Digitale Kompetenzen entwickeln

Kompetenzentwicklung findet in Hochschulen auf verschiedenen Ebenen statt. Die Personalentwicklung auf der Organisationsebene umfasst strategische Maßnahmen zur Förderung aller Mitarbeitenden, um die Gesamtleistung und Effizienz der Institution zu steigern und langfristige organisatorische Ziele zu erreichen. Die individuelle Kompetenzentwicklung hingegen fokussiert sich auf die persönliche und fachliche Weiterbildung einzelner Mitarbeitender mit dem Ziel, ihre berufsbezogenen und überfachlichen Fähigkeiten zu verbessern. Im Folgenden schauen wir auf die individuelle Kompetenzentwicklung von Lehrenden mit Fokus auf digitale Kompetenzen.

Bauklötze aus Holz formen eine Treppe, auf der vorletzten Treppenstufe steht eine Spielfigur.
Bild: Zolak/Getty Images via Canva.com

Die Entwicklung digitaler Kompetenzen ist ein dynamischer, lebenslanger Prozess, der nicht nur technisches Wissen, sondern auch didaktische Kreativität, ethische Reflexion und juristisches Grundwissen (z. B. Medienrecht, Urheberrecht und Datenschutz) verlangt. Indem Lehrende digitale Kompetenzen aufbauen und gezielt einsetzen, schaffen sie nicht nur optimale Lernumgebungen, sondern fördern auch die digitale Mündigkeit ihrer Studierenden. So wird die Digitalisierung zur gemeinsamen Lernchance, die den Weg für eine zukunftsorientierte Hochschulbildung ebnet.

Die Rolle von Hochschullehrenden im Kontext digitaler Kompetenzen

Die Rolle von Hochschullehrenden hat sich grundlegend gewandelt (Müller, 2024). Lehrende sind nicht nur für die Anwendung digitaler Technologien verantwortlich, sondern integrieren diese aktiv in didaktische Konzepte. Dabei stehen die gezielte Gestaltung und Unterstützung von Lernprozessen durch digitale Werkzeuge im Vordergrund.

Digitale Kompetenzen als Schlüsselqualifikation

Digitale Kompetenzen sind für diese neue Rolle unerlässlich. Sie umfassen Fähigkeiten in der Planung und Gestaltung digital gestützter Lehre, der Förderung digitalen Lernens sowie der Reflexion und Weiterentwicklung eigener Lehrpraktiken. Hochschullehrende sind weniger für die reine Wissensvermittlung zuständig, dafür aber mehr für die Moderation und Begleitung von Lernprozessen, die sowohl digitale als auch analoge Elemente miteinander verbinden.

Neben der Vermittlung von Fachinhalten mit digitalen Medien fördern Lehrende außerdem die digitale Souveränität der Studierenden. Dies erfordert methodisch-didaktische Kompetenzen und eine reflektierte Auseinandersetzung mit den ethischen und gesellschaftlichen Implikationen der Digitalisierung. Lehrende übernehmen damit eine Vorbildfunktion im Umgang mit digitalen Technologien und prägen die digitale Lernkultur an Hochschulen entscheidend mit.

Digitale Lehre als gemeinsame Lernchance

Die Digitalisierung erfordert eine kontinuierliche Anpassung und Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen. Es geht darum, Lehr-Lern-Szenarien zu gestalten, die auf die Bedürfnisse einer zunehmend digitalisierten Welt abgestimmt sind. Auch sollten Lehrende sich im Zuge dessen mit den rechtlichen Rahmenbedingungen vertraut machen, die z. B. die Nutzung von digitalen Technologien und die Verarbeitung von personenbezogenen Daten regeln. Somit sind Lehrende selbst Lernende, insbesondere im Umgang mit komplexen Technologien wie künstlicher Intelligenz. Es ist entscheidend, dass sie sich nicht scheuen, von und mit Studierenden zu lernen, die neue digitale Technologien oftmals frühzeitig anwenden und bereits über umfassende Nutzungserfahrung verfügen. Diese Nutzungserfahrungen gilt es aufzugreifen, sinnvoll in den Lernprozess einzubinden und ggf. um rechtliche oder ethische Fragestellungen zu erweitern. So wird die Digitalisierung zur gemeinsamen Lernchance und zur Grundlage für eine zukunftsorientierte Lehre.

Digitale Kompetenzen 

Digitale Kompetenzen beschreiben die Fähigkeiten, digitale Medien gezielt, kreativ und reflektiert zu nutzen und zu gestalten. Sie umfassen ein reflektiertes, kritisches und analytisches Verständnis darüber, wie digitale Medien Individuen und die Gesellschaft beeinflussen (Ehlers, 2020). Eine detailliertere Beschreibung digitaler Kompetenzen wurde im „DigComp 2.1” der Europäischen Kommission veröffentlicht, der vielfach als Referenz herangezogen wird. Der „DigComp 2.1” beinhaltet beispielsweise die Kompetenzbegriffe „Information and data literacy”, „Communication and collaboration” oder „Safety” (European Commission: Joint Research Centre, 2017).

