Diagnostische Prüfungen und Tests

Diagnostische Prüfungen oder Tests finden für gewöhnlich vor der Teilnahme an einem Studiengang oder einer Lehrveranstaltung statt. Sie können als Selektionsinstrument dienen, so dass das Bestehen die Voraussetzung für die Zulassung ist. Ebenso können sie aber auch der (Selbst-)Einschätzung in Bezug auf das Vorwissen der Studierenden dienen.

Jemand hält ein Smartphone, auf dem ein Online-Quiz zu sehen ist.
Bild: smolaw11/Getty Images via Canva.com

Diagnostische Assessments ermöglichen die Erhebung von Informationen für den weiteren Entscheidungs-, Einstufungs- und Lernprozess (Michel, 2015; Handke & Schäfer, 2012), weshalb sie üblicherweise vor dem eigentlichen Lehr-/Lernprozess stattfinden. Dabei kann unterschieden werden zwischen:

  1. Rechtlich relevanten Zulassungsprüfungen und Tests, die der Immatrikulation bzw. der Zulassung zu bestimmten Kursen sowie zur Einstufung (z. B. bei Sprachkursen) dienen. 
  2. (Unbenoteten) Tests zur (Selbst-)Einschätzung vor der Aufnahme eines Studiums oder vor Beginn einer Veranstaltung. Nach Crisp (2007) zielen diagnostische Tests üblicherweise auf die Identifikation des gegenwärtigen Wissens- und Kompetenzstandes von Lernenden ab, um auf dieser Basis Lernaktivitäten auf die Bedarfe der Studierenden ausrichten zu können.

Tests, die zur Studienorientierung dienen, werden an dieser Stelle nicht behandelt, da sie eher als „beratend“ – und nicht als „diagnostisch“ – charakterisiert werden können (Schmees, Krüger & Schaper, 2013). Weitere Informationen zu unterstützenden Angeboten der Studienorientierung bieten die Portalbereiche Selbsttests und Beispielaufgaben für die Studienwahl und Informationsportale zur Studienwahl.

Außerdem soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass diagnostische Tests und Prüfungen trotz der begrifflichen Ähnlichkeit nichts mit der psychologischen Diagnostik zu tun haben, die auf die Messung von psychischen Merkmalen und Zuständen fokussiert.

Merkmale der Prüfungsform (für die beiden zentralen Ausprägungen)

1. Diagnostische Prüfung: Zulassungsprüfung vor der Immatrikulation, vor der Zulassung zu bestimmten Veranstaltungen oder zur Einstufung

Funktion: Auswahl, Zulassung, Einstufung 
Form und Ergebnis: Schriftlich (Antwort-Wahl-Verfahren bzw. Freitext-Verfahren), mündlich, praktisch (inkl. Einreichung von fachspezifischen Produkten, wie z. B. Kunstmappen) oder oftmals auch als Kombination aus schriftlichem und mündlichem Prüfungsteil
Material/Hilfsmittel: abhängig davon, was erhoben werden soll: keine oder eingegrenzt
Ort: unterschiedliche Möglichkeiten, oft in Abhängigkeit von den technischen und rechtlichen Voraussetzungen an einer Hochschule: in Präsenz / in Distanz, Fernprüfung (bzw. Remote)
Zeitraum und Gleichzeitigkeit der Bearbeitung: eng; obligatorisch zu einem festen Zeitpunkt

2. Diagnostischer Test: vor Beginn eines Studiums oder einer Veranstaltung

Funktion: Selbsteinschätzung der Studierenden sowie Einschätzung des Wissensstands der Studierenden durch die Lehrenden zum Zwecke der Anpassung der Lehrveranstaltung bzw. der Anregung von Lernaktivitäten
Form und Ergebnis: Schriftlich (Antwort-Wahl-Verfahren oder Freitext-Verfahren)
Material/Hilfsmittel: abhängig vom intendierten Lernziel: keine, eingegrenzt oder uneingeschränkt
Ort: unterschiedliche Möglichkeiten: in Präsenz, in Distanz, Fernprüfung (bzw. Remote)
Zeitraum und Gleichzeitigkeit der Bearbeitung: weites Spektrum zwischen eng und weit bzw. synchron und asynchron, je nachdem, was erhoben werden soll

Eine ausführliche Erläuterung der hier genannten Merkmale finden Sie unter Merkmale von Prüfungen und Tests.

