KIT- Bibliothek und House of Competence entwickeln Onlinekurs Informationskompetenz für Studierende der Natur- und Ingenieurwissenschaften

23.04.2018: Spätestens wenn es an die Anfertigung von Hausarbeiten und Abschlussarbeiten geht, stehen Studierende vor der Frage: Wie mache ich das eigentlich? Woher erhalte ich die benötigten Informationen, wie gehe ich mit diesen wissenschaftlich korrekt um, wie gelingt es mir wissenschaftskonform zu schreiben? Die Bibliothek des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT) hat jetzt gemeinsam mit dem House of Competence (HoC) einen Onlinekurs Informationskompetenz entwickelt, der Studierenden der Natur- und Ingenieurswissenschaften beibringt, methodisch zu planen, zu recherchieren und zu schreiben. Projektmitarbeiterin Eliane Dominok vom HoC stellt das Projekt im nachfolgenden Erfahrungsbericht vor.

"Informationskompetenz bezeichnet „die Gesamtheit aller Fähigkeiten und Fertigkeiten, die erforderlich sind, um situationsrelevante Informationsbedarfe festzustellen, Information zu beschaffen, weiterzuverarbeiten, zu bewerten, zu präsentieren und Nutzungsbedingungen von Information einzuordnen.“

Aus: HRK Entschließung (2012). Hochschulen im digitalen Zeitalter: Informationskompetenz neu begreifen – Prozesse anders steuern

Als  zentrale  Einrichtung  des  Karlsruher Institutes für Technologie  hat  die  KIT-Bibliothek  die  Aufgabe, allen Studierenden, Lehrenden und Forschenden Informationskompetenzen forschungsgestützt, fachspezifisch und zielgruppenorientiert zu vermitteln. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet die KIT-Bibliothek seit Jahren sehr eng mit der zentralen wissenschaftlichen Einrichtung zur Vermittlung von  Schlüsselkompetenzen, dem House of Competence (HoC) zusammen. Ein aufwändiges gemeinsames Projekt stellt der Online-Kurs ‚Informationskompetenz: Methodisch planen, recherchieren, schreiben‘ dar. Erstmals werden darin Informationskompetenzen von Masterstudierenden und Promovierenden technischer und naturwissenschaftlicher Fächer aus multidisziplinärer Perspektive onlinebasiert vermittelt. Im Rahmen eines Abschlussarbeitsprojektes wird dieser Personenkreis mit Arbeitstechniken konfrontiert,  welche im bisherigen Studienverlauf noch kaum eine Rolle gespielt  haben: Von der strukturierten Informationsbeschaffung bis hin zur Übernahme von Quellen in den eigenen Text sind Fallstricke zu berücksichtigen, die durch die Lehrtexte der einzelnen Module des Kurses jeweils abgebildet werden. Ziel des Kurses ist es, Studierenden das Thema Informationskompetenz möglichst facettenreich zu vermitteln, um gleichzeitig mit praxisnahen Beispielen und Hinweisen konkrete Anleitung für die Abschlussarbeit zu geben. Die Studierenden sind daraufhin in der Lage, eigenständig  Quellen strukturiert aufzufinden, zu bewerten und mit ihnen wissenschaftlich korrekt umzugehen. Unter Einbezug aktueller angewandter text- und sprachwissenschaftlicher, psychologischer, soziologischer und pädagogischer Forschungen zum Thema werden im modularisierten Kurs Texte und praxisnahe Übungen  zum  Erwerb  von  Informationskompetenzen im Selbstlernverfahren zur Verfügung gestellt. Der Kurs, finanziert aus Sondermitteln des MWK Baden-Württemberg, erhielt im Best-Practice-Wettbewerb 2015 zweiten Preis. Der auf 10 Zeitstunden angelegte Onlinekurs  vereint die Vorteile eines flexibel zu absolvierenden Angebotes mit der Möglichkeit einer tutoriellen Betreuung bei konkreten Übungsaufgaben. Damit versteht er sich auch als Bindeglied zwischen  den am KIT vorhandenen Präsenzberatungsangeboten zur Vermittlung von Informationskompetenz im Rahmen des SQ-Angebotes.

