Wissenschaft bloggen – Studierende texten für eine jugendliche Leserschaft

26.05.2017: Ein Blog in der Wissenschaft? Die Master-Studierenden des Studienprogramms „Applied Linguistics“ der Universität Bonn haben es ausprobiert und ein Semester lang populärwissenschaftliche Beiträge auf Englisch für eine reale, jugendliche Leserschaft gebloggt. Als Testlesende konnte ein Leistungskurs Englisch eines Troisdorfer Gymnasiums im Rahmen eines Kooperationsprojektes gewonnen werden

Im folgenden Interview berichtet Dr. Stefanie Pohle vom Lehrstuhl für Angewandte Englische Sprachwissenschaft an der Universität Bonn vom Hintergrund des Wissenschaftsblogs LAnguage MAtters! , wie sie auf die Idee dazu kam und welche Erfahrungen sie damit gemacht hat.

Mit diesem Lehrprojekt schloss Frau Pohle gleichzeitig als erste Absolventin die E-Teaching-Qualifizierung der Universität Bonn ab und erhielt am 07.02.2017 ihr E-Teaching-Zertifikat.

Inhalt

Seite 1: Die Idee hinter dem Wissenschaftsblog „LAnguage MAtters!“ und die praktische Umsetzung
Seite 2: Erfahrungen bei der Durchführung des Seminars, Lessons Learned und die Zukunft des LaMa-Blogs

S. 2/2: Erfahrungen bei der Durchführung des Seminars, Lessons Learned und die Zukunft des LaMa-Blogs

Der Blog
Der Blog "LAngauge MAtters!". Screenshot: Stefanie Pohle

Frage: Sowohl Ihre Studierenden als auch die Jugendlichen zählen zur Generation der „digital natives“, die in der digitalen Welt aufgewachsen ist. Wie viel Unterstützung brauchten die jungen Leute noch bei der Bedienung des Blogs und der anderen E-Learning-Tools?

Für die Schülerinnen und Schüler kann ich hier nicht sprechen, aber mit dem Google-Fragebogen und dem Lesen der Blogbeiträge schienen sie keine Probleme gehabt zu haben.

Die Vorstellung der sogenannten „digital natives“ sehe ich inzwischen sehr kritisch. Mit den Medien aufgewachsen zu sein, bedeutet nicht automatisch, mit den verschiedenen Technologien adäquat umgehen zu können oder überhaupt zu wollen. Bei den Studierenden war die Reaktion auf den Arbeitsauftrag dementsprechend sehr unterschiedlich. Das hatte ich auch so erwartet.

Manche hatten Vorerfahrungen mit eigenen Blogs oder Websites, andere hingegen waren doch eher verhalten und berichteten, dass der Umgang mit Wordpress eine Hemmschwelle gewesen sei. Einiges konnte sicherlich durch die Zweierteams aufgefangen werden. Da die Atmosphäre und Zusammenarbeit im Kurs sehr gut war, haben sich die Studierenden untereinander viel weitergeholfen.

Bevor die Studierenden ihre Texte auf die Plattform übertragen sollten, habe ich mit ihnen einen (freiwilligen) Workshop zu den technischen Belangen durchgeführt. Etwa die Hälfte der Kursteilnehmenden nutzte diese Gelegenheit. Weitere technische Fragen oder Probleme konnten wir zwischendurch im Kurs oder in der Sprechstunde klären.

Frage: Sie haben mit diesem Projekt das erste Mal einen Blog für Ihre Lehre eingesetzt. Welchen technischen Herausforderungen mussten Sie selbst sich zu Beginn des Projekts stellen? Wie aufwändig waren die Erstellung und die Betreuung des Blogs?

Ich hatte vor ein paar Jahren bereits schon einmal versucht, einen Blog in einen Kurs einzubinden. Damals allerdings nutzte ich die Blogfunktion von eCampus (bzw. ILIAS), so dass eine Einrichtung meinerseits nicht erforderlich war. Allerdings ging der Einsatz aus verschiedenen Gründen schief: Ich hatte das Schreiben der Beiträge (damals waren Studierende die Zielgruppe) nicht eingeführt und angeleitet, sondern einen einmaligen Arbeitsauftrag gegeben. Der Sinn dieser Aufgabe wurde den Studierenden nicht klar und entsprechend niedrig war ihre Motivation. Außerdem war die Bedienung nicht eingängig und das Layoutdesign dieses Blogs nicht wirklich ansprechend. Da der Zugang zu dem eCampus-Blog zudem auf Angehörige der Uni Bonn beschränkt ist, konnte diese Plattform für das aktuelle Projekt nicht genutzt werden.

Ich habe mich dann letzten Sommer nach einiger Recherche und dem Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus der Schreibcommunity dazu entschlossen, die Plattform http://hypotheses.org/ zu nutzen, die wissenschaftliche Blogs hostet und Teil des OpenEdition-Portals (https://www.openedition.org) ist. Ich bin zufrieden damit. Hypotheses basiert auf Wordpress. Da ich selbst noch keine Erfahrung mit Wordpress hatte, bedeutete das, dass ich mich in die Software einarbeiten musste. Es war kein Hexenwerk, aber dennoch hatte ich den Zeitaufwand für die Einrichtung und Gestaltung unterschätzt! Auch die Betreuung während des Semesters war aufwändiger als erwartet, vor allem, was die Sicherung der Qualität der veröffentlichten Beiträge anging.

Frage: Welches Feedback erhielten Sie von den Studierenden?

