Webquest

Viele Prüfungsformen richten sich primär darauf, Faktenwissen abzufragen, und die meisten Versuche, das Internet in die Wissensvermittlung einzubinden, fokussieren die Informationsrecherche. Die 1995 von Bernie Dodge (San Diego State University) entwickelte Methode der WebQuests wirkt diesen beiden Problemfeldern entgegen. Frei übersetzt bedeutet WebQuest "abenteuerliche Spurensuche im Internet" (Gerber, 2004a). WebQuests sind so angelegt, dass Lernende auf der Grundlage von authentischen Situationen und mit Hilfe von gelenkten Recherchen im Internet selbstständig eine Aufgabe bearbeiten können.

Rahmenbedingungen

  • Die Methode eignet sich für problem- und fallbasierte Übungsformen. Dabei wird weniger das Faktenwissen der Studierenden abgefragt als vielmehr ihre Problemlösekompetenz und der Transfer des bisher Erlernten in einen größeren Rahmen.
  • Über den Erwerb von domänenspezifischem Wissen hinaus haben WebQuests mehrere weiterführende Lernziele: Die Studierenden werden angeregt, Informationen zu einem klar definierten Thema zusammenzufassen und adäquat zu präsentieren sowie ein Verständnis für die sinnvolle Verwendung von Internetquellen zu entwickeln (vgl. Reid et al., 2001)
  • Die Bearbeitung kann in Einzelarbeit erfolgen, häufig werden WebQuests jedoch als studentische Gruppenarbeit durchgeführt.

Lösung

WebQuest steht für die Lösung von Aufgaben mit Hilfe von Informationen aus dem Internet (der englische Begriff "Quest", mit dem historische Abenteuerfahrten beschrieben werden, kann auch allgemein für eine anspruchsvolle Suche oder Nachforschung verwendet werden). Nach der Einführung in die Problemstellung erhalten die Lernenden eine Aufgabe, die sie mit vorgegebenen und selbständig recherchierten Informationen selbstorganisiert lösen sollen. Durch Leitfragen werden die Lernenden dabei auf die wesentlichen Informationen aufmerksam gemacht.

Details

Der Ablauf eines WebQuests kann in sechs Phasen eingeteilt werden (vgl. Gerber, 2004a):

  • In der Einführung werden die Lernenden mit dem Thema anhand einer authentischen Frage- oder Problemstellung konfrontiert. Diese Zuspitzung sollte so motivierend formuliert sein, dass die Lernenden sich aus eigenem Interesse der Thematik widmen und einen Lösungsansatz suchen.
  • Die Aufgabenstellung legt fest, wie komplex das Thema von der Zielgruppe der Lernenden zu bearbeiten ist. Die Aufgaben werden in der Regel in Gruppen bearbeitet.
  • Um die Aufgaben bearbeiten zu können, wird eine Materialiensammlung bereitgestellt, in der neben Links ins Internet auch auf weitere Materialien (Bücher, lokal vorhandene Software usw.) hingewiesen wird.
  • Die Prozessbeschreibung soll den Lernenden konkrete Handlungshilfen für die Lösung der Aufgaben geben.
  • Am Ende sollen die Lernenden in der Evaluation die Möglichkeit erhalten, den Lernprozess kritisch zu reflektieren. Hierzu kann auch eine Bewertung durch den Dozierenden herangezogen werden.
  • Zum WebQuest gehört auch die adäquate Präsentation der einzelnen (Gruppen-) Ergebnisse, z.B. als Internetseite, als PowerPoint-Präsentation oder mittels eines Weblogs.


Zu unterscheiden sind sogenannte Long Term und Short Term WebQuests. Von der gewählten Zeitspanne ist die Entscheidung über geeignete Kommunikationswege und die Verwendung von E-Learning Tools abhängig. Short Term WebQuests eignen sich beispielsweise für Präsenz-Einheiten, kommen somit ohne digitale Kommunikationstechniken und wegen der zeitlichen Beschränkung auch ohne E-Learning Tools, wie Lernplattformen, aus.

