GMW 2006

Vom 19. bis 22. September fand die diesjährige GMW Tagung statt innerhalb der - wie schon die letzten Jahre - der MEDIDA-PRIX verliehen wurde.


Zu aller erst standen die Posterrepräsentanten auf einer der Konferenz vorgelagerten Ausstellung ziemlich alleine dar. Bereits Anwesende weilten entweder in den Pre-Conference Workshops oder in einem Café am Züricher See - wer kann’s ihnen verübeln. Der Versuch einer Gruppe von Schweizer Philosophen die Ausstellung mit Papierfliegern zu beleben, führte neben dem Mehraufwand für das Reinigungspersonal lediglich zur Verärgerung der Standnachbarn.

Zu Beginn diskutierte der aus den USA angereiste David Jonassen den Begriff des e-Problem Based Learning. Lehre solle nicht nur hierarchisch strukturiertes Wissen vermitteln, sondern vielmehr zur Erschließung von Problemen qualifizieren. Dabei sollen Entscheidungsprobleme im Mittelpunkt stehen, deren Lösung nicht allein durch die Anwendung vorgegebener Modelle funktionieren kann, sondern auf dem Weg der Sinnkonstruktion. Wem der Ansatz von Jonassen gefällt, dem sei sein Buch „Learning to Solve Problems: An Instructional Design Guide“ empfohlen.
Bereits im Vortrag von Jonassen wurde deutlich, dass bei der Diskussion um E-Learning das „E“ immer mehr in den Hintergrund rückt und vielmehr die Frage neuer Lernkonzepte ins Zentrum.

Im Rahmen der Tagung ging es in fast einem Drittel der Vorträge um die Frage, wie Dozierende bei der Umsetzung von E-Learning an der Hochschule unterstützt werden können. Das NET, das E-Learning Kompetenzzentrum der ETH Zürich hat dafür die Roadmap to E-Learning@ ETH Zürich vorgelegt. Ein Handbuch (print), das Lehrenden helfen soll, den Einstieg ins E-Teaching zu finden. Auch auf e-teaching.org Inhalte wird oft verwiesen. Als problematisch kann sich aber herausstellen, dass in Printmedien Links immer noch von Hand abgeschrieben werden müssen, eine Arbeit, die man sich gerne erspart. Und unabhängig von den durchaus wertvollen Tipps, stellt sich die Frage, wie viel Zeit Dozierende in die über 40 Seiten lange Broschüre stecken werden.

Die HU Berlin setzt mit ihrem Hochschulentwicklungskonzept direkt in den Fachbereichen an. Der Ansatz der dezentralen Kompetenzentwicklung wird inzwischen von einigen Hochschulen (z.B. auch im Projekt KoOP der Uni Hamburg) verfolgt und scheint einiges Potenzial zu bieten. Man setzt sowohl auf die Berücksichtigung der Fachdidaktiken und -kulturen wie auch auf den persönlichen Kontakt. In Hamburg wird die Kommunikation durch (in Zukunft virtuelle) Stammtische unterstützt und ein Newsletter bietet Lehrenden die Möglichkeit über ihre E-Learning Projekte zu berichten.

Ein anderes Handbuch aus der ETH verspricht ebenfalls interessant zu werden: Das Online Handbuch zur Evaluation von Projekten von Verena Friedrich. Darin wird die Projektevaluation mit der Programmevaluation verknüpft. Wir warten gespannt auf die Veröffentlichung - am liebsten online!

Multimedial präsentierte sich das prominent besetzte Podium am Donnerstag Mittag. Zu Gast waren Rolf Schulmeister (Uni Hamburg), Peter Baumgartner (Donau-Universität Krems), Thomas Sporer (Gründer der studentischen Initiative knowledgebay), Arndt Bode (TU München) und Martina Roth (Intel GmbH). Unterbrochen von einleitenden Videosequenzen wurde über den Charakter von E-Learning an der Hochschule diskutiert: Es wurde sowohl der Vergleich mit der USA gesucht sowie die Auswirkungen von Bologna besprochen. Wiederum stellte sich die Frage ob E-Learning als Innovator der Hochschullehre (learning ohne „e“) dienen kann. In der Diskussion über Top Down oder Bottom Up Ansätze bei der Umsetzung von E-Learning plädierte Sporer dafür, die Studierenden mehr in die Entwicklung von E-Learning einzubinden, was auch von den Lehrenden fast durchweg als guter Ansatz gesehen wurde. Allerdings wurde sowohl von studentischer wie auch dozierenden Seite in Frage gestellt, inwiefern sich im Zuge der Restrukturierung durch den Bologna Prozess noch partizipative und innovative Projekte mit Studierenden realisieren lassen.

