche Teilhabe.

Weiterführende Literatur und Informationsangebote

  • Der 2024 als Open-Access-Publikation erschienene Sammelband „Handbuch Bibliothekspädagogik” bietet einen umfassenden Überblick und breiten Einstieg zum Thema Bildung in Bibliotheken: von theoretischen Grundlagen über Diskurse bis hin zur praktischen Umsetzung. Unter anderem werden Konzepte wie die Teaching Library, Vermittlung von Medien-, Daten- und Informationskompetenz, Schulung im Bereich der Wissenschaftskommunikation, aber auch Raumkonzepte, Makerspaces und Gaming behandelt.
  • Im Fokus des 2021 veröffentlichten Sammelbandes „Bibliotheken als Orte kuratorischer Praxis” steht das Sammeln, Erschließen und Präsentieren von Bibliotheksbeständen. Insbesondere werden verschiedene Aspekte der Kultur- und Kulturgutvermittlung sowie partizipative Ansätze wie Citizen Science behandelt. Die Themen werden mithilfe von Fallstudien veranschaulicht.
  • Einen tieferen Einstieg ins Konzept der Teaching Library und seiner Umsetzung im internationalen Hochschulkontext bietet das Buch „Teaching Library: Förderung von Informationskompetenz durch Hochschulbibliotheken” von Sühl-Stromenger (2012). Der selbe Autor veröffentlichte 2016 zudem das „Handbuch Informationskompetenz”, welches einen breiten Überblick zu Konzepten und praktischer Förderung von Informationskompetenz in Schulen und Hochschulen erlaubt. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Rolle von Informationskompetenz in der Wissenschaft und ihre Förderung durch Bibliotheken. Überblicke über Entwicklungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie Großbritannien runden die Darstellung ab.
  • Das open-access.network bietet auf seinem Webportal umfassende und praxisbezogene Informationen rund um das Thema Open Access und informiert über eine Vielzahl an Fortbildungs- und Vernetzungsangeboten. Es richtet sich insbesondere an in der Wissenschaft tätige Personen sowie weitere Akteure im Wissenschaftsbereich.
  • Die Deutsche Digitale Bibliothek und die europäische Plattform Europeana bieten freien Zugang zu den digitalisierten Kulturgütern von zahllosen Kultureinrichtungen in Deutschland und Europa.
Letzte Änderung: 08.09.2025