Aufgrund der großen hochschulinternen und -externen Resonanz verfolgt die KIT-Bibliothek in Kooperation mit dem Schreiblabor des House of Competence (HoC) den Ausbau des Projekts mit folgenden Zielen bzw. Inhalten:

  1. Anpassung der Übungsanteile, so dass sie zur Vergabe von ECTS-Punkten geeignet sind
  2. Öffnung des Kursangebotes für andere Hochschulen
  3. Einbettung von Kurs-Modulen in fachwissenschaftliche Lehrveranstaltungen
  4. Zielgruppenerweiterung
  5. Begleitforschung

Im Rahmen der Förderlinie 1 „Qualifizierungsangebote und Anreize für Lehrende und Lernende“ des Förderprogrammes Digital Innovations for Smart Teaching – Better Learning leistet das Ausbauprojekt damit einen substantiellen Beitrag dazu, einen hochschulübergreifenden Standard des digitalen Lehrens und Lernens im Bereich der Informationskompetenz aus bibliothekarischer und (schreib)didaktischer Perspektive zu setzen.

Ausgangspunkt (Initialprojekt)

Das Lehrmaterial wurde in Sommersemester 2014 und Wintersemester 2014/15 gemeinsam von Bibliothekaren/innen, Mitarbeitern/innen und Peer-Tutoren/innen der Kompetenzlabore des HoC (Schreiblabor, Lernlabor, Methodenlabor) sowie Fachwissenschaftlern/innen erarbeitet, die nahezu alle technischen und naturwissenschaftlichen Fächer des KIT abbilden. Bei der Überführung des Materials in die onlinebasierte Lernumgebung war das damalige Fernstudienzentrum (das zum 1.1.2015 in Zentrum für Mediales Lernen umbenannt wurde) am HoC beteiligt. Durch die Einbindung von Fachwissenschaftlern/innen und Studierenden aus einem sehr breit aufgestellten Fächerspektrum konnte ein bedarfsgerechtes und zielgruppenorientiertes Onlineseminar entwickelt werden. Die Kursmaterialien wurden durch Teilgruppen des Projektteams methodisch erarbeitet. Zugrunde gelegt wurden bspw. die zuvor generierten Erkenntnisse aus Auswertungen von über 100 am KIT eingereichten Dissertationen, deren Formulierungen als Anwendungsbeispiele zur Veranschaulichung im Kurs aufgegriffen wurden (vgl. Abbildung 1).

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Abbildung 1: Darstellung des Lernmoduls zur korrekten Einbindung von Quellen im Text. Die beispielhaften Formulierungen sowie das gezeigte Textbeispiel entstammen realen Dissertationen

Anschließend wurde das Kursmaterial durch alle Beteiligten in einem dreistufigen redaktionellen Testverfahren auf inhaltliche und didaktische Plausibilitäten hin überprüft und zusammengeführt. Zentral waren dabei der Einbezug einer forschungsorientierten Kompetenzentwicklung sowie die Ausrichtung an der jeweils fachdisziplinären Logik. Auf Kursebene bedeutet dies beispielsweise, dass Übungen für bestimmte Fächer ausdifferenziert wurden, um die fachspezifischen Anforderungen abbilden zu können. Gegenwärtig existieren fachspezifische Übungen für die folgenden Fachbereiche: Bauingenieurwesen, Biologie, Chemie, Geowissenschaften und Physik.

Kursaufbau

Der Kurs basiert auf einem Lehrtext, der in sechs Modulen den Weg einer wissenschaftlich motivierten Recherche bis hin zur Verwendung von Quellen im eigenen wissenschaftlichen Text nachzeichnet (siehe Abbildung 2).

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Abbildung 2: Die Kursinhalte im Überblick

In Modul A wird zunächst der Begriff der Informationskompetenz erläutert und seine zentrale Bedeutung in die übergeordneten Zusammenhänge – den Forschungsprozess und den darin eingebetteten Rechercheprozess – dargelegt. Ausgehend von der Fragestellung und der damit verbundenen notwendigen Planung des Rechercheprozesses (Modul B), werden sodann verschiedene Methoden der Literaturrecherche vorgestellt (Modul C) sowie die konkrete Durchführung der Recherche anhand von Literaturdatenbanken erläutert (Modul D). Die Module E und F thematisieren schließlich den korrekten Umgang mit recherchierten Quellen sowie die schriftliche Ausarbeitung unter Einarbeitung dieser Quellen im Text. Ergänzt wird der Lehrtext durch vertiefende Übungen zur Lernerfolgskontrolle, weiterführenden Links und Literatur, welche die Lerninhalte veranschaulichen. Der Kurs wurde im Frühjahr 2015 auf der hochschuleigenen E-Learning-Plattform ILIAS installiert und wird seitdem sehr gut angenommen.

