Heterogenität im Studium

Die Studierendenschaft ist in den vergangenen Jahren heterogener geworden. Dies betrifft unterschiedlichste Bereiche, wie z.B. unterschiedliche Vorkenntnisse und Lernerfahrungen, sozioökonomische und soziokulturelle Hintergrundvariablen, außeruniversitäre Verpflichtungen in Beruf und Familie oder körperliche Einschränkungen. Dabei stellt sich die Frage, wie digitale Medien dazu beitragen können, diese Vielfalt positiv in die Lehre einzubeziehen und die mit einer zunehmenden Heterogenität verbundenen Herausforderungen zu meistern. Was meinen die e-teaching.org-Nutzenden zu diesem Thema? Hier finden Sie Antworten.

Zum Thema „Heterogenität im Studium: Was leisten digitale Medien?“ gaben ungefähr 25% der Befragten an, überhaupt nicht bzw. überwiegend nicht auf dem aktuellen Stand der Diskussionen zu sein. Nur etwa 32% der Befragten bejahten dies voll und ganz bzw. überwiegend. Unter geeigneten Rahmenbedingungen würden demgegenüber knapp 74% der Befragten verstärkt (voll und ganz bzw. überwiegend) auf digitale Bildungsmaterialien setzen, um der zunehmenden Heterogenität unter den Studierenden gerecht zu werden. Dies entspricht in etwa den Ergebnissen vergangener Umfragen zu Nutzungserwägungen in Bezug auf digitale Bildungsressourcen allgemein (78% im Jahr 2017), Lernmanagement-Systeme (72% in den Jahren 2016 und 2017) sowie Open-Educational-Resources (70% in den Jahren 2015 und 2016) und hebt sich ab von den Befundmustern in Bezug auf MOOCs (46% in den Jahren 2014 und 2015) und Learning-Analytics (41% in den Jahren 2014 und 2015). Diese scheinbaren Unterschiede können möglicherweise unter anderem sowohl auf die spezifischen Themen als solche zurückzuführen sein als auch auf eine allgemeine Zunahme positiver Einstellungen gegenüber der Gestaltung von Hochschulbildung mit digitalen Medien.

Hinsichtlich der Vorteile digitaler Bildungsmedien im Kontext von Heterogenität wurden vor allem zwei Aspekte als besonders überzeugend bewertet. Ein Aspekt ist die mit digitalen Bildungsmedien einhergehende Flexibilität bezüglich Ort, Zeit, Dauer und Tempo von Lernprozessen, die es erlaubt, dass unterschiedlichste außeruniversitäre Lebenskontexte, Verpflichtungen und Zeitbudgets berücksichtigt werden können. Der zweite Aspekt bezieht sich darauf, dass digitale Bildungsmaterialien die Anpassung und Angleichung in Bezug auf unterschiedlichste Wissensbestände und Erfahrungen ermöglichen, beispielsweise im Rahmen von Vorbereitungs- und Begleitkursen. Aber es gab auch kritische Aussagen, die als vergleichsweise stark überzeugend eingestuft wurden. In einer dieser Aussagen wurde argumentiert, dass zunächst die Lehrenden mediendidaktisch und im Umgang mit Heterogenität besser geschult werden müssten, denn wenn diese Kompetenzen fehlen, dann könnten auch digitale Bildungsmaterialien nicht erfolgreich eingesetzt werden. Ein anderer kritischer Punkt, der als besonders überzeugend eingestuft wurde, bezog sich auf

den mit der Erstellung heterogenitätssensibler Materialien einhergehenden hohen Aufwand, beispielsweise wenn differenzierte Materialien mit Blick auf unterschiedliche Wissenstiefen erstellt werden.

In einem der optionalen Freitext-Kommentare der Umfrageteilnehmenden wurde das Thema „Heterogenität im Studium: Was leisten digitale Medien?“ als „enorm wichtig“ eingestuft. In einem anderen Kommentar wurde als großer Vorteil digitaler Medien beispielsweise die Möglichkeit genannt, den „optimalen Lernkanal“ ansprechen und einen „selbstbestimmten Lernprozess“ ermöglichen zu können. Durch ein „vielfältiges Angebot“ könne die individuell „sinnvollste und effektivste Art“ des Lernens ausgewählt werden. Bezug genommen wurde in diesem Zusammenhang auch auf Blended-Learning Konzepte und „konstruktivistisches Lernen in der Gruppe“.

Ein Kommentar verwies jedoch darauf, dass „digitale (Vor-)Kurse“ als „Möglichkeit der Ergänzung, der Effektivierung (z.B. Inverted-Classroom-Szenario) und der Entlastung der Lehrenden“ angesehen werden sollten und „nicht als Ersatz für Präsenzkurse“. Zielgruppen wie beispielsweise „zugewanderte Studierende, sollten eher in die universitären Strukturen durch Lehrende und Mitstudierende eingebunden werden, als isoliert zu lernen“. Auch in anderen Kommentaren wird auf die notwendige „Abstimmung zwischen Online- und Präsenzphase“ ebenso hingewiesen wie auf die „Kombination aus klassischen Bildungsmedien und Innovationen“. Dabei sollten sich die Beteiligten „Zeit lassen, ausprobieren und evaluieren“.

