Fahr, Kenner, Angenent & Eßer-Lüghausen (2022)

Rezension zu Fahr, U., Kenner, A., Angenent, H. & Eßer-Lüghausen, A. (Hrsg.) (2022). Hochschullehre erforschen. Innovative Impulse für das Scholarship of Teaching and Learning. Wiesbaden: SpringerVS.

Im angloamerikanischen Hochschulsystem wird der Ansatz des „Scholarship of Teaching and Learning” (SoTL) schon seit Längerem praktiziert und auch in der deutschen Hochschullandschaft beginnt er sich allmählich durchzusetzen. Zu Recht, denn es entspricht der Idee von Hochschule, die Erforschung der eigenen Lehre als Ansatzpunkt zu deren Verbesserung zu nutzen. SoTL leistet damit auch einen Beitrag zur Qualitätssicherung an Hochschulen; entsprechend wurde der Ansatz auch im e-teaching.org-Themenspecial Qualität in der Hochschullehre mit digitalen Medien im Sommersemester 2022 mehrmals aufgegriffen. Einen umfassenden Überblick über unterschiedliche Facetten des Themas gibt auch der Herausgeberband „Hochschullehre erforschen. Innovative Impulse für das Scholarship of Teaching and Learning“, der an dieser Stelle rezensiert wird.

Wie verhalten sich Forschung und Lehre zueinander? Betreffen sie zwei völlig verschiedene Bereiche, die an Hochschulen nebeneinander existieren und nur wenige Berührungspunkte aufweisen? Schließen sie sich gar gegenseitig aus? Auch wenn dieser Eindruck manchmal entstehen mag, so steht er doch der Idee und dem Ideal der Hochschule entgegen. Niemand Geringerem als Wilhelm von Humboldt wird die Forderung nach einer „Einheit von Forschung und Lehre“ zugeschrieben, die für Universitäten gelten solle. Wie aber lässt sich das Verhältnis von Forschung und Lehre genauer bestimmen und wie kann jene „Einheit“ konkret realisiert werden, von der Humboldt sprach?

Ins Zentrum der neueren Hochschuldidaktik rückt immer mehr das Scholarship of Teaching and Learning, kurz SoTL. Damit ist gemeint, dass Hochschullehrende selbst ihre Lehre erforschen und ihre Ergebnisse einer wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Diskussion stellen. Dieser Zugang eröffnet zugleich neue Möglichkeiten des interdisziplinären Austauschs: Interdisziplinarität wird nicht mehr nur für die Forschung, sondern gerade auch für die Lehre als bedeutsam erkannt, zumal dann, wenn sie selbst zum Gegenstand der Forschung wird.

Der neu erschienene Sammelband „Hochschullehre erforschen“ befasst sich mit dieser neuen Entwicklung und will den Leserinnen und Lesern „Innovative Impulse für das Scholarship of Teaching and Learning“ vermitteln. Auf fast 500 Seiten werden in 25 Beiträgen die verschiedenen Facetten und Herausforderungen dieses Ansatzes umfassend diskutiert. Der Band gliedert sich in drei Teile. Zunächst werden die Grundlagen von SoTL erörtert, u. a. in einem Beitrag von Gabi Reinmann zum Thema „Lehren als Design – Scholarship of Teaching and Learning mit Design-Based Research“. Ein zweiter Teil befasst sich mit Anwendungsbeispielen aus unterschiedlichen Fächern, wobei aus ganz verschiedenen Disziplinen wie der Chemie, der Sozialpädagogik und den Wirtschaftswissenschaften diverse Methoden und Erfahrungen aus der Praxis vorgestellt und diskutiert werden. Ein abschließender dritter Teil ist dem Thema Implementierung gewidmet. Hier werden interessante Einblicke in die Situation verschiedener Hochschulen gegeben, etwa in Form eines Werkstattberichts oder einer qualitativen Studie.

Insgesamt bietet der Band ein breites Spektrum an disziplinären und institutionellen Einblicken in die Praxis des forschenden Lehrens. Die versammelten Beiträge zeigen, dass und wie interdisziplinäre Forschung gerade auch mit Blick auf Lehren und Lernen fruchtbar erfolgen kann. Noch ist SoTL an deutschen Hochschulen nur wenig bekannt und wird daher auch nur selten explizit praktiziert. Das Verdienst des Bandes besteht insofern darin, diesen innovativen und zukunftsweisenden Ansatz hierzulande bekannter gemacht zu haben, nicht zuletzt auch mit Blick auf den Einsatz digitaler Medien, der durch und nach Corona einen immer wichtigeren Bestandteil der Hochschullehre bilden wird.

Die Rezension wurde von Jörg Noller verfasst und erschien erstmals im e-teaching.org-Newsletter Mai 2022.

Letzte Änderung: 21.10.2022