Hochschuldidaktik

Gegenstand der Hochschuldidaktik sind alle Aspekte des Lehrens und Lernens an Universitäten und Hochschulen, also die Rahmenbedingungen für gute Lehre. Dies betrifft die Planung und Durchführung von Lehrveranstaltungen und die Begleitung von Lernprozessen ebenso wie die kritische Auseinandersetzung mit Inhalten, Curricula und Studiengängen. Der Einsatz von (digitalen) Medien und (teil-)virtualisierten Szenarien sind dabei nur Teilaspekte unter vielen anderen.

Ziele und Inhaltsbereiche der Hochschuldidaktik

Ziel der Hochschuldidaktik ist es, einen Beitrag zur Professionalisierung der akademischen Lehre und zur Effizienzsteigerung des Studierens zu leisten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Hochschuldidaktik wissenschaftliche Selbstreflexion der akademischen Ausbildung und wissenschaftlich fundierte Studienreform. Dabei wird nicht die Schulpädagogik auf Hochschulen übertragen, vielmehr ist die Hochschuldidaktik "auf Wissenschaftstheorie, -geschichte, -soziologie angewiesen. Hochschuldidaktik ist von Wissenschaftsforschung und Wissenschaftsdidaktik nicht zu trennen" (Huber, 1995, S. 114). Es geht also sowohl um Hochschul- und Lehr-Lernforschung als auch darum, deren Ergebnisse praxisbezogen aufzubereiten, um sie in hochschuldidaktischen Qualifizierungsmaßnahmen weiterzugeben und in der Lehre umzusetzen.

Im Blick auf die Gestaltung der Hochschullehre hat es in den vergangenen Jahren einen Perspektivwechsel gegeben: Das „Postulat der ‚Bildung (nur) durch Wissenschaft’“ (Huber, 2001, S. 1043), mit dem traditionell die Konzentration auf die Vermittlung von Inhalten und eine dozentenzentrierte Lehre verbunden sind, wird abgelöst durch eine „Ermöglichungsdidaktik“. In deren Fokus steht eine Lehre, die sich auf die Lernprozesse richtet, das Lernen fördert und sich auf die Lernergebnisse konzentriert. Mit diesem „Shift from Teaching to Learning“ (Welbers & Gaus, 2005) ist zugleich eine Erweiterung der Rolle der Lehrenden um die Bereiche Moderation, Begleitung und Unterstützung von Lernprozessen verbunden (Brendel et al., 2005). Entsprechend befassen sich hochschuldidaktische Weiterbildungen sowohl mit traditionellen Themen – etwa „Grundlagen des Lehrens und Lernens“, „Prüfen“ oder „Massenveranstaltungen“ – als auch mit Bereichen wie „Beraten“, „Lerncoaching“, „Innovieren von Studiengängen“ oder „Aktives und kollaboratives Lernen“ (Jahnke & Wildt, 2011).

Fachübergreifende und fachbezogene Hochschuldidaktik

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung um die Qualität der Lehre steht zurzeit die Reform einzelner Studiengänge. Unterschiedliche Wissenschaftsinstitutionen empfehlen, dabei von Fächern und Studiengänge auszugehen (z.B. in einer Entschließung der HRK 2008 und einer Empfehlung des Wissenschaftsrats 2008). In diesem Zusammenhang wird vermehrt der Ruf nach einer fachbezogeneren Hochschuldidaktik laut. Inwiefern können fachübergreifende und fachbezogene Hochschuldidaktik miteinander kombiniert werden und voneinander profitieren? Einen Ansatzpunkt bietet hier die Möglichkeit, als Bildungsauftrag der Hochschulbildung die Vermittlung von Kompetenzen in drei grundlegenden Bereichen zu verstehen (vgl. zu den folgenden Ausführungen in diesem Abschnitt  Öchsner & Reiber 2010):

  • Fachbezogene Kompetenzen umfassen alle Themenbereiche, die aus dem Fach als wissenschaftlicher Disziplin abgeleitet werden können. Dies bezieht sich nicht nur auf Inhalte, Fertigkeiten und Einstellungen, sondern auch auf Methoden der Disziplin, die Fähigkeit, Forschungsergebnisse beurteilen zu können u.a.m. 
  • Gesellschaftsrelevante Kompetenzen enthalten z.B. die Fähigkeit, ethische Urteile fällen zu können, die Bereitschaft, Verantwortung für das eigene fachliche Handeln zu übernehmen sowie die Fähigkeit, sich zu aktuellen, sozialen Fragen eine fachlich fundierte eigene Meinung bilden zu können.
  • Berufsorientierte Kompetenzen haben insbesondere im Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess an Bedeutung gewonnen. Danach muss jeder Studiengang nachweisen, inwiefern er für ein bestimmtes Berufsfeld qualifiziert (employability).

