Learning Analytics

Als „Learning Analytics” wird die Interpretation verschiedenster Daten bezeichnet, „die von Studierenden produziert oder für sie erhoben werden, um Lernfortschritte zu messen, zukünftige Leistungen vorauszuberechnen und potenzielle Problembereiche aufzudecken” (Horizon Report 2012). Der Zugriff auf die Daten wird möglich, da Lernangebote und -prozesse in vielen Fällen mittels elektronischer Systeme unterstützt werden und dabei Daten über das Nutzungsverhalten erhoben werden können. Ziel ist es, mit Hilfe der Auswertung der Daten die Studierenden besser in ihrem Lernprozess zu unterstützen und letztendlich den Lehr-Lernprozess und Lehr-Lernerfolg insgesamt zu verbessern.

Rahmenbedingungen

Studierende besuchen Hochschulen mit dem Ziel, in einem oder mehreren Fachbereichen Wissen zu erlangen und am Schluss des Lernprozesses ein Studium mit einem erfolgreichen Abschluss zu beenden. Jedoch sind nicht alle Studierenden im Studium erfolgreich. Das liegt an unterschiedlichen Faktoren. Für die Hochschulen stellt sich die Frage, wie die Studierenden im Studienverlauf besser unterstützt werden können. Die Generierung von Daten zu Lernprozessen und zum Studienverlauf und deren Auswertung und die Rückspiegelung der Ergebnisse an die Studierenden stellt hier einen neuen Ansatz dar, der unter dem Namen „Learning Analytics“ diskutiert wird.

Lösung

Viele Prozesse, die das Studium betreffen (Organisation, Lehre usw.) werden inzwischen durch Informationstechnologien unterstützt. Dabei entstehen viele Datenströme, die das Studium und den Lernprozess des einzelnen Studierenden betreffen. Ziel des Ansatzes „Learning Analytics “ ist es, bewusst die Daten verschiedener Quellen (u.a. von Verwaltungssystemen, Lernmanagementsystemen, Online-Quellen) zu aggregieren und sinnvoll aufeinander bezogen auszuwerten. Anhand dessen soll es möglich werden, die Bedürfnisse der einzelnen Lernenden besser zu erkennen und den individuellen Lernprozess besser unterstützen zu können. Dies soll zum Beispiel dazu beitragen, Studienabbrüche abzuwenden. Durch eine regelmäßige Auswertung der Daten soll es außerdem möglich werden, unmittelbar zu reagieren und Unterstützungsangebote zu machen.

Details

Unter „Learning Analytics” wird das Erheben, Aggregieren, Analysieren und Auswerten (reporting) von Daten über Lernende und ihren Lernkontext verstanden. Herangezogen werden Daten, die in den Hochschulen vorhanden sind und die sich maschinell auswerten lassen. Motiviert wird diese Form der Datenanalyse durch technische, pädagogische, politische und ökonomische Überlegungen. Durch die Auswertung von Daten soll die Wirksamkeit von Maßnahmen und Methoden im Voraus eingeschätzt werden können. Auf diese Weise soll es möglich werden, den Lernprozess besser zu verstehen sowie das Lernen und den Lernkontext zu optimieren. Ziel ist eine personalisierte Unterstützung des einzelnen Lernenden, indem die Ergebnisse der Auswertung zurückgespiegelt werden und der Lernende somit mehr über sein eigenes Lernverhalten erfährt. Was die Datenerhebung leisten kann, hängt natürlich erheblich von den eingesetzten Werkzeugen und Analysemethoden ab, die stetig weiterentwickelt werden.

Seit Anfang des 21. Jahrhunderts wächst das Interesse am Thema Educational Data Mining. „Educational Data Mining […]  is concerned with developing methods for exploring the unique types of data that come from educational settings, and using those methods to better understand students, and the settings which they learn in“ (www.educationaldatamining.org). Neben der Datengenerierung lag der Fokus schon immer auf der Auswertung der Daten und damit auf der Verbesserung des Lernprozesses. Der Begriff „Learning Analytics“ stand zu Beginn allerdings eng im Zusammenhang mit Business Intelligence und der Leistungsfähigkeit von E-Learning-Angeboten (Mitchell & Costello, 2000). Eine soziale und pädagogische Perspektive auf die Datenanalyse entwickelte sich erst mit der Zeit. Im Zuge dessen wurden u.a. Werkzeuge zur sozialen Netzwerkanalyse integriert, um Aufschluss über die Verbindungen zwischen Lernenden, Betreuenden und den Lernressourcen zu erhalten (De Laat, Lally, Lipponen & Simons, 2007). Politische Faktoren (z.B. die Motivation, die Quote der Absolventen zu erhöhen) und ökonomische Faktoren (z.B. die Motivation, Lernprozesse effektiver zu gestalten) spielten immer wieder noch vor den pädagogischen Faktoren eine entscheidende Rolle. „Social Learning Analytics“ fokussieren dagegen die Lerntheorie und das Lernen in einer partizipativen Online-Kultur. Herangezogen werden Ergebnisse aus Diskurs- und Inhaltsanalysen, aber auch von Datenströmen, die etwas über soziale Aspekte aussagen, z.B. Geodaten. 2008 fand die erste Konferenz zum Thema Learning Analytics in Montreal statt. Termine und Themen der Konferenzen sind auf der Website  http://www.educationaldatamining.org/ zusammengestellt.