Wiederholt wurde auch betont, dass vor allem „didaktische Planung wesentlich für den Erfolg“ und „didaktische Rahmenbedingungen“ entscheidend seien und somit „immer Pädagogik und didaktische Konzepte vor Fragen der Digitalisierung stehen sollten“. Und was beispielsweise die Schulung von Diversitätssensibilität betrifft, so verwies ein Kommentar darauf, dass sich dies und die Nutzung digitaler Medien gegenseitig gar nicht ausschließen würden. In jedem Fall sei das Potential digitaler Medien „nur wirksam, wenn der individuelle Lern- und Entwicklungsprozess durch Lehrende entsprechend begleitet wird“. So sollten Lernende „bei Tests nicht nur erfahren, in welchen Wissensbereichen sie Defizite haben, sondern anhand konkreter Beispiele dazu motiviert werden, sich diese Wissensbereiche auch erschließen zu wollen“. Entscheidend sei aber auch, „wie gut das digitale Bildungsmaterial ist“. Und ebenso wichtig wie beispielsweise „Qualität von Algorithmen bei adaptiven Verfahren und die Qualität und Quantität vertiefender Lernmaterialien“ seien für die Beteiligten auch „persönliche Ansprechpartner bei fachbezogenen Fragen (nicht nur technischer Support)“.

In einem Kommentar wurde außerdem darauf hingewiesen, dass insbesondere den „Unterschieden im Bereich von Medienkompetenz und selbstständigem Lernen“ die notwendige Beachtung geschenkt werden sollte. Ein weiterer Kommentar betonte ferner, es würden „viel zu sehr diejenigen Aspekte hervorgehoben, die mit der Leistungsfähigkeit der Studierenden zusammenhängen“ und weniger „die simplen Unterschiede“, so unter anderem

„welche Lernarten jemand lieber mag“, beispielsweise im Hinblick auf „synchrone oder mehr asynchrone Zusammenarbeit“ oder hinsichtlich „kontextbezogener oder eher isolierter Verarbeitung“. Ein anderer Kommentar warf die Frage auf, „ob wir ‚analog‘ schon genug Erfahrung und Wissen zu Heterogenität in der Lehre haben, um es auf eine ‚digitale Stufe‘ zu bringen“. Diskutieren ließe sich „wie so oft in Diskussionen um Digitales“ auch die in einem Kommentar geäußerte Meinung, dass „das Contra von denen zu kommen [scheint], die am wenigsten konkretes Wissen oder Erfahrungen haben“. Wie dem auch sei, „manchmal hilft es, auch einfach mal miteinander zu reden“.

Zur Methodik der Studie

In unserer Meinungsrubrik gab es die Möglichkeit, verschiedene Pro- und Contra-Argumente zu den Themen MOOCs, Mobiles Lernen, Learning Analytics, Vorlesungsaufzeichnungen, Open Educational Resources (OER), Lernmanagement-Systeme (LMS), digitale Bildungsressourcen (DBR) und Heterogenität im Studium zu betrachten, zu bewerten und Fragen zu diesen Themen zu beantworten. Die hier präsentierten Ergebnisse beziehen sich auf die Umfrage zum Thema „Heterogenität im Studium: Was leisten digitale Medien?“, die vom 24. Juli 2018 bis zum 28. Februar 2019 vor dem Hintergrund des gleichnamigen Themenspecials durchgeführt wurde. Wir bedanken uns noch einmal bei allen Teilnehmenden für das große Interesse und die Bereitschaft zum Mitmachen!

Die maximale Anzahl der auswertbaren Antworten (pro Fragebogenitem innerhalb der Umfrage) liegt bei n = 92. Bei den meisten Items haben jedoch weniger Teilnehmende die jeweilige Frage beantwortet. Zunächst werden die Antwortmuster (a) zu einer eher wissensbezogenen Frage und (b) zu einer eher meinungsbezogenen Frage grafisch veranschaulicht. Danach folgen die Ergebnisse zu den Bewertungen der Überzeugungsstärke von 12 themenspezifischen Aussagen bzw. Pro- und Contra-Argumenten. Die Zustimmung zu den ersten beiden exemplarisch dargestellten Fragen konnte auf einer 6-stufigen Skala angegeben werden (1 = Stimmt überhaupt nicht bis 6 = Stimmt voll und ganz). Die Bewertungen der Überzeugungsstärke erfolgte ebenfalls mittels 6-stufiger Skala (1 = Überhaupt nicht überzeugend bis 6 = Sehr stark überzeugend). Zur besseren Veranschaulichung wurden die Kategorien 1 und 2, 3 und 4 sowie 5 und 6 in den Abbildungen jeweils zusammengefasst.

Wir sind uns bewusst, dass unsere Umfrage „alleine durch die Teilnahme meist interessierter Personen im Bereich E-Learning wohl beeinflusst sein“ könnte und „TeilnehmerInnen, die über e-teaching.org auf die Umfrage aufmerksam werden, bereits eine bestimmt (positive) Einstellung gegenüber Digitaler Lehre haben“, wie Teilnehmende unserer Umfragen korrekt angemerkt haben. Unter anderem deshalb wurden beispielsweise zu den Themen Mobiles Lernen, MOOCs und digitale Bildungsressourcen (DBR) auch Befragungen unter Studierenden durchgeführt, deren Ergebnisse denen der e-teaching.org-Nutzenden gegenübergestellt wurden.

Verantwortlicher Wissenschaftler: Dr. Jens Jirschitzka (Dipl.-Psych.). Bei Fragen oder Anregungen wenden Sie sich bitte an: j.jirschitzka@iwm-tuebingen.de.

Folien Jens Jirschitzka

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