Im Zusammenspiel dieser drei Kompetenzfelder kann das Arbeitsfeld der fachübergreifenden Hochschuldidaktik eher zwischen gesellschaftsrelevanten und berufsorientierten Kompetenzen verortet werden, das Feld der fachbezogenen Hochschuldidaktik eher zwischen den fachbezogenen und berufsorientierte Kompetenzen. Fachbezogene Hochschuldidaktik kann außerdem bei der Förderung von Schlüsselkompetenzen der Studierenden von der allgemeinen Hochschuldidaktik profitieren.

Außerdem können durch eine verbesserte Zusammenarbeit Synergien zwischen fachbezogener und fachübergreifender Hochschuldidaktik entstehen. Als Beispiel dafür sei die Medizindidaktik genannt: Aufgrund spezieller mit dem Fach Medizin verbundener Anforderungen (Unterricht am Krankenbett u.a.m.) haben sich hier spezifische Ansätze zur Vermittlung berufsorientierter Kompetenzen herausgebildet, etwa ein konsequent verfolgter Ansatz des Problembasierten Lernens. Solche zunächst fachspezifischen Modelle könnten auch für die fachübergreifende Hochschuldidaktik Anregungen bieten. Umgekehrt können einzelne Fächer auch von fachfremden Hinweisen profitieren, z.B. in Bezug auf die Studierbarkeit und Lernlogik eines Curriculums.

Hochschuldidaktik und E-Learning

Auch der Einsatz digitaler Medien führt zu einer Änderung der Lehr- und Lernkultur an Hochschulen: Die an Hochschulen traditionell schriftlichen Lernmedien, die zugleich den besonderen Bezug zur Wissenschaftskultur herstellten, werden zunehmend durch multimediale und interaktive Lernmedien ergänzt, z.B. CBTs und WBTs oder Podcasts. Auch für Prüfungen und Leistungsnachweise können unterschiedliche Formen des E-Assessment einsetzt werden. Ebenso führt die Nutzung von Web 2.0-Werkzeugen wie Wikis und Weblogs zu Veränderungen, etwa zu einer stärkeren Beteiligung der Studierenden, zu kollektiven Schreibprozessen und teilweise zu einer Ausweitung des Kreises der Beteiligten über die Grenzen einer Veranstaltung oder sogar der Hochschule hinaus (Gaiser & Thillosen, 2009). Aus hochschuldidaktischer Perspektive entstehen damit z.B. Fragen nach der Aufbereitung der eingesetzten Medien oder nach der damit einhergehenden erhöhten Bedeutung selbstorganisierten Lernens, nach dem Verhältnis der beteiligten Personen untereinander - z.B. Studierende, Lehrende und Außenstehende - sowie der Gestaltung entsprechender Lernszenarien. (Beispiele dafür finden sich in der Rubriken Vorlesung und Prüfung im Portalbereich Lehrszenarien).  

Entwicklung der Hochschuldiaktik in Deutschland

 

Im internationalen Vergleich wurde die Hochschuldidaktik in der Bundesrepublik Deutschland erst spät thematisiert. In der BRD entstanden in den 1970er Jahren erste hochschuldidaktische Einrichtungen, deren Angebote jedoch zunächst nur zögernd genutzt und umgesetzt wurden. In der DDR gab es dagegen flächendeckend sog. hochschulpädagogische Weiterbildungsangebote, die jedoch nach der Wende verschwanden. Auftrieb erhielt die Hochschuldidaktik seit den 1990er Jahren durch das Thema E-Learning und im Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess. Einen Überblick über die Entwicklung in Deutschland bis zum Jahr 2004 gibt der Artikel Hochschuldidaktische Weiterbildungs- und Beratungsangebote von Santina Battaglia.

