Lernbegleitender Test

Formative Tests ermöglichen Studierenden eine lernbegleitende Selbsteinschätzung ihres individuellen Wissensstandes und können so die Metakognition des Lernprozesses unterstützen. Als lern- bzw. lehrbegleitende Tests haben sie im Rahmen des Studiums keine Selektionsfunktion.

Ein Student sitzt zu Hause vor seinem PC. Dabei hält er einen Stift an seine Schläfe und runzelt die Stirn, als würde er gerade überlegen.
Lernbegleitende Tests können Studierende dabei unterstützen, ihren eigenen Lernstand einzuschätzen. (Bild: Africa images via Canva.com)

Merkmale der Prüfungsform

Funktion: (Selbst-)Einschätzung zur Planung weiterer Lehr- und Lernaktivitäten (formativ)
Form und Ergebnis: „Schriftliche“ Darlegung inkl. Antwort-Wahl-Verfahren, praktische Handlung oder fachspezifisches Produkt
Material/Hilfsmittel: keine → eingegrenzt → uneingeschränkt
Ort: in Präsenz/in Distanz (bzw. Remote)
Zeitraum und Gleichzeitigkeit der Bearbeitung: eng-weit, synchron-asynchron

Eine ausführliche Erläuterung der hier genannten Merkmale finden Sie unter Merkmale von Prüfungen und Tests.

Organisation und Technik

Lehr- und lernbegleitende Tests unterliegen je nach Durchführungsform spezifischen technischen und organisatorischen Bedingungen. Die Durchführung kann sowohl zeitlich synchron in die jeweilige Lehreinheit eingebunden werden (z. B. als Classroom-Response-Assessment oder Quiz), als auch zeitlich asynchron vom Unterricht entkoppelt sein (z. B. als formativer Test im LMS). Die Durchführung der Tests kann wiederholbar sein. Da die Tests keine Selektionsfunktion haben, sind die Anforderungen an Organisation und Technik als niedrigschwellig einzustufen. Ein asynchroner Support (in Form von Ticketsystemen oder Foren) ist in der Regel ausreichend.

Lernbegleitende Tests können auch zum Lernen des Umgangs mit dem Prüfungssystem selbst oder mit den formalen Bedingungen einer Prüfung (z. B. Zeitdruck) als technische und organisatorische Vorbereitung zu einer E-Klausur genutzt (bzw. zweckentfremdet) werden. In diesem Szenario ist es sinnvoll, Einstellungen des Tests analog zu denen einer realen Klausur zu verwenden (z. B. bezüglich der erlaubten Zeit bzw. Dauer, Sperroptionen, Verwendung gleicher Prüfungssysteme und Fragetypen).

Prüfungsdidaktik

Prüfungsdidaktisch stehen lernbegleitenden Tests ähnliche Möglichkeiten hinsichtlich der Realisierung zur Verfügung wie im Fall der E-Klausuren allgemein. Darüber hinaus können weitere Möglichkeiten genutzt werden, die aufgrund rechtlicher Einschränkungen von digitalen Prüfungen für lernbegleitende Tests nicht gelten. 

Da lernbegleitende Tests jedoch zum Lernen selbst genutzt werden sollen, sollte der Lernprozess durch ein umfangreiches automatisches und spezifisches Feedback zu einzelnen Antwortoptionen unterstützt werden. Es ist daher empfehlenswert, im Feedback zu den einzelnen Antwortalternativen detaillierte Begründungen zu liefern, warum die Antwort korrekt bzw. falsch ist. Für offene Frageformate (Freitextantworten) können zum gleichen Zweck Musterlösungen angeboten werden. Im allgemeinen Feedback zur Aufgabe (unabhängig von den getätigten Antworten) können Literaturverweise und allgemeine Hinweise zur Lösung abgelegt werden. Da lernbegleitende Tests keine Folgen hinsichtlich der Benotung haben dürfen, können die zu bearbeitenden Aufgaben frei gewählt und mehrfach durchgeführt werden.

Lernbegleitende Tests können bei Freitextantworten oder auch komplexeren zu erstellenden Produkten (z. B. Dateiuploads) in Form von Peer-Reviews unter Studierenden begutachtet werden. Zu beachten ist dabei, dass das unbetreute Anbieten von Peer-Reviews unter Studierenden keine Kontrolle über die Qualität des Feedbacks Studierender beinhaltet und daher der Lernausgang ungewiss ist. Es ist daher zu empfehlen, Aufgaben, die häufig falsch beantwortet wurden, auch in der Lehrveranstaltung (erneut) zu besprechen.

Lernbegleitende Tests können adaptiv gestaltet werden, d. h. der Testverlauf kann je nach Antwortverhalten einzelner Teilnehmender variieren und individuelle Abzweigungen im Test erlauben. Hierdurch entsteht eine individuelle Zusammenstellung der Fragen, die in summativen Tests (wie E-Klausuren) aufgrund des Grundsatzes der Chancengleichheit rechtlich nicht möglich ist.

Um zur Teilnahme an lernbegleitenden Tests zu motivieren, können spielerische Elemente oder Belohnungen in Form von Badges (Auszeichnungen) oder Elemente von Gamification (z. B. anonymisierte Highscores) eingesetzt werden. Zudem kann angekündigt werden, dass die Schwerpunkte einzelner Fragen aus den lernbegleitenden Tests in die Abschlussprüfung einbezogen werden.