Organisation und Technik

Digital durchzuführende diagnostische Prüfungen und Tests unterliegen technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen. Was die Prüfungsform und die Aufgabentypen angeht, so sind diagnostische Prüfungen und Tests in der Regel sehr ähnlich gestaltet wie E-Klausuren in Präsenz oder in Distanz. Vor allem bei einer obligatorischen Durchführung zu einem festen Zeitpunkt gelten hier ähnliche technische und organisatorische Anforderungen wie bei E-Klausuren, weshalb im Folgenden der Fokus auf die Besonderheiten von diagnostischen Prüfungen und Tests gelegt wird.

Vorbereitung

Digital durchzuführende diagnostische Prüfungen und Tests unterscheiden sich von (summativen) E-Klausuren insbesondere dadurch, dass die Prüfungsteilnehmenden oft nur schwer einschätzen können, was sie im Assessment erwartet. Gerade bei Zulassungsprüfungen ist es deshalb – auch aus rechtlichen Gründen – notwendig, im Voraus Informationen über die Themenkomplexe bzw. Bestehensbedingungen transparent zu machen. Informationen und konkrete Angebote, wie die Bereitstellung von Beispielfragen, können bei der Vorbereitung unterstützen und Orientierung bieten. 

Den Bewerberinnen und Bewerbern sollte im Vorfeld der Zugriff auf eine Probe- oder Demo-Prüfung ermöglicht werden, damit Bedienungsfehler und Orientierungsprobleme während der Prüfung nicht das Ergebnis beeinflussen.

Durchführung und Nachbereitung

In Abhängigkeit von der Art der Durchführung (als Präsenz- oder Distanzprüfung, zu einem festen Zeitpunkt oder on-demand) und der rechtlichen Relevanz der Prüfung oder des Tests (z. B. bei Zulassungsprüfungen vor der Immatrikulation) sind unterschiedliche Support-Konzepte einzuplanen.

Bei rechtlich nicht relevanten Prüfungen und Tests, die von den Teilnehmenden zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl on-demand durchgeführt werden können und darauf abzielen, mittels Selbsttests den Lernstand zu messen, ist instantaner Support nicht zwingend erforderlich. Hingegen ist bei rechtlich relevanten diagnostischen Zulassungsprüfungen und -tests Support erforderlich, um instantan auf die Probleme und Fragen der Prüfungsteilnehmenden reagieren zu können und somit die rechtliche Zuverlässigkeit des Verfahrens zu gewährleisten. Bei Zulassungsprüfungen- und Tests in Präsenz kann dieser Support mithilfe des Aufsichtspersonals sichergestellt werden. 

Bei Zulassungsprüfungen werden die Prüfungsteilnehmenden in der Regel nur über das Bestehen oder Nichtbestehen und ggf. die erreichte Punktzahl informiert. Bei diagnostischen Prüfungen und Tests, die der Selbsteinschätzung dienen, gibt es mitunter automatisiert erzeugtes Feedback und Hinweise auf weitere vorbereitende Materialien oder beispielsweise Vorkurse.

In der Praxis werden oft auch Selbsteinschätzungstests zur Verfügung gestellt, die sich nicht auf eine konkrete Veranstaltung beziehen, sondern z. B. auf Kenntnisse, die notwendig sind, um ein Studium absolvieren zu können. Auf Basis der Ergebnisse solcher Prüfungen und Tests werden teilweise weitere Lernmaßnahmen empfohlen, wozu auch das Absolvieren von Brücken- oder Vorkurse gehören kann (mehr dazu findet sich auch auf der Portalseite Angebote für Studienanfänger/innen).