Stolpersteine

  • Die Frage des Datenschutzes muss diskutiert werden – nicht zuletzt mit den Studierenden. Welche Daten müssen erfasst werden? Welche Datenerfassung ist überflüssig? Welche Daten besitzen pädagogische Relevanz?
  • Fraglich ist, wie sich eine unmittelbare Reaktion auf Daten im Lehr-/Lernprozess realisieren lässt.
  • Im individuellen Lernprozess spielen so viele unterschiedlichen Faktoren einer Rolle, dass es unmöglich erscheint, aus automatisch generierten Daten und einer automatischen Datenauswertung die optimalen Maßnahmen für einen Lernenden abzuleiten.
  • Bisher liegt der Hauptfokus des „Learning Analytics“-Ansatzes auf der Methodik der Datenerfassung und -auswertung, und weniger auf Ansätzen der Anwendung im realen Hochschulkontext.
  • Die Datenerfassung setzt voraus, dass die verwendeten Werkzeuge zentral vorgegeben sind.  Allerdings nutzen Studierende vermehrt auch webbasierte Werkzeuge oder Apps, für die sie sich individuell entscheiden. Dann gestaltet sich auch die Datenerfassung rund um den Lernprozess schwierig.

Vorteile

  • Mit Hilfe der Daten können Erfolgsfaktoren im Studium identifiziert und z.B. Curricula dementsprechend angepasst  werden
  • Das System kann als „Lern-Coach“ fungieren und Studierenden regelmäßig Rückmeldung über Lernaktivitäten geben.

Nachteile

  • Es müssen aus den immer größer werdenden Datenmengen die relevanten Datensets identifiziert werden.
  • Im Feld der „Learning Analytics“ gibt es drei verschiedene Interessengruppen mit unterschiedlichen Motivationen. Es geht (1) um technische Fragen der Datenanalyse, (2) die Optimierung des Lehr-/Lernprozesses mittels Datenanalyse und (3) die Verbesserung der Lernumstände und Ergebnisse auf politischer Ebene (national und international). Diese zu vereinen scheint schwierig zu sein.
  • Die Einbeziehung von Daten bei der Unterrichtsgestaltung bedeutet für Lehrende einen Mehraufwand.
  • Die Auffassung darüber, was einen erfolgreichen Studienverlauf auszeichnet, kann zwischen Studierenden und Hochschulen divergieren. Manchen Studierenden sind evtl. vielfältige Erfahrungen wichtiger als ein schnell durchlaufendes Studium.

Werkzeuge

Beispiele:

  • Die Hochschule der Medien (HdM) analysiert anhand der Software S-BEAT (Studierenden Beratungs- und Analyse Tool) soziographische Daten und Prüfungsleistungen von Studierenden und ermittelt das Risiko eines Studienabbruchs. Im Rahmen des Projekts Learning Analytics für Prüfungsleistungen und Studienerfolg (LAPS) soll durch den Einsatz der Software die Beratung von Studierenden unterstützt werden. In einem Erfahrungsbericht stellt sich das Projekt vor.
  • Die DHBW Mannheim und die Universität Mannheim konzipieren im Projekt My Learning Analytics (MyLA) eine App, mit der mobile Learning Analytics Daten gesammelt und zur Optimierung von Lern - und Lehrprozessen insbesondere im dualen Hochschulstudium eingesetzt werden. Ein Interview sowie ein Screencast geben Einblick in das Projekt und die MyLA-App.
  • Die Universität Michigan verwendet das System ECoach. Dieses nutzt Informationen über den Hintergrund der Studierenden, deren Motivation und aktuelle Aktivitäten. Ziel ist es den Studierenden Feedback und Unterstützung bieten zu können.

Weitere Informationen:

  • Meinungsbeiträge zum Thema „Learning Analytics” finden Sie auch in der e-teaching-Rubrik Meinung.
  • Learning Analytics ist ein Thema des OPCO12 zum Thema "Trends im E-Teaching - der Horizon Report unter der Lupe".
  • Die Situation von Learning Analytics beschreibt der Bericht "The State of Learning Analytics in 2012: A Review and Future Challenges", der von Rebecca Ferguson vom Knowledge Media Institute der Open University veröffentlicht wurde. Die Basis des Reports bilden Einreichungen zur Konferenz "Learning Analytics and Knowledge 2012". Betrachtet wird die Entwicklung des Themas und des Stellenwerts von technischen und didaktischen Aspekten.
  • Simon Buckingham Shum arbeitet ebenso am Knowledge Media Institute der Open University und ist im Programm-Komitee der International Conference on Learning Analytics & Knowledge. In einer Präsentation, die er auch vertont hat, zeigt er sehr anschaulich und mit vielen Beispielen, was Learning Analytics heute bedeuten kann. Er hat zudem für das UNESCO Institute for Information Technologies in Education ein Papier zum Thema „Learning Analytics”  (November 2012) verfasst, in dem der Kontext und die Ebenen von Learning Analytics sowie wichtige Disziplinen und Beispiele beschrieben werden. Er benennt die aktuellen Debatten zum Thema die u.a. ethische Fragen der Datenverwertung betreffen und benennt Herausforderungen.
  • 2011 gründete sich die Society for Learning Analytics Research (SoLAR)
  • George Siemens behandelt in einem Artikel von 2010 die Frage „What are Learning Analytics?”. 2011 wurde ein Interview mit ihm zum Thema Data Analytics veröffentlicht.
  • Im Zeitraum von 2011 bis 2012 fand ein Open Online Course zum Thema Learning Analytics statt.
  • EDUCAUSE hat im April 2011 ein Papier zum Thema Learning Analytics veröffentlicht, das die wichtigsten Aspekte kompakt darstellt. 

 

Letzte Änderung: 20.03.2018