Digitale Kompetenzen als Teil der Future Skills

Digitale Kompetenzen sind ein zentraler Bestandteil der Future Skills, da sie Fähigkeiten vermitteln, die für ein souveränes Agieren in der digitalen Welt notwendig sind. Sie umfassen den reflektierten und kritischen Umgang mit digitalen Medien sowie deren Nutzung und Gestaltung, sowie ein umfassendes Verständnis ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen (Ehlers, 2020). Future Skills werden als Kompetenzkonstrukte verstanden, die es Individuen ermöglichen, in komplexen, dynamischen Kontexten zu agieren (Ehlers, 2020). Zudem betont das Future Skills Konzept, dass diese Skills nicht isoliert existieren, sondern interdependent sind und sich durch Werte, Haltungen und dispositionale Faktoren wie Selbstbewusstsein und Motivation auszeichnen (Ehlers, 2020). Dennoch bleibt das zugrundeliegende Konzept nicht frei von Kritik. Vor allem die mangelnde begriffliche Klarheit, unzureichende empirische Belege und fehlende didaktische Ansätze werden angeführt (Ehlers et al., 2024).

Zentrale Dimensionen digitaler Kompetenzen  

Die erfolgreiche Navigation im digitalen Raum erfordert zahlreiche Fähigkeiten, die zu den digitalen Kompetenzen gezählt werden können. Dazu zählt die Medienkompetenz, also die reflektierte, selbstbestimmte und sichere Nutzung von Medien im digitalen Umfeld (Kreißig und Rathgeb, 2020). Auch wird in diesem Zuge Data Literacy oft genannt. Dieser Begriff wird definiert als die Fähigkeit, Daten auf kritische Art und Weise zu sammeln, zu managen, zu bewerten und anzuwenden (Schüller et al., 2019). Zuletzt soll noch Data Safety angesprochen werden, damit ist der Datenschutz und die Datensicherheit gemeint. Die spezifischen Kompetenzen und Fähigkeiten in diesem Bereich beziehen sich auf das Wissen, welche Daten besonders schützenswert sind, die Anforderungen des Datenschutzes, sowie die technischen Möglichkeiten zum Schutz von Daten (Schüller et al., 2019).

Da das Feld der digitalen Kompetenzen vieldimensional ist, ist es notwendig, dass Hochschulen sich damit auseinandersetzen und Räume schaffen, um bestehende Kompetenzlücken zu schließen. Es muss ein Bewusstsein für die Chancen und Herausforderungen digitaler Entwicklungen vermittelt werden. Ziel ist es, Studierende und Lehrende zu befähigen, aktiv und kritisch reflektiert am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen und digitale Entwicklungen mitzugestalten.

Kompetenzen für digitale Lehre entwickeln: Ein kontinuierlicher Prozess

Die individuelle Kompetenzentwicklung von Lehrenden ist ein kontinuierlicher Prozess. Dieser Prozess orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen und den sich wandelnden Anforderungen der Hochschullehre. Sie umfasst mehrere Schritte, die von der Kompetenzerfassung über die Planung bis hin zu Weiterentwicklung und Reflexion reichen. Dabei steht nicht nur die Nutzung neuer Technologien im Vordergrund, sondern vor allem die Frage, wie diese sinnvoll und zielgerichtet in die Lehre integriert werden können, um den Lernprozess der Studierenden optimal zu begleiten.

Individuelle Kompetenzerfassung

Der erste Schritt im Entwicklungsprozess ist die Kompetenzerfassung. Hierbei geht es darum, den aktuellen Stand der digitalen Kompetenzen der Lehrpersonen zu ermitteln. Dies kann u. a. durch Selbstreflexion, Feedback von Peers und Studierenden oder didaktische Beratung geschehen. Ein nützliches Werkzeug ist das DigCompEdu-Framework (Redecker, 2017), das eine strukturierte Methode zur Bewertung digitaler Kompetenzen in der Bildung bietet.

Zielsetzung und Maßnahmen der Weiterbildung

Nach der Kompetenzerfassung folgt die Planung. Es werden konkrete Ziele gesetzt und Maßnahmen definiert, um identifizierte Kompetenzlücken zu schließen. Idealerweise erfolgt die (Weiter-)Entwicklung der digitalen Kompetenzen schrittweise und bedarfsorientiert. Dabei sollte eine klare Zielsetzung verfolgt werden: Welche didaktischen Methoden möchte ich weiterentwickeln? Wie kann ich die digitale Lehre inklusiver, aktivierender und partizipativer gestalten? Maßnahmen können Workshops, Online-Kurse, Peer-Learning-Gruppen, offene Bildungsmaterialien (OER) oder individuelles Coaching umfassen. Kleine, gut umsetzbare Ziele schaffen hierbei Motivation und Erfolgserlebnisse.

Transfer und Reflexion

Die Entwicklung digitaler Kompetenzen endet nicht mit der Teilnahme an einer Fortbildung, sondern ist ein kontinuierlicher Lernprozess, mit dem sich Lehrende stetig an neue Technologien und Methoden anpassen. Der Transfer des Gelernten in den Lehralltag und die kontinuierliche Reflexion der eigenen Praxis im Sinne von Lebenslangem Lernen sind entscheidend. In diesem Zusammenhang können immer wieder neue Ziele gesetzt werden. Eine Analyse des Einflusses der individuellen Kompetenzentwicklung ist im Rahmen der Erforschung der eigenen Lehre (Scholarship of Teaching and Learning) möglich.

Die Digitalisierung der Hochschullehre ist eine Chance, die Qualität der Lehre zu steigern – aber sie verlangt auch Offenheit, Neugier und die Bereitschaft, sich immer wieder auf neue Herausforderungen einzulassen. Mit einer gut geplanten Kompetenzentwicklung wird dieser Weg nicht nur machbar, sondern bereichernd.

Letzte Änderung: 17.09.2025