Videographie als Teil der Professionalisierung von Lehrenden im Studiengang Ingenieurpädagogik

Studierende lernen anhand von Unterrichtsvideographie die vielfältigen Herausforderungen beim Unterrichten zu analysieren, zu reflektieren und das eigene Professionshandeln zu entwickeln.

Hauptbild des Beitrags

Studierende führen eigene Unterrichtsversuche durch, um sich als (potentiell) angehende Lehrkräfte auszuprobieren. Dabei erleben sie in einem realitätsnahen Szenario, wie es ist, eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern zu unterrichten. (Fotograf: Thomas Köhn)

Eckdaten

Kann Lösungsansätze für folgende Problemstellungen der Lehre bieten:

  • Geringe Lernmotivation
  • Passivität der Studierenden
  • Geringe Selbstregulationsfähigkeit der Studierenden
  • Geringer Transfer in die Praxis

Eignet sich für folgende Virtualisierungsgrade:

  • Anreicherung

Nutzt folgende Medieneigenschaften zur Unterstützung des Lernprozesses:

Interaktivität: 4 (trifft eher zu)
Adaptivität: 1 (trifft überhaupt nicht zu)
Synchronizität: 3 (trifft zu)
Selbststeuerung: 4 (trifft eher zu)

Die Lehrveranstaltung „Professionalisierung von Lehrenden“ im Studiengang Ingenieurpädagogik kombiniert theoretische Grundlagen der Kommunikation, Interaktion und Heterogenität der Schülerschaft mit einem Praktikum zur Unterrichtsvideographie. Während des Praktikums wechseln sich die Unterrichtsdurchführung (Videographie) und die Analysephase (inkl. Peer-Feedback) ab (jeweils zwei Durchgänge).

Die Studierenden entwickeln 20-minütige Unterrichtseinheiten und führen diese als Lehrkraft/Team durch. Die anderen Studierenden nehmen zeitgleich heterogene Schülerrollen ein und initiieren immer wieder Störungen (Konflikte), so dass eine realitätsnahe Unterrichtssituation entsteht, die es den Studierenden  – im Sinne einer Fehlerkultur – ermöglicht, zu experimentieren, ohne ernsthafte Konsequenzen im Falle des Scheiterns befürchten zu müssen. 

Die Prüfungsleistungen der Lehrveranstaltung bestehen neben einer schriftlichen Prüfung (Theorieteil) aus einer praktischen Prüfungsleistung, bei der das Peer-Feedback an eine Kommilitonin/einen Kommilitonen sowie die eigene Selbstreflexion bewertet werden. Dies soll die Diagnosefähigkeit (objektiv, evidenzbasiert), die Fähigkeiten als Lernbegleiter/in bwz. Feedbackgeber/in sowie die eigene Selbstreflexionskompetenz stärken. Um die Diagnosefähigkeit und die Fähigkeit als Feedbackgeber/in im Verlauf der Lehrveranstaltung zu entwickeln, erhalten die Feedbackgeber/innen im Sinne eines formativen Assessments Rückmeldung über die Qualität der Videoanalyse (Peer-Feedback 1. Durchgang) von der/dem Dozierenden.

Eine Gruppe von Studierenden sitzen am Tisch und diskutieren vor einem größeren Bildschirm, auf dem verschiedene Aufzeichnungen von Lehr-Szenarien zu sehen sind..
Die Studierenden arbeiten bei der Analyse der aufgezeichneten Unterrichtsversuche in Gruppen zusammen. Dafür steht ihnen hochmoderne Technik zur Verfügung. (Fotograf: Thomas Köhn)

Für die Lehrveranstaltung steht ein hochmodernes Videographielabor („Future Skills Lab“) mit vier Kameras, drei Beamern, einem Deckenmikrofon, drei mobilen Tischmikros, fünf Samsung-Flips sowie eine „Steuerungszentrale“ mit vier Workstations für die Aufnahme sowie spätere Analyse der Videos zur Verfügung. Mit Hilfe eines geschlossenen Datennetzes wird dem Aspekt des Datenschutzes begegnet. 

