Textverständnis

Damit ein (Hyper-)text verständlich und angenehm zu lesen ist, müssen eine ganze Reihe von Kriterien erfüllt sein. Die kohäsive Geschlossenheit und der kohärente Aufbau des Textes spielen ebenso eine Rolle wie Hintergrundwissen, Lesegewohnheiten und Informationsbedürfnisse des Lesers.

Textvalidität

Die Kriterien der Textvalidität müssen ineinander greifen, damit ein Text in sich schlüssig und angenehm zu lesen erscheint. "Wenn irgendeines dieser Kriterien als nicht erfüllt betrachtet wird, so gilt der Text als nicht kommunikativ. Daher werden nicht-kommunikative Texte als Nicht-Texte behandelt"(de Beaugrande & Dressler, 1981, S. 3). Grund genug, die Textvaliditätskriterien und ihre Anwendung auf Hypertexte vorzustellen:

Kohäsion

Das Prinzip der Kohäsion beschreibt den Textzusammenhang, der durch formale Mittel der Grammatik hergestellt wird. Ein einzelner Hypertextknoten muss in sich kohäsiv geschlossen sein. Sprachliche Referenzmittel, die auf weitere Textknoten verweisen, machen nur dann Sinn, wenn sie mit einem Link ausgestattet sind. Satzübergreifende inhaltliche- bzw. logische Bezüge, die in konventionellen Texten durch sprachliche Verweise auf vorangegangene oder kommende Textstellen verdeutlicht werden, sind in Hypertexten nur innerhalb eines Hypertextknotens möglich. An der Grenze zwischen Hypertextknoten sollten Sie Verweise wie "im folgenden" oder "bereits gezeigt" unbedingt vermeiden (Gerdes, 1997).

Kohärenz

Kohärenz bezeichnet den inhaltlichen Gesamtzusammenhang - den "roten Faden" - eines Textes. In Hypertexten werden Zusammenhänge zwischen Sachverhalten nicht nur durch textliche Bezugnahmen, sondern oftmals auch durch Verlinkungen verdeutlicht. Ein Hypertext besteht damit aus zwei semantischen Strukturebenen. Auf der Mikroebene (Knoten) aus strukturierten Texten, die auf der Makroebene durch eine flexible Netzstruktur (Kanten) verbunden werden. Lokale Kohärenz liegt dann vor, wenn zwischen den Inhalten eines Knotens eine semantische Beziehung besteht. Globale Kohärenz liegt vor, wenn sich die Inhalte verschiedener Knoten auf ein gemeinsames Thema beziehen. Ein sinnvoller Text entsteht nur, wenn eine Verbindung zwischen der lokalen und der globalen Kohärenz geschaffen wird (Hammwöhner, 1990). Da ein Knoten in der Regel aus verschiedenen Richtungen erreicht wird, muss die Verlinkung so gestaltet sein, dass das Herstellen eines inhaltlichen Zusammenhangs von jedem Ausgangspunkt möglich ist.

Intentionalität

Intentionalität bezeichnet die Absicht, beim Verfassen eines Textes eine bestimmte Wirkung bei den Rezipienten zu erreichen. Auch Ihr Hypertext sollte eine erkennbare, durchgängige Intention haben, z.B. organisatorische Information im Falle einer Veranstaltungshomepage. Bei Hypertextsystemen, die von den Studierenden beliebig erweiterbar sind, kann dieses Motiv allerdings durchbrochen werden. Bei der hypertextuellen Gestaltung von Lehrtexten beachten Sie: Je größer die Navigationsfreiheit, desto weniger kann der Intention mittels argumentativer Strukturen Ausdruck verliehen werden (Gerdes, 1997).

Akzeptabilität

Akzeptabilität ist die Einstellung der Leser, einen verständlichen, für sie potentiell nützlichen Text zu lesen. Hypertextstrukturen werden bei Textsorten besonders leicht akzeptiert, die traditionell nicht in einer vom Autor intendierten Reihenfolge gelesen werden (z. B. Handbücher, Lexika, Tageszeitung). In Hypertexten lassen sich Navigationsstrukturen so realisieren, dass der Text für verschiedene Lesergruppen von Nutzen ist. Ein Beispiel für eine adressatenorientierte Navigation ist die Homepage der Universität Bielefeld. Benutzer können sich dort unter anderem als "Studierende", als "Mitarbeiter" oder als "Schüler" identifizieren.

Informativität

Die Informativität (= der Informationsgehalt) von elektronischen Texten ist potentiell höher als bei traditionellen Print-Medien, da digitales Material leichter aktualisiert werden kann. Ein Hypertext kann meist problemlos durch das Hinzufügen von Knoten erweitert werden. Ein gut gepflegter Hypertext bleibt daher auch nach häufiger Nutzung für den Leser attraktiv, allerdings nur wenn die gesuchte Information mit Hilfe geeigneter Navigationsverfahren schnell zu finden ist (Gerdes, 1997). Auch in einem PDF-Skript können Aktualisierungen leichter und kostengünstiger vorgenommen werden, als bei gedrucktem Material. Damit Aktualisierungen auf den ersten Blick erkannt werden, sollten Sie Überarbeitungen an einer zentralen Stelle verlinken. Außerdem ist die Angabe des Datum der letzten Aktualisierung bei Online-Dokumenten fast schon Pflicht.

Situationalität

Situationalität kennzeichnet die Angemessenheit für eine bestimmte Situation in der ein Text gelesen wird. Sucht ein Seminarteilnehmer nur eine kurze Begriffsbestimmung, ist ein Fachbuch zum Thema völlig ungeeignet. Umgekehrt reicht ein Artikel im Lexikon nicht aus, um eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben. Hypertexte können so aufgebaut werden, dass sie für eine Vielzahl von Situationen geeignet sind. Maßnahmen, die eine hohe Navigationsfreiheit und einen selektiven Zugriff auf Informationen gewährleisten, sind eine durchdachte Menüstruktur, Suchfunktionen und Filtermöglichkeiten. Ein technisch einfaches aber konzeptionell anspruchsvolles Mittel, Hypertexte für verschiedene Anwendungszusammenhänge aufzubereiten, ist eine Navigation, die sich an den potentiellen Informationsbedürfnissen der Zielgruppe orientiert.

Intertextualität

Der Zusammenhang verschiedener Texte (Intertextualität) sorgt dafür, dass wir Texte nach Textsorten klassifizieren können und beispielsweise Werbebotschaften und Nachrichten zumeist sicher unterscheiden. Leser erwarten je nach Textsorte die Erfüllung prototypischer Muster. Ist eine Zuordnung zu einer Textsorte nicht möglich, kann der Text nur schwer rezipiert werden. Überlegen Sie, welcher Textsorte Ihr Hypertext am ehesten entspricht. Ob es sich beispielsweise um bloße Mitteilungen oder einen Lehrtext handelt, sollte an Aufbau und Stil möglichst auf Anhieb erkennbar sein.

Letzte Änderung: 03.02.2016