Rezension Neumann 2009

J. Neumann (2009): Organisationsmodelle im E-Learning - Unterstützungsstrukturen für E-Learning an Hochschulen des Freistaates Sachsen. Dresden: TUDpress Verlag der Wissenschaften Dresden, 2009 (= Dissertation, Technische Universität Dresden, 2009). 224 Seiten. ISBN 978-3-941298-06-4. 34,80 Euro

Rezension von Klaus Wannemacher (HIS GmbH)

Das Thema Organisationsmodelle und -konzepte für E-Learning stellt noch immer einen wenig beachteten Teilbereich der E-Learning-Entwicklung an den Hochschulen dar. Auf dieses Defizit reagiert die Untersuchung „Organisationsmodelle im E-Learning. Unterstützungsstrukturen für E-Learning an Hochschulen des Freistaates Sachsen“, die der Dresdner E-Learning-Experte Jörg Neumann vorgelegt hat. Neumanns Untersuchung (zugleich Diss. Technische Universität Dresden 2009) reflektiert die langjährige Vernetzungspolitik und die Ansätze zur Verankerung regionaler und lokaler E-Learning-Supportstrukturen an den sächsischen Hochschulen. Auf Grundlage einer landesweiten Bestandsaufnahme untersucht der Verfasser die Erwartungen von Lehrenden an Beratungs-, Weiterbildungs- und Supportangebote für E-Learning. Dabei greift er auf Befragungen regionaler und hochschulischer Dienstleister sowie auf eine Online-Erhebung unter Lehrenden zurück und stellt differenzierte Gestaltungsempfehlungen für Organisationsmodelle im E-Learning vor.
Die praxisorientierte Untersuchung, die auf einem Methodenmix aus qualitativen und quantitativen Untersuchungsverfahren beruht, geht den Fragen der internationalen E-Readi¬ness, der Leistungsfähigkeit hochschulübergreifender Betreuungsangebote, unterschiedlich ausgeprägten Angebotsstrukturen an einzelnen Hochschulen, zentralen und dezentralen Organisationsformen, Nachfrage und Zuschnitt von Unterstützungsangeboten, geeigneten Anreizsystemen und Gratifikationsformen, aber auch der Integration von E-Learning-Infrastrukturen, allgemeiner IT-Architektur und Campus-Management-Systemen nach.
Die Studie wartet mit einer Vielzahl interessanter Teilresultate auf. Mit Bezug auf Everett Rogers’ Diffusionstheorie konstatiert der Autor, „dass sich E-Learning an Hochschulen in Sachsen noch immer in der Phase der frühen Majorität befindet“ (S. 161) und dass die Nutzerzahlen und die Nachfrage nach Unterstützungsleistungen weiter ansteigen werden. Im Hinblick auf die Dienstleister werden Schwierigkeiten herausgearbeitet, die sich bei der Einrichtung und Akzeptanzbildung landesweiter Supporteinrichtungen stellen. Nachvollziehbar wird unter anderem die außerordentliche Herausforderung, die die Etablierung eines Lehr- und Lernsystems als zentrales Serviceangebot in einem Bundesland bedeuten kann.
Obwohl Lehrende in einer Teilerhebung grundsätzlich Interesse an Unterstützungs- und Schulungsangeboten in den unterschiedlichen Bereichen Organisation der Lehre, Didaktik, Medienrecht, Lernplattform und grafische Gestaltung bekundeten, zeigte sich, dass diese Angebote häufig nicht hinreichend bekannt waren. Auf Grundlage der Erhebung gelangt der Verfasser zu dem Ergebnis, dass die aktuell an den sächsischen Hochschulen verfügbaren Unterstützungsdienste die Bedürfnisse der Zielgruppe nicht ausreichend bedienen und das gegenwärtig bereitgestellte Schulungsangebot gerade einmal die „Minimalstufe des tatsächlich benötigten Angebotes“ (S. 192) darstelle.
Anhand der Befragung von Lehrenden prognostiziert der Verfasser, dass Unterstützungsleistungen künftig verstärkt zum „Einsatz von Lernanwendungen“, beim „Aufbau von Infrastrukturen und Systemkonzepten“, bei der „Koordination aller Aktivitäten“ sowie bei der „Evaluation von Lernanwendungen“ nachgefragt werden dürften. Bei Schulungsangeboten sei mit einer wachsenden Nachfrage in den Bereichen Organisation der Lehre, Didaktik und Lernplattform zu rechnen. Als erfolgsentscheidend wird die fachliche Nähe von E-Learning-Beratungsangeboten zu den Lehrenden eingeschätzt. Dies lässt aus Sicht des Verfassers die multidisziplinäre Besetzung von Supportteams ebenso wie dezentrale Ansprechpartner an den Fakultäten sinnvoll erscheinen.
Als zentrale Maßnahme der E-Learning-Implementierung schätzt der Verfasser Anreizsysteme ein. Besondere Bedeutung wird in diesem Zusammenhang der Bereitstellung zentraler Mittel zu Steuerungszwecken (z.B. durch den Multimediafonds der Technischen Universität Dresden) beigemessen. Auch Anreize wie die Koppelung von Forschungsfreisemestern an die Entwicklung von E-Learning-Anwendungen werden vorgestellt. Neben finanziellen Faktoren bilden einer Expertenbefragung an der TU Dresden zufolge „mehr Spaß am Lernen“ und ein größerer „Erfolg in der Lehre“ (S. 101) wesentliche Anreize für den E-Learning-Einsatz.
Fazit: Von der exemplarischen Analyse der Situation in einem Bundesland ausgehend bietet der Verfasser den Hochschulen Anregungen für eine nachfrageorientierte Ausgestaltung und (Weiter-)Entwicklung von Unterstützungsinfrastrukturen und -angeboten von hoher strategischer und praktischer Relevanz. Systematische und empirisch verankerte Handlungsempfehlungen vermitteln wertvolle Impulse, wie ein komplexes Netzwerk von Service-Infrastrukturen so strukturiert und ausdifferenziert werden kann, dass Lehrende an Hochschulen unterschiedlicher Größe und Struktur bedarfsgerecht bei der Nutzung von E-Learning im Hochschulalltag unterstützt werden können.


Letzte Änderung: 08.04.2015