Betreuung wissenschaftlicher Arbeiten

Die Begleitung wissenschaftlicher Arbeiten von Studierenden erfordert eine bewusste Planung und eine sorgfältige Auswahl der eingesetzten Methoden und Werkzeuge. Digitale Tools können dabei hilfreiche Ergänzungen darstellen, jedoch nur im Zusammenspiel mit persönlichem Kontakt. Lehrende sollten stets die individuellen Lernziele und -bedürfnisse im Blick behalten, um eine nachhaltige Weiterentwicklung der Kompetenzen der Studierenden zu gewährleisten.

Zwei Frauen sitzen am Tisch in einer Bibliothek, die Jüngere tippt etwas in ihren Laptop, der vor ihr steht. Die ältere Frau neben ihr schaut ihr zugewandt ebenfalls auf den Laptop-Bildschirm.
Bild: Monkey Business Images/Canva.com

Die Begleitung wissenschaftlicher Arbeiten von Studierenden stellt Lehrende vor besondere Herausforderungen. Die Heterogenität der Studierenden in Bezug auf Kompetenzen und Vorkenntnisse verlangt nach einem sensiblen Balanceakt: Einerseits müssen Lehrende den unterschiedlich individuellen Bedürfnissen gerecht werden, andererseits gilt es, Fairness gegenüber leistungsstärkeren Studierenden zu gewährleisten. 

Im digitalen Lernsetting treten zusätzliche Anforderungen auf, wie die Bereitstellung flexibler, räumlich und zeitlich unabhängiger Begleitungsangebote. Diese Angebote sollten wohl durchdacht sein, um den Lernzielen der Studierenden zu entsprechen, ohne die Lehrenden übermäßig zu belasten.

Von der Betreuung zur Begleitung: Ein Paradigmenwechsel

Nimmt man den Begriff Betreuung genau, bedeutet es, dass die Lehrenden vollständige Verantwortung für den Prozess und das Ergebnis einer studentischen wissenschaftlichen Arbeit übernehmen. Mittlerweile hat sich das Verständnis hin zu einer Begleitung gewandelt: Die Verantwortung liegt bei den Studierenden, während die Lehrenden im Rahmen einer systematischen längerfristigen Unterstützung eine ergänzende und bekräftigende Rolle einnehmen. Diese Herangehensweise stärkt die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Studierenden. Gleichzeitig hilft sie, wissenschaftliche Kompetenzen gezielt und individuell angepasst weiterzuentwickeln (Buff Keller & Jörissen, 2015; Ulmi et al., 2014).

Auftrag und Aufgaben der Begleitung

Die Begleitung Studierender beim Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit lässt sich in eine Anfangs-, eine Ausführungs- und eine Abschlussphase einteilen.

Hauptelement der Anfangsphase ist das Erstgespräch mit den Studierenden, indem der Rahmen für die Begleitung gesteckt wird. Dieses Erstgespräch findet in der Regel in der (Online)-Sprechstunde der Lehrenden statt. In der Ausführungsphase gestaltet sich die Begleitung in vereinzelten (Online-)Sprechstunden bei Abstimmungsbedarf oder gelegentlichen E-Mail-/Telefonkonversationen. Die Abschlussphase beendet die Begleitung im Abschlussgespräch ebenfalls in der Regel in einer (Online-)Sprechstunde des Lehrenden.

Nach Ulmi et al. (2014) verfolgt eine wirksame Begleitung innerhalb bzw. während dieser Phasen mehrere Aufträge:

  • Stärkung der Selbstverantwortung der Studierenden durch Hilfe zur Selbsthilfe
  • Aktivierung der unbewusst vorhandenen Ressourcen der Studierenden zur Bewältigung des Schreibprozesses
  • Förderung ihrer Problemlösungskompetenz
  • Individuelle Unterstützung, indem die Lehrenden gezielte Fragen stellen ohne Lösungen vorzugeben
  • Flexibilität und Orientierung an den individuellen Bedürfnisse der Studierenden

Buff Keller und Jörissen (2015) schlussfolgern aus diesen Aufträgen unterschiedliche Aufgaben: 