Derzeit wird versucht, durch verschiedene Ausschreibungen und Fördermaßnahmen den Stellenwert der Hochschullehre zu steigern und Anreize für ein verstärktes Engagement zur Verbesserung der Lehrqualität zu schaffen. Dazu gehören z.B. der seit 2006 vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gemeinsam mit der HRK vergebene Ars legendi-Preis für exzellente Hochschullehre und der seit 2010 vergebene Ars legendi-Fakultätenpreis für exzellente Lehre. Im Rahmen des  Wettbewerbs Exzellenz in der Lehre, der vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und der Kultusministerkonferenz initiiert wurde, werden von 2009 bis 2012 zehn Hochschulen mit über 10 Mio. Euro gefördert. Schließlich stellt auch das BMBF mit dem Qualitätspakt Lehre in den Jahren 2011 bis 2020 Fördermittel von 2 Milliarden Euro zur Verbesserung der Lehrqualität zur Verfügung.

Weitere Informationen:

  • Begleitend zum Themenspecial „E-Teaching - fachspezifische Unterschiede“ (Juni-September 2011) wurde eine Online-Umfrage durchgeführt. Die Ergebnisse der Erhebung sind in einem Langtext von Simone Haug, Lisa Oberschelp und Alexandra Schmid dargestellt. „Die Bedeutung von Fachspezifik in E-Learning-Support & Praxis“ beleuchtet ein weiterer Langtext von Simone Haug. Es wird danach gefragt, inwiefern sich Lehransätze verschiedener Fachbereiche unterscheiden. Im zweiten Teil geht es um fachspezifische Ansätze und Anforderungen für Support und Schulung. Die Basis bilden u.a Experteninterviews mit Verantwortlichen in E-Learning-Einrichtungen.
  • Eine umfangreiche Liste mit Links zu hochschuldidaktischen Beratungsangeboten findet sich auf der Seite Hochschuldidaktik des Deutschen Bildungsservers. Sie reicht von den hochschuldidaktischen Zentren einzelner Hochschulen über bundesländerspezifische Weiterbildungsmöglichkeiten bis zu Angeboten der HRK. 
  • Die Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd) - bis 2010 Arbeitsgemeinschaft für Hochschuldidaktik (AHD) - ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft der Hochschuldidaktikerinnen und Hochschuldidaktiker in Deutschland. Der Verband befasst sich mit hochschuldidaktischer Forschung und Entwicklung und veranstaltet regelmäßige Tagungen. Auf der Webseite finden sich außerdem umfangreiche Hinweise auf Lehrideen, Linklisten und Literaturhinweise.
  • Die Österreichische Gesellschaft für Hochschuldidaktik (ÖGHD) ist ein wissenschaftlicher Verein. Sein Aufgabengebiet umfasst u.a. hochschuldidaktische Forschung und Entwicklung sowie umfangreiche Services und Beratungsangebote.
  • Die ZFHE - Zeitschrift für Hochschulentwicklung erscheint seit 2006 online und gehört zu den traditionsreichsten Publikationen zum Themenfeld der universitären Bildung im deutschsprachigen Raum. In den Ausgaben Jg.5/Nr.2 und Jg.5/Nr.3 befasst sie sich explizit mit dem Thema "Fachbezogene und fachübergreifende Hochschuldidaktik".
  • Eine Zusammenstellung hochschul- und mediendidaktischer Weiterbildungsangebote vom Masterstudiengang über Schulungsreihen mit Zertifikat oder einzelne Kurse finden Sie auf unserer Übersichtseite Qualifizierungsangebote sowie in der Zusammenstellung im Terminkalender von e-teaching.org. 
  • Unter dem Titel  "Fachbezogene und fachübergreifende Hochschuldidaktik" (Jahnke & Wildt, 2011) ist ein Sammelband erschienen, der überwiegend Beiträge der Jahrestagung 2010 der Gesellschaft für Hochschuldidaktik enthält. Die Artikel des dritten Teils des Buches setzen sich mit verschiedenen Aspekten des dem Themas "Kreativität & E-Learning" auseinander. Zur Rezension in den e-teaching.org-Lesetipps.
Letzte Änderung: 25.04.2023