Bisherige Schritte zur Umsetzung/Nachhaltigkeit

Aufgrund der hohen Nachfrage am KIT wurde der Kurs dahingehend weiterentwickelt, dass er auch ohne Präsenzsitzungen die Vergabe von 2 ECTS-Punkten an Studierende ermöglicht. Zunächst wurde unter Einbezug schreibdidaktisch ausgebildeter Peer-Tutoren/innen des Schreiblabors einerseits und Fachreferenten der KIT-Bibliothek andererseits eine weitere intensive inhaltliche Überprüfung vorgenommen, welche sich insbesondere auf die Weiterentwicklung der standardisierten Übungsmodule und die Quantität/Qualität der Lehrtexte bezog: Inhalte einzelner Module wurden thematisch ergänzt und die entsprechenden Übungen generiert und getestet. Zudem wurde die Anfertigung eines tutoriell betreuten Exposés, dessen formale Anteile sich an die verschiedenen Module des Kurses anlehnen, als schriftlich zu erbringender Leistungsnachweis (Benotungsgrundlage) in Ergänzung zur automatisierten Lernerfolgskontrolle in die Kursstruktur integriert.  Im Zuge der Pilotierungsphase im Wintersemester 2017/18 wurde der Kurs in das Schlüsselqualifikations-Programm des House of Competence im Schwerpunkt 4 „Wissenschaftliches Schreiben“ aufgenommen und angeboten. Der Kurs wird gegenwärtig in einer Parallelversion angeboten: Studierende des KIT können den Kurs mit und ohne ECTS-Erwerb nutzen (automatisierte Lernerfolgskontrolle + Exposéabgabe, falls ECTS gewünscht). Darüber hinaus wurde der Kurs über den Ilias Verbund auch für Studierende anderer Hochschulen geöffnet (automatisierte Lernerfolgskontrolle ohne Exposéabgabe; kein ECTS-Erwerb möglich). Um die bundesweite Öffnung dieses und anderer Kurse für andere interessierte Hochschulen optimal zu realisieren, wird derzeit die Möglichkeit einer offenen Ilias Plattform für die breite Öffentlichkeit am KIT erörtert.

Die modulare Struktur des Onlinekurses erlaubt es zudem, das für den Kurs erarbeitete Material in andere Schulungs-  und Lehrkonzepte einzubetten. Die Einbindung einzelner Kursmodule in fachwissenschaftliche Lehrveranstaltungen findet dauerhaft im Rahmen von drei überfachlichen sowie zwei fächerspezifischen Lehrveranstaltungen statt. Nach Vorgabe und in Absprache mit den jeweiligen Dozenten der Veranstaltungen werden die  Module A – F des Onlinekurses methodisch und didaktisch je nach Passung mit den konkreten Lehrinhalten und -situationen der Veranstaltung eingesetzt, als blended-learning Format angeboten und im Anschluss umfangreich evaluiert. Für die beiden fächerspezifischen Lehrveranstaltungen wurden die Module zudem an die Inhalte der Fachbereiche Geodäsie/  Geoinformatik und Architektur angepasst.

Prozessbegleitende Evaluation

Die Evaluationsdaten der 15 Teilnehmer (TN) der ersten Pilotierungsphase des Gesamtkurses (Wintersemester 2017/18) liegen vor. 8 Studierende befinden sich im Bachelorstudium, 7 Teilnehmer streben bereits den Masterabschluss an. 86,7% der Teilnehmer studieren zwischen dem 5. und 11. Semester und sind gegenwärtig mit dem Verfassen ihrer Qualifikationsschrift befasst. 7 von 10 Fakultäten sind vertreten, über die Hälfte der Studierenden (53,4%) wird durch die beiden Fakultäten Informatik sowie Bauingenieur-, Geo- und Umweltwissenschaften gestellt (siehe Abbildung 3)

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Abbildung 3: Fakultätszugehörigkeit der Teilnehmer der Pilotierungsphase