Einen interessanten Abschluss des zweiten Konferenztages bot der Vortrag von Gabi Reinmann zur Frage, wo sich die E-Learning Forschung zu verorten hat. Dem Titel der Tagung folgend fragte Reinmann, in wie weit Bildungsforschung einen Innovationsbeitrag leistet, bzw. worin die Innovationshindernisse oder Innovationsbremsen bestehen. Dabei wurde das Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Praxis deutlich aufgezeigt, dem sich der Wissenschaftler stellen muss. Interessant ist ihre Feststellung, dass Bildungsinnovationen Merkmale einer Sozial-, Prozess-, Struktur- und Produktinnovation vereinen. Es bleibt die Frage nach den richtigen Forschungskonzepten, - strategien, - methoden und - werkzeugen. Kritisch betrachtet wird die Tendenz zu quantitativen Methoden. Vielmehr handle es sich bei der Bildungsforschung um eine „Hard-to-do-Science“ (David Berliner, 2002), die es im Gegensatz zur „Easy-to-do-Science“ mit einem weit komplexeren Forschungsfeld zu tun habe, das auch einen anderen Methodenkatalog entwickeln muss. Letztendlich plädiert Reinmann dafür, die Vernachlässigung der Entwicklungsforschung aufzugeben und sich - was die Überführung von Ergebnissen in die Praxis betrifft - bei den Ingenieurswissenschaften ein Beispiel zu nehmen. Dabei sollte sich der Forschende auch die Frage nach der Verantwortung gegenüber der (Bildungs-)Praxis stellen. Der gesamte Text des Vortrags steht im Netz zum Download zur Verfügung: http://medienpaedagogik.phil.uni-augsburg.de/downloads/arbeitsberichte/Arbeitsbericht14.pdf.

Christa Dürscheid wagte in der letzten Keynote einen „Blick in die Zukunft“: Ausgehend von einer Beschreibung verschiedener Kommunikationsformen ging sie auf die durch neue Technologien veränderten Kommunikationsbedingungen ein. Sie stellte in Bezug auf das Schreiben (z.B. von E-Mails, aber auch von Seminararbeiten) insgesamt eine Tendenz zu einem informellen Stil hin fest. Anschließend entwarf sie Lehr-/Lernszenarien für das Jahr 2020, in denen Lernen anhand von Solartasche und in die Jacke eingebauter Kommunikationstechnologie jederzeit und an jedem Ort möglich sein wird. Die daraus abgeleitete Bewegung vom „Lernen on demand“ hin zum „Lernen en passant“ wird sich in den Augen von Christa Dürscheid weniger auf die Inhaltsrezeption als vielmehr auf die Kommunikationsbedingungen nachhaltig auswirken. Diesen neuen Anforderungen gilt es sich durch die Vermittlung neuer Kompetenzen (etwa „abzuschalten“ in einer Welt der ständigen, da solargestützten Erreichbarkeit) zu stellen. Auf die Sonne konnte man sich in Zürich auf jeden Fall verlassen!

Folien unter: http://www.ds.unizh.ch/lehrstuhlduerscheid/docs/GMW_duerscheid.pdf

Die Videoaufzeichnungen der Vorträge sowie Fotos finden Sie unter: http://www.gmw06.ch/live/

"Glanz und Elend von E-Learning an Hochschulen" hieß das gut besetzte Diskussionsforum auf der diesjährigen GMW-Tagung. Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist nun als Video online. Knowledgebay hat die Aufzeichnungen nachbearbeitet, so dass man sekundengenau zu einzelnen Passagen springen kann. Zudem lässt sich jedes Statement kommentieren.