Prüfungsdidaktik

Je nach Ziel können diagnostische Prüfungen und Tests rechtlich-organisatorische oder didaktische Ziele verfolgen. Obligatorische diagnostische Prüfungen und Tests, die der rechtlichen Zulassung dienen, sind in der Regel standardisiert und evaluiert. Demgegenüber sind diagnostische Prüfungen und Tests, die zum Zwecke der Verbesserung der Selbsteinschätzung durchgeführt werden, didaktische Instrumente, da sie die Möglichkeit bieten, Verbesserungsmaßnahmen für Lern- und Bildungsprozesse abzuleiten (Müller & Schmidt, 2009). So können die Ergebnisse von diagnostischen Selbsteinschätzungstests vor der Aufnahme eines Studiums dazu verwendet werden, um weitere Lernmaßnahmen passgenauer planen zu können, dazu kann auch das Belegen von z. B. Brückenkurse gehören.

Die Formen und Aufgabentypen in freiwilligen diagnostischen Tests können je nach Fachkontext und Didaktik sehr vielfältig und individuell gestaltet sein. Vertiefende Informationen zur Gestaltung von Prüfungen und Aufgaben werden auf der Portalseite Prüfungsdidaktik dargestellt.

Rechtliche Aspekte

In Abhängigkeit der zu verfolgenden Ziele der diagnostischen Prüfungen und Tests müssen ggf. unterschiedliche rechtliche Aspekte betrachtet werden.

Bei diagnostischen Verfahren, die im Rahmen der Zulassung von Studierenden für bestimmte Studiengänge eingesetzt werden, sind höchstwahrscheinlich spezifische prüfungsrechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Diese müssen im Einzelfall mithilfe der Rechtsabteilung geprüft werden. Es bedarf u. U. einer entsprechenden Zulassungsordnung, Aufnahmeprüfungssatzung oder Auswahlsatzung im jeweiligen Studiengang. Darüber hinaus sind bei einer digitalen Durchführung der Zulassungsprüfungen und -tests immer auch Datenschutzaspekte in Bezug auf die Wege der Datenverarbeitung genauer zu betrachten.

Bei diagnostischen Prüfungen und Tests, die den Zweck der Selbsteinschätzung verfolgen und somit keine direkten Auswirkungen auf den weiteren Verlauf des Studiums haben, sind bei digitaler Durchführung lediglich die Aspekte des Datenschutzes bei der Verarbeitung der Daten zu berücksichtigen.

Vorteile

Grundsätzlich erlauben diagnostische Prüfungen und Tests „Rückschlüsse auf bis dato realisierte Lern- und Bildungsprozesse sowie mögliche künftige Verbesserungsmaßnahmen“ (Müller & Schmidt, 2009, S. 27). Studierende können nach einem diagnostischen Assessment ein (mehr oder weniger) differenziertes Feedback zu bereits vorhandenen Kenntnissen und Kompetenzen bzw. zu ggf. vorhandenen Defiziten erhalten. 

Darüber hinaus ergeben sich weitere Vorteile diagnostischer Prüfungen und Tests abhängig davon, ob sie selektiv sind (also der Zulassung dienen) oder ob sie der (Selbst-)Einschätzung dienen. 

Die Vorteile selektiver diagnostischer Prüfungen liegen darin, dass eher sichergestellt werden kann, dass bei den Lernenden die erforderlichen Voraussetzungen vorhanden sind, um einen Studiengang oder einen Kurs absolvieren zu können. Werden Kurse auf unterschiedlichen Leistungsniveaus angeboten, ermöglichen Einstufungstests eine genauere Zuordnung zu einem jeweils passenden Kursangebot auf Basis einer individuellen Passung.  

Unbenotete diagnostische Tests zur (Selbst-)Einschätzung bieten Studierenden und Lehrende unterschiedliche Vorteile. 