Rechtliche Aspekte

Aufgrund des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit sollten keine prüfungsrelevanten Inhalte auf Basis gestarteter oder absolvierter lernbegleitender Tests freigeschaltet werden. Für die Studierenden muss jederzeit klar erkennbar sein, welche ihrer Leistungen in die Bewertung einfließen und welche nicht. Eine klare Trennung ist besonders wichtig, um den positiven Effekt der Selbstüberprüfung (z. B. Lernen durch Scheitern, Wiederholungsmöglichkeit) zu erhalten.

Da formativen Tests lehr- und lernunterstützende Instrumente sind, die keine Selektionsfunktion haben, sind keine prüfungsrechtlichen Aspekte zu berücksichtigen. Wichtig sind beim Einsatz von digitalen Tools für die Lehr- und Lernunterstützung jedoch die Einhaltung der Datenschutzbedingungen. Sofern keine weitergehende Einverständniserklärung der Studierenden vorliegt, dürfen hierfür nur Tools eingesetzt werden, die an den Hochschulen entsprechende IT-Verfahren durchlaufen haben. Diese IT-Verfahren folgen i.d.R. den engen Vorgaben des  IT-Grundschutzes des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik.

Oftmals werden für formative Tests die bereits an den Hochschulen im Einsatz befindlichen LMS (z. B. ILIAS, moodle) oder Test- bzw. Prüfungsplattformen genutzt (z. B. LPLUS, Questionmark Perception, Votingo). Daher ist i.d.R. davon auszugehen, dass es von Seiten der Studierenden keiner zusätzliche Einverständniserklärung bedarf, sofern die Teilnahme an lernbegleitenden Tests freiwillig ist.

Vorteile

  • Lernbegleitende Tests können die Metakognition der Lernenden verbessern.
  • Studierende können mit Hilfe lernbegleitender Tests ihren bisher erreichten Wissens- und Kompetenzstand zu einem Themenbereich identifizieren und darauf aufbauend eigenständig weitere Lernaktivitäten planen.
  • Lernbegleitende Tests können die Selbstwirksamkeitserfahrung der Studierenden im Lernprozess unterstützen und dadurch die Motivation fördern (z. B. Chung, Chen & Olson, 2021; Panadero, Jonsson & Botella, 2017).
  • Eine wiederholte Abfrage des Wissens- und Kompetenzstands in Form von lernbegleitenden Tests bietet positive Effekte auf die sogenannte Long-Term-Retention bei Lernenden („Testing Effect“) (Roediger & Karpicke, 2006), da das langfristige Erinnern von gelernten Inhalten verbessert wird.
  • Lehrende können mithilfe formativer Tests den bisher erreichten Wissens- und Kompetenzstand ihrer Studierenden identifizieren und auf dieser Basis weitere Lernaktivitäten in ihre Lehrveranstaltung einplanen sowie Studierenden gezielte Lernempfehlungen geben. 

Nachteile

  • Der Einsatz lehr- und lernbegleitender Tests kann für Lehrende, abhängig von der jeweiligen technischen Umsetzung, einen hohen zeitlichen Aufwand mit sich bringen. 
  • Für die Erstellung und insbesondere die Auswertung lehr- und lernbegleitender Tests stehen Lehrenden oftmals nur begrenzte zeitliche Ressourcen zur Verfügung. Deshalb werden häufig ausschließlich oder überwiegend geschlossene Aufgabenformate (z. B. Antwort Wahl-Verfahren bzw. Multiple-Choice eingesetzt, um durch die weitestgehend automatische Auswertung den Bewertungsaufwand gering zu halten. Beim Einsatz von offenen Frageformaten ist eine Automatisierung hingegen nicht im gleichen Maße möglich.
  • Sind die Ziele und der inhaltliche Rahmen der lernbegleitenden Tests nicht klar kommuniziert, können sie die weitere Auseinandersetzung mit den Inhalten ggf. verhindern, wenn sich Studierende in falscher Sicherheit wiegen („Ich habe alles Notwendige für die Klausur gelernt“).
  • Bei lernbegleitenden Tests mit geschlossenen Aufgabenformate besteht die Gefahr, dass sich Lernende nicht den Inhalten widmen, sondern den gemerkten Antwortoptionen. Bei durchschaubarer Konstruktion der Tests, d. h. bei gleichbleibender Reihenfolge der Aufgaben und Items, bei direkter Bekanntgabe der korrekten Antwort und bei Wiederholung des Versuchs unter Beibehaltung der alten Antwortoptionen, können Studierende dazu verführt werden, zeitökonomisch zu agieren und nur die korrekten Lernoptionen („Frage 1, Antwort C ist korrekt.“) zu lernen.
  • Werden lernbegleitende Tests mit Hilfe von Peer-Feedback unter Studierenden ohne die Begleitung durch Lehrende begutachtet, birgt dies die Gefahr eines unkontrollierten Lernausgangs.

Beispiele

  • In der Lehramtsausbildung an der Universität Bremen kommen Reflexionsportfolios in Verbindung mit dem E-Learning-Tool DoIT zum Einsatz. Über DoIT bekommen Studierende über das LMS StudIP Aufgaben gestellt, die sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt bearbeiten müssen. Nach der Einreichung der bearbeiteten Aufgabe erhalten die Studierenden wiederum ein Feedback der Lehrenden oder von anderen Studierenden (Peer-Review). 
  • An der FernUniversität in Hagen werden im Programm studyFIT Selbsttests in Moodle eingesetzt, um die eigene Studierfähigkeit einzuschätzen und zu verbessern.
Letzte Änderung: 14.05.2024