E-Learning: Die Perspektive der Studierenden im Fokus der Forschung

Der Student, das unbekannte Wesen? Zwar haben Hochschullehrer/innen eine alltagstheoretische Vorstellung von den Bedürfnissen ihrer Pappenheimer, doch was wissen wir abgesehen von standardisierter Lehrevaluation und informellen Gesprächen wirklich über die Perspektive der Studierenden? Was zeichnet ihren Medienalltag aus? Was denken sie über E-Learning?

“Students' reactions tend to be interpreted through achievement scores, attitudinal scales, and teacher and researcher observations. We need to ask more directly what meaning students make of their interactions with technology.” (Saye, 1997, p. 5)
Ist diese Forderung nach mehr als 10 Jahren noch immer gerechtfertigt? Geht die Forschung zu E-Learning zu wenig auf die Erwartungen, Wünsche und Vorstellungen der Studierenden ein?

Die folgende Zusammenstellung beinhaltet Ausschnitte internationaler Forschungsergebnisse, Studien, Vorträge und Publikationen, die die Studierendenperspektive in den Mittelpunkt stellen.

Arslan Ari et al. (2008) haben in einer großangelegten qualitative Befragung knapp 900 Studierende der Middle East Technical University (METU) in der Türkei nach Vorschlägen zur Technikintegration befragt. Ergebnis der inhaltsanalytischen Auswertung sind 99 Vorschläge zur Nutzung digitaler Medien in der Hochschullehre. Hier die Top 5: “1. Lecture notes should be available online. 2. Video and audio recordings of the lessons should be done and these materials should be easily accessible. 3. Elective courses should be given online 4. Technological infrastructure of classrooms should be provided/advanced. 5. Various technologies should be used more and efficiently in the lessons.”

In einem aktuellen Beitrag bei FirstMonday „Everyday life, online: U.S. college students’ use of the Internet“ berichten Jones et al. (2009) über den Internetgebrauch amerikanischer Studierender und vergleicht die Befunde mit einer früheren Untersuchung aus 2002. Über eine Fragebogenerhebung an 40 Colleges, ausgewählte Einzelfalluntersuchungen und Telefoninterviews wurde ein möglichst repräsentatives Bild gezeichnet. Allerdings wurden die Daten im Jahr 2005 erhoben. Ein zentrales Ergebnis ist die zunehmende Bedeutung von Social Networking Seiten: „Internet use is thoroughly woven into a college student’s life. Today’s college student has for all intents and purposes grown up with early knowledge of, if not regular access to, the Internet. Whereas it was true in 2002 that college students took near–ubiquitous Internet access for granted, since that time they take almost everything about the Internet for granted. They have access to numerous “Web 2.0” technologies and were at the forefront of the use of social networking sites.”
Kirkwood & Price (2005) von der Open University (UK) befasst sich mit dem didaktischen Design von Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) in der Hochschullehre, mit dem Ziel, das Lernerlebnis der Studierenden zu verbessern. Annahme ist, dass ein besseres Verständnis der studentischen Mediennutzung auch in einer Verbesserung des Instruktionsdesigns resultiert. Als Datenbasis werden Umfragedaten aus 5 Jahren Lehrevaluation an der Open University herangezogen (1996-2002), insbesondere jahrgangsweise per Post versandte Fragebögen, aber auch kleinere, zum Teil qualitiative Studien zu einzelnen Kursen bzw. Kursmaterialien. Insgesamt fließen 80.000 Datensätze in die Analyse ein. Es werden insbesondere drei Fragestellungen beleuchtet:
  1. Zugang zu ICT sowie Nutzungsintensität im Alltag der Studierenden
  2. Nutzungsweise und Nutzungsformen (Anwendungen zur Dokumentenverarbeitung, Kommunikation, Informationsbeschaffung)
  3. Motivation, Einstellungen und Präferenzen
„The conclusion is that, although ICTs can enable new forms of teaching and learning to take place, they cannot ensure that effective and appropriate learning outcomes are achieved. It is not technologies, but educational purposes and pedagogy, that must provide the lead, with students understanding not only how to work with ICTs, but why it is of benefit for them to do so.“ (p.257)

