Stratmann & Kerres 2008

Stratmann, J.; Kerres, M. (Hrsg.) (2008): E-Strategy. Strategisches Informationsmanagement für Forschung und Lehre (Medien in der Wissenschaft, Bd. 46). Münster: Waxmann

Mit diesem Band machen die Herausgeber eine neue Phase der Implementierung von E-Learning und digitalen Medien an Hochschulen explizit. Sie skizzieren treffend eine Entwicklung in mehreren Schritten: Während zu Beginn multimediale Materialien und danach geeignete Lernszenarien im Fokus des Interesses standen, geht es nun darum, Konzepte zur Nutzung digitaler Medien für eine gesamte Hochschule zu entwickeln und nicht nur E-Learning, sondern auch Verwaltungs- und Forschungsprozesse zu integrieren. Damit stellt sich die Aufgabe, die Bottom-up-Aktivitäten engagierter Pioniere durch strategische Entscheidungen top-down im Rahmen der „E-Strategy“ einer Hochschule miteinander zu vernetzen und darüber hinaus als integrativen Teil in die Gesamtstrategie einer Hochschule einzubinden.

Der Band wird eingeleitet durch eine ambitionierte theoretische Fundierung des strategischen Managements an Hochschulen von Dieter Euler. Alle weiteren Beiträge stellen jeweils die „E-Strategy“ einer Universität (bzw. eines Universitätsverbundes) dar; insgesamt sind acht deutsche, zwei Schweizer und zwei österreichischen Universitäten sowie die Fernuniversitäten der Niederlande und Englands vertreten. Sie alle verbindet, dass der Einsatz digitaler Medien eine zentrale Rolle in den Kernprozessen der jeweiligen Hochschule einnimmt, und dafür in der Regel – wenn auch häufig erst seit kurzem – Strategiepapiere vorliegen. Mehrfach wird der Bologna-Prozess als ein wesentlicher Auslöser für diese neuen Konzeptionen genannt. Alle Beiträge zeigen, dass für die erfolgreiche Umsetzung der Konzepte innerhalb der komplexen universitären Strukturen die Akzeptanz und Unterstützung aller an einer Hochschule vertretenen Nutzer(gruppen) von zentraler Bedeutung ist. Um deren jeweilige Interessen – und Widerstände – zu berücksichtigen und sie in die Gestaltung des Veränderungsprozesses einzubeziehen, ist es erforderlich, die Abstimmungs- und Feedbackprozesse bewusst zu gestalten und ihnen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Ressourcen zukommen zu lassen.

Abgesehen von diesen Gemeinsamkeiten sind die vorgestellten Konzepte und Umsetzungen sehr heterogen. Dies betrifft sowohl die Ziele des Medieneinsatzes – von der Verbesserung der Lehre über das Informationsmanagement bis zur Unterstützung von Geschäftsprozessen – als auch technische Lösung und Infrastrukturen. Ebenso unterschiedlich sind die strukturelle Einbindung in die Universitäten – ob an medien(didaktischen) Zentren, Rechenzentren, oder zentralen, dem Rektorat zugeordneten Stellen – und die Organisation der Verantwortlichkeiten, z.B. durch den Einsatz eines CIO (Chief Information Officer) oder unterschiedliche Entscheidungsgremien. Weiter werden sehr unterschiedliche Maßnahmen eingesetzt, um (z.B. durch E-Learning-Label) die Qualität der Angebote zu sichern, (z.B. durch bestimmte Service-Angebote) Transparenz herzustellen oder (z.B. durch Wettbewerbe) Anreize zu schaffen.

Diese Unterschiedlichkeit scheint nicht nur symptomatisch für die (deutschsprachige) Hochschullandschaft, die durch die Förderalismusreform und die Hochschulautonomie in Deutschland noch gefördert wird; selbst innerhalb der Hochschulen agieren die einzelnen Fakultäten und sogar Lehrstühle sehr autonom. Darin kommt auch zum Ausdruck, dass digitale Medien natürlich in verschiedenen Hochschulformen, Studiengängen oder Fachbereichen unterschiedliche Rollen spielen können, etwa in Fernstudienszenarien im Gegensatz zu Präsenzuniversitäten. Jedoch sind diese Rollen nicht zwingend vorgegeben: Der Band zeigt, dass Universitäten sich auch positionieren, wenn sie den Wandel bewusst gestalten, der mit der Nutzung digitaler Medien in Lehre, Forschung und Hochschulorganisation einhergeht – denn er betrifft nicht nur äußere Strukturen und effektive Prozessgestaltung, sondern führt langfristig zu einer fundamentalen Veränderung der Lern- und Hochschulkulturen.

Mit seinem Fokus, der auf der Bedeutung des strategischen Managements bei der Einführung von E-Learning und digitalen Medien an Hochschulen liegt, ist der Band von hohem Interesse für alle, die sich praktisch oder theoretisch mit diesem zentralen Aufgabenbereich beschäftigen. Ihnen bleibt allerdings die Aufgabe, die Fülle der Praxisbeispiele mit ihren unterschiedlichen Anregungen zu systematisieren, um sie auch für den eigenen Kontext, z.B. für kleinere Hochschulen sowie weitere (nicht nur) akademische Ausbildungskontexte nutzbar zu machen.

Letzte Änderung: 08.04.2015