Je nach Modul geben zwischen 53,3% und 75% der TN an, durch das entsprechende Modul viel Neues gelernt zu haben. Zwischen 53,3% und 93,3% der TN sahen ihre Erwartungen hinsichtlich der Modulinhalte als erfüllt an. Die Bereitschaft der TN, Module an ihre Kommilitonen weiterzuempfehlen, schwankt zwischen 58,3% (Modul C Basiswissen Literaturrecherche) und 83,4% (Modul F schriftliche Ausarbeitung). Die Bewertung der einzelnen Lernmodule nach dem Schulnotensystem liegt im Mittel zwischen 1,25 und 2,00. Über alle Lernmodule gemittelt wurde der Gesamtkurs mit der Note 1,6 bewertet.

Ausblick

Da die Betreuung von Qualifikationsschriften in den MINT-Fächern sehr häufig durch Doktoranden/innen selbst praktiziert wird, ist es von besonderer Bedeutung, die Lehrziele der Module transparent zu machen und Handlungsempfehlungen für die Betreuung des Recherche- oder Schreibprozesses zu geben, um somit zu ‚guter wissenschaftlicher Praxis‘ beizutragen. Dies soll über eine eigene Benutzeroberfläche erreicht werden, die sich gezielt an Betreuende von Abschlussarbeiten richtet.

Des Weiteren ist die Erweiterung des Kurses auch auf inhaltlicher Ebene geplant:

  • Plagiatsprävention in der Studieneingangsphase
    Neues Modul: Zitieren
  • Forschungsbasierte Informationskompetenz:
    Neues Modul: Forschungsdaten

Eine unbedingt zu schließende Lücke bilden didaktische Methoden zur Vermittlung des professionellen Forschungsdatenmanagements: Angehende Wissenschaftler/innen wissen häufig nicht, wie sie mit diesen Daten kompetent im Sinne einer guten wissenschaftlichen Praxis umgehen können. Einer der Gründe hierfür ist, dass die Recherche von Forschungsdaten und der Umgang mit ihnen bislang noch nicht systematisch in der universitären Lehre verankert sind. Im Wettbewerb um Forschungserfolge in der Wissenschaft zählten bisher vor allem die Menge und Qualität der veröffentlichten Publikationen. Zunehmend rücken aber, begünstigt durch die aktuellen Wissenschaftsförderinstrumente,  jene Forschungsdaten in den Fokus des Interesses, die den dort formulierten Erkenntnissen zugrunde liegen. Benötigt werden Ideen, die helfen, das Forschungsdatenmanagement breit und nachhaltig für Studierende und Promovierende erschließbar zu machen. Das bedeutet, den Umgang mit Daten in den jeweils eigenen Forschungsprozess überlegt und nachhaltig zu integrieren. Durch die Erweiterung des vorliegenden Kurses bietet sich die Gelegenheit, das Forschungsdatenmanagement als integrativen Bestandteil einer informationskompetenten Vorgehensweise im Forschungsprozess zu verdeutlichen. Das Thema soll in die bereits existierenden Module integriert werden.

MATERIALIEN ZUM BEITRAG

Hier gibt es ein Video als Teaser zum Projekt

Über dieses Projekt

Das Projekt ‚Onlinekurs Informationskompetenz' ist eines von zehn Projekten, die im Rahmen des Förderprogramms "Digital Innovations for Smart Teaching - Better Learning" vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg gefördert werden. Nähere Informationen zum Förderprogamm, sowie eine detaillierte Beschreibung des Projektes finden Sie auf der Portalseite des Förderprogramms hier auf e-teaching.org.

Kontakt

Eliane Dominok (M.A.) Karlsruher Institut für Technologie (KIT) – KIT-Bibliothek
KIT-Bibliothek Süd
Straße am Forum 2
76131 Karlsruhe
eliane.dominok@kit.edu

Beitragende

Eliane Dominok (Pädagogin M.A.) arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Angewandte Psychologie sowie als Projektmitarbeiterin der Bibliothek des Karlsruher Instituts für Technologie. Inhaltlich setzt sie sich mit Lern- und Arbeitstechniken
im Studium sowie selbstreguliertem Lernen im Hochschulkontext auseinander (Forschungsschwerpunkt Prokrastination). Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung onlinebasierter Kurskonzeptionen und deren Umsetzung.