Stolpersteine

    • Die objektive und nachvollziehbare Evaluation der Leistung ist bei einem Lernszenario wie dem WebQuest eine große Herausforderung. Über die formalen Aspekte hinaus sollte das Feedback dazu dienen, die Studierenden zur Reflexion ihrer Lernprozesse anzuregen und ein Gefühl der angemessenen Würdigung ihrer Arbeit zu vermitteln. In diesem Kontext empfiehlt es sich, im Vorhinein Bewertungskriterien aufzustellen. Sinnvoll ist es, dabei auch die Dokumentation des Arbeits- bzw. Lernprozesses zu integrieren. Anhand solcher Kriterien kann dann der Bewertungsprozess auch in der Gruppe stattfinden, was das Gefühl einer kritischen Würdigung der erbrachten Arbeit verstärkt. Zusätzlich kann ein schriftliches Feedback des Lehrenden hilfreich sein. Dabei sollte nicht nur das „Endprodukt“ im Mittelpunkt stehen, sondern vor allem auch die Kommunikation und Kooperation der Lernenden. Für Lernende ist es z.T. ungewohnt, ein Feedback über ihr Kommunikation- bzw. Kooperationsverhalten zu erhalten. Dennoch ist dies als Grundlage für die Reflexion des gesamten Lernprozesses wichtig. Für die Reflexion sollte im Diskussionsforum oder innerhalb einer Präsenzveranstaltung Zeit und Raum gegeben werden, so dass es zu einem Austausch aller am Lernprozess Beteiligten kommen kann.
    • Wenn Lernende und Lehrende nicht die Gelegenheit haben, sich regelmäßig präsent zu treffen, um gemeinsam ein WebQuest zu bearbeiten, sondern örtlich verteilt sind und unter Umständen auch kein einheitliches Zeitfenster zur Verfügung steht, wird die Kommunikation zu einem Problem oder zumindest zu einem Stolperstein, der aus dem Weg geräumt werden muss. Hier reicht es nicht aus, Aufgaben, Materialien und Recherchelinks digital zur Verfügung zu stellen, sondern es müssen auch Möglichkeiten geschaffen werden, die Kommunikation und Konstruktion für die Lernenden zumindest teilweise auf elektronischem Wege zu ermöglichen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die Lernenden Unterstützung und Feedback von den Lehrenden erwarten. Zum asynchronen Austausch ist vor allem ein Diskussionsforum erforderlich. Hier sollte es auch möglich sein, den einzelnen Beiträgen Anhänge (z.B. ein Word-Dokument) anzufügen, so dass auch auf einzelne Dateien zurückgegriffen werden kann, die von den unterschiedlichen Gruppenmitgliedern weiter bearbeitet werden können. Teilweise wird von den Lernenden auch ein Chatmodul zum synchronen Austausch gewünscht. Kommunikation per E-Mail ist in aller Regel über bereits vorhandene persönliche Mail-Accounts möglich. In der Praxis ist die Erweiterung eines WebQuests um Kommunikationstools relativ einfach zu bewerkstelligen: es wird innerhalb des WebQuests auf die Einstiegsseite z.B. einer Groupware verlinkt (Gerber, 2004b). Teamspace ist auch für unerfahrene „E-Learner“ relativ intuitiv zu bedienen. Allerdings ist das Programm kostenpflichtig. Weitere Informationen sind unter http://www.teamspace.de zu finden. Lehrende sollten auf alle Fälle über theoretisches Rüstzeug in der Moderation von E-Kommunikation verfügen. Hier sei insbesondere auf die Schriften von Christina Rautenstrauch (2001) sowie Gilly Salmon (2000) hingewiesen. Daneben spielt praktische Erfahrung im Umgang mit den zu verwendenden Kommunikationstools eine ganz entscheidende Rolle.
    • Lehrende müssen sich bei dieser Art von Lernszenario darauf einstellen, nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, sondern als Lernbegleiter eher im Hintergrund zu agieren und bei Fragen und Problemen zu helfen. Chana German fasst diese Rollenveränderung als „moving from being the “sage on the stage” to being the “guide on the side” treffend zusammen.