Conole et al. (2008) berichten Ergebnisse des JISC Projekts „Student Experiences of Technologies“, kurz LXP. Die Studie aus dem Jahr 2006 bezieht Studierende unterschiedlicher Disziplinen und Hochschulstandorte innerhalb Großbritanniens mit ein. Im Zentrum der Untersuchung stehen zwei Fragestellungen: Wie nutzen und erfahren Lernende E-Learning und in welcher Weise trägt E-Learning zum Lernalltag bei? Die Autoren kombinieren Umfragedaten mit ausführlichen Einzelfallstudien, im Einzelnen werden Online-Fragebögen, Interviews und Voicemail-Nachrichten als sogenannte „Audiologs“ eingesetzt. Die Autoren gliedern ihre Befunde in vier Themenbereiche:
  1. Informationssuche und –verarbeitung: „Students used the web extensively to extend their understanding of concepts and supllement course material. Search engines and information sites such as Wikipedia were frequently mentioned. Several reported that searching with Google was their first action when trying to get information for an assignment.“ (p. 514)
  2. Kommunikation: „Many students reported using mobile phones frequently to phone and text each other, to discuss issues related to their learning, and particularly for assignment queries. They also used MSN Messenger and other instant messaging software especiallz for international communications. They expressed positive feelings about the communication technologies they used, though some found the frequent interruptions which arose as a consequence of this constant communication disruptive to study“ (p.516)
  3. Aufgabenbearbeitung: „A high proportion of reported ICT-usage was in connection with assessed work. […] All were positive about the benefits of PowerPoint and Word and some wondered how they had ever managed without these tools.“ (p.517)
  4. Lernumgebung: „Critical factors with respect to students’ perceptions of the value of their institutional VLE [Virtual Learning Environment] appear to centre on whether the VLE was well designed, relevant to their needs and appropriately embedded into the culture of the course. The findings hint that students are beginning to move beyond VLEs as a central resource and that they use the VLE only when it meets specific, individual needs.“ (p.518)

Weitere Informationen bietet der JISC Online-Report.
 
Liotsios, Demetriadis & Pombortsis (2007) von der Aristotle University in Thessaloniki beschäftigen sich mit der Fragestellung, was Studierende über die Einführung von E-Learning in ein traditionell organisiertes Präsenzsetting denken. Das Autorentrio untersucht dem Paradigma der Aktionsforschung folgend zwei Blended Learning Seminare, die im Wintersemester 2004 und 2005 durchgeführt wurden. Die Untersuchung soll den Studierenden Praxiserfahrung mit E-Learning vermitteln, Meinungen und Einstellungen gegenüber E-Learning dokumentieren und diese zur Qualität der E-Learning-Aktivitäten in Beziehung setzen. Die Studierenden erwiesen sich als innovationsoffen und schätzten die Vielseitigkeit der Online-Lernaktivitäten. Ablehnung resultierte in organisatorischen und technischen Problemen. Keine Akzeptanz fanden geschlossene Multiple Choice Testumgebungen als Mittel der Leistungsbewertung.

Die Autoren ziehen ein interessantes Fazit: „In conclusion, the key to a succesful implementation of e-learning activities to tranditional course, therefore, would appear tob e the provision of tools that enable teachers to customise the LMS environment tot he interests and the needs oft he learner rather than having to work with a centrally imposed and managed learning platform.“ (p. 83)

Eine Präsentation von Andrea Pozzali zu “Snack Culture: The digital diet of university students” fasst die Ergebnisse einer Studie zum Medienkonsum italienischer Studierender zusammen.


Neben der Präsentation bei Slideshare sind Aufbau und Resultate der Studie im Tagungsbeitrag zur „Media in Transition Conference 2009“ nachzulesen: http://web.mit.edu/comm-forum/mit6/papers/cavalli.pdf
Letzte Änderung: 08.04.2015

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