Medieneigenschaften zur Unterstützung des Lernprozesses

Interaktivität: 4 (trifft eher zu)

Während der Videographiephase nutzen Studierende interaktive Präsentations- und Kommunikationstechnologien in ihren Unterrichtsversuchen. In der Analysephase nutzen die Studierenden eine Video-Software, um detailliert zu analysieren. Dabei können sie Zeitmarken setzen, einzelne Szenen markieren und kommentieren sowie dabei unterschiedliche Perspektiven berücksichtigen.

Synchronizität: 3 (trifft zu)

In der Videographiephase ermöglichen verschiedene Präsentations- und Kommunikationstechnologien interaktive synchrone Kommunikation (z. B. Collaboard). Während der Analysephase arbeiten die Studierenden (mindestens) zu zweit gleichzeitig an der Analyse der aufgezeichneten Videos. Aufgrund des geschlossenen Datennetzes treffen sich die Studierenden stets in Präsenz.

Selbststeuerung: 4 (trifft eher zu)

Die aufgezeichneten Unterrichtsvideos ermöglichen es den Studierenden während der Analysephase, die Analyse in ihrem eigenen Tempo vorzunehmen. Sie können die Videos pausieren, zurückspulen oder wiederholen, um sicherzustellen, dass sie den Inhalt richtig verstehen bzw. interpretieren. Dies ermutigt sie, eigenständig zu lernen und sich intensiv mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Der Lerneffekt im Vergleich zu einer traditionellen „Hospitation“ erweitert die Wahrnehmung der Herausforderungen enorm.

Lösungsansätze für Problemstellungen der Lehre

Für die folgenden Problemstellungen kann das Praxisbeispiel Lösungsansätze bieten:

  • Geringe Lernmotivation:
    Die Prüfungsleistung der praktischen Prüfung ist das Feedback (Diagnosefähigkeit und Feedbackkompetenz); es wird nicht der Unterrichtsversuch bewertet. Dies soll die Hemmschwelle nehmen beim Unterrichtsversuch zu scheitern (scheitern ist explizit erwünscht) und dazu motivieren, sich auszuprobieren, egal auf welchem Stand man sich befindet. Der Diagnose- und Feedbackprozess wird wiederum im Sinne des formativen Assessments rückgekoppelt. Dies soll motivieren, sich weiterzuentwickeln und aus den Schwächen zu lernen.
  • Passivität der Studierenden:
    Sowohl in der Videographie- als auch in der Analysephase sind immer alle Studierenden eingebunden und aktiv. In der Videographiephase sind sie beispielsweise in der Rolle als Lehrkraft oder Schülerin bzw. Schüler aktiv und in der Analysephase als Feedbackgeber oder -geberin (i.d.R. in Zweierteams).
  • Geringe Selbstregulationsfähigkeit der Studierenden:
    Klare Struktur der Veranstaltung und Deadlines geben den Studierenden Struktur. Teilziele müssen selbst gesetzt werden. Feedback der/des Dozierenden hilft die eigene Wahrnehmung über Stärken und Schwächen abzugleichen. Die Selbstreflexion des Gelernten ist Teil der Prüfungsleistung.
  • Geringer Transfer in die Praxis:
    Durch die Aufzeichnung realitätsnaher Unterrichtssituationen können Studierende eine realitätsnahe Lehrumgebung erleben, die über das klassische Lehrbuchwissen hinausgeht. So findet ein Transfer in die Praxis bereits in der Lehrveranstaltung statt und wird anschließend reflektiert.

Virtualisierungsgrad

Der Virtualisierungsgrad beschreibt das Verhältnis zwischen Präsenz- und virtuellen Phasen. Das Praxisbeispiel unterstützt die folgenden Virtualisierungsgrade:

  • Anreicherung

Ressourcen

Soft- und Hardware

  • Software: VideoSyncPro Studio von Mangold, Hardware: 4 Desktoprechner, 4 festverbaute 360°-Kameras, 3 Beamer, 4 Samsung-Flips, 1 festintegriertes Deckenmikrofon , 3 mobile Tischmikrofone

Weitere Informationen zum Praxisbeispiel

Kontakt

Sie möchten mehr über das Praxisbeispiel erfahren? Hier können Sie Kontakt zu den Autorinnen und Autoren aufnehmen:

Prof. Dr. Sandra Bley
Technische Hochschule Rosenheim
Studiengang: Ingenieurpädagogik; Fachrichtung: Bautechnik
Hochschulstraße 1
83024 Rosenheim
Mail: sandra.bley@th-rosenheim.de