Aufgabenstellung

Die Auswahl und Gestaltung von Lernaufgaben werden in vielen didaktischen Konzeptionen nur als untergeordneter Teilaspekt behandelt. Dennoch sind sie zentral für eine erfolgreiche Gruppenarbeit. Denn die gemeinsame Aufgabenorientierung der Gruppenmitglieder fördert die Motivation und den Gruppenzusammenhalt und ist damit ein entscheidender Faktor für den Erfolg von telematischen Studienangeboten.

Aufgabenorientierung in der Gruppenarbeit

Gemeinsame Aufgabenorientierung bedeutet unter anderem, dass die Gruppenmitglieder bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und zu akzeptieren. Zudem muss die Möglichkeit gegeben sein, einen nützlichen Beitrag für ein im Gruppenkontext hergestelltes Produkt zu leisten. Doch wie läßt sich Aufgabenorientierung erreichen? Die folgenden vier Kriterien und Kontrollfragen sollen bei der Aufgabengestaltung helfen:

 

Kriterien

Kontrollfragen

Situative Repräsentation (Grad an Authentizität)

Ist die Aufgabe exemplarisch, praxisgerecht und komplex gewählt und wurde sie realistisch gestaltet?

Sind zur Lösung unterschiedliche Perspektiven und Kontexte möglich bzw. notwendig?

Wissenschaftliche Repräsentation (Grad an wissenschaftlicher Relevanz)

Lässt sich die Aufgabe so verallgemeinern, dass sie einer (wissenschaftlichen) Theorie entspricht?

Werden Erkenntnisse der Wissenschaften konkret und exakt abgebildet?

Entspricht die Aufgabe allgemeinen Anforderungen an wissenschaftliche Erkenntnis (Widerspruchsfreiheit)?

Subjektive Bedeutsamkeit

Ist die Aufgabe bedeutsam für jetzige und zukünftige berufliche oder außerberufliche Situationen der Lernenden?

Werden konkrete Probleme der Lernenden thematisiert?

Subjektive Adäquanz (Fasslichkeit)

Ist die Aufgabe übersichtlich und anschaulich?

Wird an individuellen Voraussetzungen angeschlossen?

Ist die Komplexität dem Vermögen angemessen?

Kriterien für Aufgabenorientierung beim E-Learning (nach Hinze, 2004)

 

Rahmenbedingungen der Aufgabenstellung

Es reicht nicht aus, ein möglichst spannendes Thema zur Bearbeitung vorzugeben, das die Kriterien für eine hohe Aufgabenorientierung erfüllt. Stärker noch als bei der herkömmlichen Lehre müssen die Rahmenbedingungen beachtet und bewusst gestaltet werden:

  • Welche Sozialformen der Aufgabenbearbeitung bieten sich an?
  • Welche Komplexität ist angemessen beziehungsweise kann mit vorhandenen Mitteln technisch realisiert werden?
  • Welche Handlungskompetenzen sollen bei der Aufgabenbearbeitung erworben werden?

Sozialformen von Aufgaben

Aufgaben können einzeln oder in Gruppen bearbeitet werden, wobei Gruppen unterschiedliche Größen haben können: von der 2-er Gruppe (Lerntandem) bis zum Plenum mit der gesamten Klasse oder einem Kurs.

Gruppenlernen wird in der Literatur oft als besonderer Vorteil des virtuellen Lernens hervorgehoben. Dennoch liegt es oft gerade an der Aufgabe, ob eine Lösung in der Gruppe wirklich zu einem inhaltlichen Mehrwert führt oder ob das Ergebnis nur eine Summe von Einzellösungen ist. Ist Letzteres der Fall, besteht die Gefahr, dass die Lernenden den für die Gruppenarbeit notwendigen Koordinationsaufwand als Nachteil gegenüber dem Einzellernen empfinden.

Als ideale Lernaufgaben haben sich Plan- oder Rollenspiele erwiesen, da sie die Möglichkeit bieten, komplexe Sachverhalte aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Eine Übersicht verschiedener Herangehensweisen bietet die Vertiefung Methoden.

Komplexität von Aufgaben

Weit verbreitet in E-Learning-Szenarien sind einfache Aufgabentypen: Multiple Choice, Zuordnungsaufgaben, Objektmarkierungen, Lückentextaufgaben, Bestimmung von Reihenfolgen. Der Vorteil liegt darin, dass die Lösungen automatisch auswertbar sind und die Lernenden dadurch eine unmittelbare Rückmeldung bekommen können. Allerdings ist der Lernerfolg dieser Aufgabentypen umstritten, da es verschiedene Umgehungsstrategien gibt und derartige Aufgaben nur auf den reinen Wissenserwerb ausgerichtet sind. Weitere Handlungskompetenzen werden nicht erworben.

 

Beispiele

Unterscheidung nach Handlungskompetenzen

Nach dem Konzept der Aufgabenorientierten Didaktik (Zimmer, 1998) werden Lernaufgaben nach dem Gesichtspunkt kategorisiert, welche Handlungskompetenzen durch ihre Bearbeitung erworben werden sollen. Zu unterscheiden sind folgende Handlungskompetenzen:

  • Bedeutungswissen,
  • Handliungsinteressen, Handlungsgründe,
  • Fachkompetenzen,
  • Methodenkompetenzen,
  • Sozialkompetenzen,
  • Bewertungskompetenz,
  • Entscheidungskompetenz.

Dabei sollen Lernaufgaben in der Regel für den Erwerb jeweils mehrerer Handlungskompetenzen konzipiert werden. Ein Gesamtmodul enthält unterschiedliche Aufgaben, die zusammen den gesamten Fächer von Handlungskompetenen abbilden.

Gestaltungshinweise

Als Fazit zur Auswahl und Gestaltung von Lernaufgaben kann gezogen werden:

  • Die Effektivität von Lernaufgaben hängt unter anderem vom jeweiligen Fach und dem Lernkontext ab, in dem sie eingesetzt wird. Zu berücksichtigen sind auch individuelle Lernstrategien.
  • Daher sollte immer eine Vielfalt von Aufgaben, Aufgabentypen und Sozialformen angestrebt werden.
  • Es sollten Aufgaben unterschiedlicher Komplexität eingesetzt werden.
  • Die Auswahl sollte vor dem Hintergrund der zu erwerbenden Handlungskompetenzen erfolgen, wobei den Studierenden Auswahlmöglichkeiten bei der Bearbeitung geboten werden sollten.
Letzte Änderung: 25.06.2015