Überwiegend positives: Die Studierenden schätzten am Projekt zum Beispiel, dass sie einmal jenseits typischer wissenschaftlicher Konventionen über ein Thema ihres Studienprogramms schreiben und ihre Feedback- und IT-Kompetenzen erweitern konnten. Vielen gefiel auch die Zusammenarbeit in der Gruppe und der Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern.

Ich fragte sie auch, wie sie die allgemeine Usability der im Kurs benutzten eLearning-Tools und deren Nützlichkeit für das Blogprojekt einschätzen. Google Docs liegt dabei eindeutig vorne. Die Tools der geschlossenen Lernplattform schnitten nicht schlecht, aber deutlich weniger gut ab. Vielleicht nicht ganz überraschend…

Kritisch angemerkt wurde bei dem Projekt die hohe Arbeitsbelastung und dass das Blogprojekt im Vergleich zum fachlichen Kursinhalt zu viel Raum einnahm. Das empfand ich genauso, aber dafür war es ja ein Pilotprojekt, in dem wir alle jede Menge Erfahrungen sammeln konnten, um es beim nächsten Durchgang besser machen zu können.

Besonders gefreut hat mich die Tatsache, dass auch die Schülerinnen und Schüler des Troisdorfer Gymnasiums so interessiert bei der Sache waren: Sie gaben ausführliche Antworten auf unsere anfänglichen Fragen nach ihren Interessen und ihrem Vorwissen und füllten gewissenhaft den Fragebogen aus. Und richtig klasse war die Stimmung bei dem Abschlusstreffen, das ich eben schon erwähnt hatte: Wir hatten etwas Sorge, dass die Schülerinnen und Schüler schüchtern in der Ecke stehen bleiben würden, aber im Gegenteil: Wir mussten die Gespräche nach 90 Minuten unterbrechen, weil die Veranstaltung zu Ende war!

Frage: Sie haben das Lehrprojekt im Rahmen der E-Teaching-Qualifizierung an der Universität Bonn durchgeführt, die Sie inzwischen erfolgreich abgeschlossen haben. Wie war das Projekt in dieser Qualifizierung eingebettet?

Verleihung des E-Teaching-Zertifikats
Dr. Stefanie Pohle bei der Verleihung des E-Teaching-Zertifikats durch Prorektorin Prof. Dr. Holm-Müller. Foto: Frommann, Univ. Bonn

Das Lehrprojekt war Teil des Abschlussseminars für das eTeaching-Zertifikat der Universität Bonn. Nach einer Einführung ins eTeaching und einem vertiefenden Überblickworkshop hatte ich weitere Seminare zu den Themen Urheberrecht, eAssessment, Motivation und Engagement und Webinare besucht. Das Blogprojekt dauerte ein ganzes Semester und wurde vom eCampus-Team begleitet, das die Lernplattform der Universität Bonn betreibt und eine Vielzahl von Services bietet (z. B. konkrete Hilfe bei technischen Problemen gibt und Weiterbildungsveranstaltungen für Lehrende organisiert). All das, was ich vorher gelernt hatte, konnte ich nun an einem konkreten Beispiel im realen Lehrkontext ausprobieren.

Präsentiert wurde das Projekt dann zusammen mit den Abschlussprojekten der Absolventen des NRW-Programms „Professionelle Lehrkompetenz für die Hochschule“ bei der gemeinsamen feierlichen Zertifikatsverleihung im Februar.

Frage: Werden Sie zukünftig noch einmal einen Wissenschaftsblog in Ihrer Lehre einsetzen?

Ja, das Projekt geht auf alle Fälle weiter! In meiner aktuellen Lehrveranstaltung schreiben die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer (die gleichen wie im Pilotprojekt) wieder Beiträge, allerdings mit leicht veränderten Vorgaben. Nicht nur die Studierenden haben sehr viel gelernt, sondern ich selbst mindestens genauso viel, so dass ich den Arbeitsauftrag weiterentwickelt habe. Die Beiträge werden beispielsweise kürzer sein, mit weniger Fachvokabular auskommen und Zitierkonventionen erfordern, die ich inzwischen im Onlinekontext und bei dem Genre 'Blog' für angemessener halte, z.B. mehr Direktlinks statt ein ausführliches Literaturverzeichnis. Und Posts sollen in regelmäßigeren Abständen erscheinen.

Mit der Rubrik „TeacherTalk“ möchten wir Lehrerinnen und Lehrer von weiterführenden Schulen ansprechen, die Interesse haben, diesen Blog in ihrem Englischunterricht einzusetzen, um ihren Schülerinnen und Schülern die Wissenschaft der Sprache näherzubringen. Sie sind herzlich eingeladen, ihre Erfahrungen dann in einem eigenen Blogbeitrag zu schildern. Auch Lehrende an Hochschulen, die selbst Blogs von ihren Studierenden schreiben lassen möchten, können unter diesem Stichwort Anregungen für ihre Lehre finden.

Außerdem haben wir den Blog für weitere Gastautoren geöffnet: Masterstudierende anderer Kurse oder auch Bachelorstudierende, die uns durch besonders gelungene Seminar- oder Abschlussarbeiten aufgefallen sind, werden wir ansprechen, ob sie nicht einen Post veröffentlichen möchten, ebenso wie Nachwuchswissenschaftlerinnen, Professorinnen und Professoren. Unser jüngster Beitrag stammt übrigens von meinem Chef Prof. K. P. Schneider, dem Lehrstuhlinhaber für Angewandte Englische Sprachwissenschaft hier in Bonn: „A professor in the desert: Linguistic fieldwork in Namibia“ (https://lama.hypotheses.org/1298).

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