Für Studierende: 

  • Diagnostische Prüfungen und Tests zur Selbsteinschätzung geben Lernenden Orientierung über den eigenen Wissensstand.
  • Auf Basis diagnostischer Prüfungen und Tests können Studierende für sie passende Lernhinweise und Zusatzinformationen erhalten.
  • Auf Basis diagnostischer Prüfungen und Tests kann bereits vorhandenes Wissen von Studierenden berücksichtigt oder (ggf. formell) angerechnet werden.

Für Lehrende:

  • Die Erstellung diagnostischer Assessments hilft Lehrenden, sich die Voraussetzungen der jeweiligen Veranstaltung bewusst zu machen.
  • Durch einen Vergleich des diagnostischen Assessments mit der Abschlussprüfung erhalten Lehrende einen Vorher-Nachher-Vergleich bzw. Informationen zum tatsächlichen Learning Outcome der Studierenden.
  • Die Ergebnisse diagnostischer Prüfungen und Tests geben Lehrenden verschiedene Ansatzpunkte, um ihre Veranstaltungen zu verbessern bzw. Lernende zu unterstützen. Sie informieren sowohl über vorhandene Kompetenzen als auch über die Heterogenität des Lernstands der Teilnehmenden.
  • Anhand der Ergebnisse diagnostischer Prüfungen und Tests können Lerngruppen so zusammengestellt werden, dass die Heterogenität der Lernenden mit ihren individuellen Stärken produktiv genutzt werden kann.
  • Diagnostische Prüfungen und Tests zur Selbsteinschätzung ermöglichen ergebnisabhängige Schwerpunktsetzungen in der entsprechenden Veranstaltung und ein passgenaueres Angebot von Tutorien und Selbstlernmaterialien.

Nachteile

  • Die Erstellung diagnostischer Assessments kann für Lehrende aufwändig sein.
  • Für Studierende kann die Notwendigkeit, ein diagnostisches Assessment absolvieren zu müssen, abschreckend wirken.
  • Im Gegensatz zu summativen Prüfungen, bei denen typischerweise die sachliche bzw. kriterienorientierte Bezugsnorm herangezogen wird, werden bei diagnostischen Prüfungen und Tests, die der Selektion bzw. Zulassung dienen, die Leistungen in der Regel nach der Sozialnorm bewertet. D. h. es geht in erster Linie nicht darum, wie gut jemand das Lernziel erreicht hat, sondern vielmehr um die Leistung des Einzelnen im Vergleich zur Gesamtgruppe und zum Leistungsdurchschnitt. So kann bspw. eine Rangfolge von allen Teilnehmenden erstellt werden und nur die Besten werden zugelassen, obwohl auch andere die Voraussetzungen erfüllt hätten.
  • Eine umfangreiche Analyse der erhobenen Daten aus diagnostischen Prüfungen und Tests mit Hilfe von Learning-Analytics-Verfahren wird möglicherweise (bundesländerspezifisch) durch entsprechende Datenschutzregelungen eingeschränkt. 

Beispiele

  • An der Universität Freiburg müssen Studienplatzbewerberinnen und -bewerber für einen anglistischen Studiengang ein mehrstufiges Verfahren inklusive Aufnahmeprüfung absolvieren. Über das Zulassungsverfahren informiert die Universität Freiburg auf ihrer Webseite.
  • MINTFIT Hamburg ist ein Self-Assessment-Angebot der Hamburger Hochschulen und bietet Online-Tests und -Kurse für Schülerinnen und Schüler sowie Studieninteressierte zur Einschätzung der eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten in MINT-Fächern. Die E-Assessment-Sparte von MINFIT verfolgt darüber hinaus zwei weitere Ziele: Die Etablierung des elektronischen Prüfens an den Partnerinstitutionen sowie die Entwicklung und Erprobung eines mobilen Testcenters.
Letzte Änderung: 14.05.2024