  • Fortschrittsüberprüfung
  • Klarheit und Verständnis (für Inhalt und Formalia) schaffen
  • Entwicklung von nötigen Kompetenzen (z. B. Methodenkompetenz, überfachliche Kompetenz, etc.) der Studierenden vorantreiben
  • Motivieren sowie Unterstützen
  • Anpassen des Begleitungsansatzes hinsichtlich der individuellen Bedürfnisse der Studierenden

Die folgende Tabelle bietet eine Orientierung, welche Aufgaben die begleitende Lehrperson in den drei Phasen des Begleitungsprozesses wahrnimmt:

Phasen der Begleitung Phasen des Schreibprozesses Inhalt der Begleitung

Aufgaben der begleitenden Lehrperson
Anfangsphase
  • Themenfindung
  • Themenpräzisierung
  • Abstimmen der Fragestellung
  • Ablaufplan
  • Klären von Formalia
  • Abmachungen/Deadlines
  • Klarheit/ Verständnis schaffen
  • Motivation/Unterstützung geben
Ausführungsphase
  • Recherche
  • Rohfassung schreiben
  • Textversionen schreiben
  • Überarbeiten
  • Klären inhaltlicher Fragen
  • Abstimmen von neuen Themenperspektiven
  • Motivation und Unterstützung geben
  • Fortschrittsüberprüfung durchführen
  • Unterstützung bei der Kompetenzentwicklung geben
  • Feedback geben
Abschlussphase
  • Abgabe
  • Beurteilung/Benotung
  • Abschlussgespräch für Feedback auf Prüfungsleistung
  • Fortschrittsüberprüfung durchführen
  • Entwicklung von Kompetenzen ermöglichen
  • Feedback geben
Tab. 1: Inhalt der Begleitung und Aufgaben der begleitenden Lehrperson (eigene Darstellung nach Buff Keller & Jörissen, 2015)

Die Aufgaben der begleitenden Lehrperson können je nach individuellem Bedürfnis der Studierenden mehr oder weniger umfangreich sein.

Innerhalb der Anfangsphase muss - und in der Ausführungsphase kann - eine Anpassung des Begleitungsansatzes geschehen. Zum Beispiel könnte ein möglicher Begleitungsansatz, der im Erstgespräch festgelegt wird, darin bestehen, dass die Lehrperson lediglich für eventuelle Rückfragen der Studierenden während der Ausführungsphase zur Verfügung steht. Die Individualität der Studierenden und mögliche Veränderungen der Umstände können jedoch innerhalb der Ausführungsphase plötzlich zu intensiven Prozessgesprächen anstelle von kurzen Nachfragen führen. Daher wird der Begleitungsansatz im Laufe des Prozesses individuell angepasst.

Digitale Begleitung: Möglichkeiten und Herausforderungen

Die digitale Lernwelt eröffnet vielfältige Optionen, um Studierende flexibel zu begleiten und die Lehrenden im Wahrnehmen ihrer Auftrage und Aufgaben (in ihren Sprechstunden) zu entlasten. (A)synchrone Tools, wie Videokonferenzsysteme oder Lernmanagementsysteme, ermöglichen es, auch in heterogenen Gruppen zeit- und raumunabhängig auf individuelle Bedürfnisse einzugehen. Doch die Auswahl und der Einsatz dieser Tools müssen sorgfältig geplant werden, um sowohl die Ressourcen der Lehrenden als auch die Lernziele der Studierenden optimal zu berücksichtigen.

Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über mögliche Tools und in welcher Phase diese für die Begleitung sinnvoll sind:

Tool

Synchronität

Sinnhafter Einsatz innerhalb der...
Einsatzmöglichkeiten

Videokonferenzsysteme synchron Anfangs-/ Abschlussphase

Intensive Begleit-/ Feedbackgespräche

E-Mails asynchron Ausführungsphase Kleine inhaltliche Fragen; Formalia; Anfragen zu Gesprächen; Asynchrones Feedback
Lernmanagementsysteme (LMS)
asynchron/ synchron Ausführungsphase Bereitstellen von Material/ Leitfäden, Plattform für Peer-Austausch, Einstellen eines FAQs
Dokumentenmanagement-systeme asynchron/ synchron Ausführungsphase Bereitstellen von Material/ Leitfäden, Ablage für Feedback
Foren/ Diskussionsplattformen asynchron/ synchron Ausführungsphase Peer-Feedback, Klären von inhaltlichen Fragen innerhalb der Peergroup
Audio-/ Video-Aufzeichnungen asynchron Ausführungsphase Erklärvideos zu Formalia (z. B. Zitieren), Tutorials (z. B. zu Microsoft Office), Aufzeichnungen wichtiger Lehrveranstaltung (z. B. zu Formalia)
Projektmanagement-Tools asynchron Ausführungsphase Verfolgen des Arbeitsfortschritts, Festlegen von Meilensteinen, Erinnerung an Deadlines
Umfrage-Tools asynchron Ausführungsphase Fortschrittsüberprüfung, Feedback von Studierenden an den Dozierenden
Tab. 2: Digitale Tools zur Unterstützung bei der Begleitung (eigene Darstellung nach Buff Keller & Jörissen, 2015)

Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass sich die Lehrenden zuvor Gedanken machen sollten, wie sie eine Begleitung der Studierenden mit welchem Lehrziel gestalten möchten und mit welchen digitalen Tools das erreicht werden kann. Es soll sowohl eine Ressourcen-Entlastung für die Lehrenden als auch ein Lern-/Kompetenzgewinn für die Studierenden sein.

Künstliche Intelligenz (KI) im Schreibprozess: Neue Aufgabe für die begleitende Lehrperson

Eine neue Dynamik erhielt die Begleitung durch den Einzug von generativen KI-Modellen wie z. B. ChatGPT in den wissenschaftlichen Arbeitsprozess der Studierenden. Diese Technologien bieten Unterstützung etwa durch automatisierte Feedbackfunktionen oder Hilfestellung bei der Formulierung bzw. Formatierung wissenschaftlicher Texte (Buck, 2025). Die Studierenden könnten aufgrund der Niedrigschwelligkeit dieser Technologien eher diese zur Unterstützung ihres wissenschaftlichen Schreibprozesses heranziehen, statt sich an die begleitende Lehrperson oder ihre Peer Group zu wenden. Das entlastet zwar die begleitenden Lehrpersonen innerhalb der Ausführungsphase. Allerdings müssen die KI-Tools auch kritisch betrachtet werden.

Bei unreflektiertem Gebrauch können „Halluzinationen“, also von der KI erzeugte falsche Informationen, von den Studierenden übernommen oder sogar ganze Schreibphasen an die generativen KI-Tools delegiert werden. Damit verringern die Studierenden den Erwerb von Kompetenzen bzw. riskieren ein sogenanntes Deskilling – einen Kompetenzverlust aufgrund arbeitspraktischer textgenerierender KI-Tools (Buck, 2025; Reinmann, 2023).

Daher müssen die begleitenden Lehrpersonen frühzeitig – am besten in der Anfangsphase des Schreibprozesses – über die von der Hochschule erlaubten bzw. tolerierten Möglichkeiten der KI-Tools informieren. Diese neue Aufgabe geht damit einher, Studierende bei dem Erwerb nötiger KI-Literacy zu unterstützen. Die Studierenden müssen in die Lage versetzt werden, solche Technologien reflektiert und zielgerichtet einzusetzen, um ein Deskilling vorzubeugen bzw. den Verlust bestimmter Kompetenzen auszugleichen (Reskilling), in dem sie neue Kompetenzen erlernen (Upskilling) (Reinmann, 2023).

Bedeutung des persönlichen Kontakts

Trotz der Vorzüge digitaler Lösungen bleibt der persönliche, sprich menschliche Kontakt – auch in asynchroner Form – von unschätzbarem Wert. So betonen Brommer et al. (2023), dass KI-Tools keine persönliche Begleitung durch Lehrende ersetzen können. Der direkte menschliche Kontakt bleibt essenziell, um Schreibkompetenzen und KI-Literacy nachhaltig zu fördern (Brommer et al., 2023) und ermöglicht außerdem spezifisches, zeitnahes Feedback, das auf die individuellen Bedürfnisse der Studierenden zugeschnitten ist. Persönliche Interaktionen fördern zudem Motivation, Vertrauen und die Qualität der Zusammenarbeit. Sie tragen dazu bei, eine positive Lernumgebung zu schaffen, Missverständnisse frühzeitig auszuräumen und Kommunikationskompetenzen zu stärken (Ulmi et al., 2014). 

Letzte Änderung: 08.12.2025