Rezension: Nina Kahnwald (2013)
Nina Kahnwald (2013): Informelles Lernen in virtuellen Gemeinschaften. Nutzungspraktiken zwischen Information und Partizipation. Münster etc.: Waxmann (Medien in der Wissenschaft, Bd. 62
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Nina Kahnwald befasst sich in ihrer Dissertation mit informellen Lernformen. Die Nutzung virtueller Informationsumgebungen wie Foren, Mailinglisten, Blogs, Wikis, Newslettern, Social-Networking-Seiten, Online-Shops oder Newsfeeds stellt mittlerweile ein verbreitetes Alltagsphänomen dar. Zahlreiche Angebote werden vorrangig zur Informationsbeschaffung genutzt, andere dienen zugleich der Unterhaltung. Angesichts dieser Entwicklung liegt die Frage nahe, welche Konsequenzen die ausgiebige Nutzung solcher Online-Umgebungen in Bezug auf Lernprozesse hat und welche informellen Lernformen daraus resultieren. Die Studie von Nina Kahnwald geht unterschiedlichen Nutzungspraktiken im Web 2.0 nach und will dabei Möglichkeiten erschließen, Unterstützungsszenarien für das Lernen in virtuellen Gemeinschaften zu entwickeln.
In zwei Grundlagenkapiteln beleuchtet die Verfasserin zunächst die Merkmale des Unter-suchungsgegenstands „virtuelle Gemeinschaften“ (einer allerdings unscharf konturierten Metapher) sowie das Phänomen informeller Lern- und Wissensprozesse, bevor sie anschließend konkrete Fallstudien zur Nutzungspraxis in virtuellen Gemeinschaften vorstellt. Mittels der Fallstudienmethode erhebt die Verfasserin die subjektiven Erfahrungen von Nutzer(inne)n zur Grundlage des Forschungsprozesses. Ausgewählt wurden insgesamt zehn Personen im Alter von 27 bis 37 Jahren, überwiegend regelmäßige Internetnutzer(innen), die mittels Fragebögen, Leitfadeninterviews und Lernprotokollen zu ihren Nutzungsgewohnheiten für Online-Umgebungen befragt wurden.
Als Hauptaktivität der befragten Teilnehmer(innen) in virtuellen Gemeinschaften identifiziert die Verfasserin das Lesen und Durchsuchen von Beiträgen anderer, das sogenannte Lurking. Die Verfasserin hebt hervor, dass Lurking von allen Studienteilnehmer(inne)n als lernrelevant eingestuft wurde. Das „passive“ Lesen der Beiträge anderer habe dazu beigetragen, Probleme zu lösen, Entscheidungen zu fällen oder sich weiterzubilden. Lernprozesse fänden auch unabhängig vom Verfassen eigener Beiträge statt. Eine Auf- bzw. Abwertung bestimmter Nutzungsstrategien (Online-, Offlinerecherche, Lurking, Posting etc.) erscheine vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt. Formen peripherer Partizipation in virtuellen Gemeinschaften könnten unterschiedlichste Gründe haben und seien ebenso legitim wie andere Nutzungsstrategien.
Während die Analyse von Lurking als einer lernrelevanten Strategie, die im Sinne stellvertretenden Lernens bei der Lösung akuter Probleme häufig eine zentrale Rolle spielt, außerordentlich schlüssig erscheint, wird doch der flankierende Anspruch der Studie, zugleich Wege für die Unterstützung informeller Lernprozesse aufzuzeigen, kaum eingelöst. Hier belässt es die Verfasserin bei der Einschätzung, dass sich Standardlösungen für Unterstützungsszenarien verbieten und dass solche Szenarien aus nutzer- und lernerorientierter Perspektive zu entwickeln wären. Insgesamt belegt die systematische Auswertung der Selbstauskünfte von Nutzern virtueller Gemeinschaften anschaulich, dass selbst der (offensichtlich nur scheinbar) passive Zugriff auf Foren, Blogs, Wikis oder Social-Networking-Seiten, hinter dem man eher unterhaltenden Wert vermuten mag, deutlich stärker zu Lernprozessen beiträgt, als es zunächst den Anschein hat.