Vorteile

      • WebQuests könnte man als E-Learning für Einsteiger bezeichnen. Es sind keine großen Programmierkenntnisse der Lehrenden nötig und keine großen Vorkenntnisse der Lernenden.
      • Es handelt sich um eine problem- und fallbasierte Form der Prüfung. Es wird weniger das Faktenwissen eines Studierenden abgefragt als vielmehr seine Problemlösekompetenz und der Transfer des bisher Erlernten in einen größeren Rahmen.
      • Die Studierenden werden angeregt, Informationen zu einem klar definierten Thema zusammenzufassen und adäquat zu präsentieren sowie ein Verständnis für die sinnvolle Verwendung von Internetquellen zu entwickeln.
      • Für die Lernenden bedeutet dieser Ansatz eine enorme Zeitersparnis, da die aufwändige Suche nach geeigneten Quellen im Internet wegfällt.
      • Der Inhalt der Quellen kann qualitativ und quantitativ auf die jeweilige Zielgruppe (z.B. Kurs, Seminar usw.) abgestimmt werden.

Nachteile

      • Falls das WebQuest in der Präsenzzeit stattfinden soll, bedeutet das für den Lehrenden einen erheblichen Zeitaufwand.
      • Die Beschaffung von Informationen wird nicht unter realen Bedingungen geübt. Das bedeutet, dass auf den Einsatz der Internetrecherche außerhalb der WebQuest-Übung nicht vorbereitet wird.

Beispiele

Da WebQuests jeweils aus einer Folge von HTML-Seiten bestehen, sind sie im Internet besonders gut dokumentierbar und es sind zahlreiche Beispiele auffindbar.

      • Hunderte von Beispielen für verschiedene Altersstufen hat etwa die San Diego State University gesammelt.
      • Die englischsprachige Seite webquest.org umfasst eine umfassende Materialsammlung und bietet vertiefende Informationen.
      • Im deutschsprachigen Raum sind die Sammlungen unter webquests.de und das WebQuest Forum zu nennen, die sich allerdings beide auf den Schulunterricht konzentrieren.
      • Ein WebQuest-Beispiel aus dem universitären Bereich zum Thema „Alexandria” wurde an der Universität Frankfurt entwickelt.
      • Ein WebQuest zum Thema WebQuest wurde von Christine Bescherer entwickelt.

Werkzeuge

      • Die technische Umsetzung von WebQuests kann sehr einfach sein, da es prinzipiell ausreicht ein Dokument mit Hyperlinks erstellen zu können, hierfür kann ein Word-Dokument, eine PowerPoint-Präsentation oder eine Excel-Tabelle herhalten, vorwiegend werden jedoch HTML-Seiten verwendet.
      • Auf der Webseite des Entwicklers Bernie Dodge gibt es einige Softwareempfehlungen für Programme zur Erstellung von WebQuests ohne Webeditor. QuestGarden zum Beispiel wurde von Bernie Dodge selbst entwickelt.
      • Der Zentralschweizer Bildungsserver bietet die Möglichkeit, über eine Eingabemaske, ganz ohne HTML-Kenntnisse, WebQuest-Seiten entsprechend der Strukturelemente mit Inhalt zu füllen, Grafiken einzufügen und kostenlos zu veröffentlichen.
      • Für die Erstellung computerunterstützter Übungen und Tests sind oftmals entsprechende Funktionen in Autorenwerkzeugen oder Lernmanagementsystemen verfügbar. Prüfungsgeneratoren hingegen sind speziell auf die Erstellung von Übungen, Tests und Examen ausgerichtet.

Weitere Informationen

    • WebQuest-Expertin Sonja Gerber schildert im e-teaching.org Langtext "WebQuest – E-Learning nicht nur für Anfänger " (PDF), wie sich mit Hilfe dieser Methode das Lernen in Präsenz- und Onlinesettings strukturieren läßt.
    • In dem Portal BestWebQuest.com von Tom March werden WebQuests aus verschiedenen Gebieten vorgestellt und nach bestimmten Kriterien bewertet. Zudem gibt Tom March einige interessante Denkanstöße und Kommentare zum Thema WebQuest.
Letzte Änderung: 05.09.2016