Rezension Kauffeld & Othmer (2019)

Kauffeld, S. & Othmer, J. (2019). Handbuch Innovative Lehre. Wiesbaden: Springer.

Die Digitalisierung wirkt sich auf alle Bereiche der Gesellschaft aus, darunter auch die Hochschulen und ihr Kernstück – die Lehre. Dies stellt Lehrende vor neue Herausforderungen, zum Beispiel: Wie gestalte ich Lehrmaterialien abseits der Vortragsform, wenn ich nun vielfältige Formen zur Auswahl habe? Wie arbeite ich mit Studierenden, wenn sie den Lehrstoff schon vorab per Video gesehen haben? Und welches Selbstverständnis habe ich als Professorin, wenn ich nicht mehr Faktenwissen in einer Vorlesung referiere, sondern in Inverted Classrooms Diskussionsprozesse moderiere?

Antworten auf solche praktischen Fragen geben im soeben erschienenen „Handbuch Innovative Lehre“ Autorinnen und Autoren aus unterschiedlichen Disziplinen und aus verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen. Dabei werden jeweils gezielt theoretische Hintergründe der Konzepte, die praktische Umsetzung und die persönlichen Erfahrungen der Lehrenden dargestellt. Selbstverständlich sind unter den innovativen Lehrkonzepten auch einige digitale Lehrformate, jedoch müssen die vorgestellten innovativen Lehrformate nicht zwingend digital sein.

Beide Herausgebenden arbeiten an der TU Braunschweig, Simone Kauffeld als Inhaberin des Lehrstuhls für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie und von 2012 bis 2018 als Vizepräsidentin im Ressort Studium und Lehre, Julius Othmer als Verantwortlicher für die Projektgruppen in Studium und Lehre. Sie untergliedern die insgesamt 34 Beiträge in sechs Themenbereiche, die sich aus den Schwerpunkten der Innovationsprojekte an ihrer Hochschule herauskristallisiert haben: forschendes Lernen, mobiles Lernen, problemorientiertes Lernen, Game-based Learning, Inverted Classroom und Visualisierung. Jeder Thementeil beginnt mit einem Einführungskapitel, in dem das Schwerpunktthema begrifflich geklärt und die Historie des Themas hergeleitet wird, Einsatzszenarien dargestellt und Potenziale sowie Gelingensbedingungen des innovativen Konzepts diskutiert werden. Dies gibt den Lesenden einen guten Überblick und erleichtert insbesondere Neulingen den Einstieg in die Thematik und die Einordnung der Beiträge. In den weiteren Beiträgen der Themenschwerpunkte werden meist Best-Practice-Beispiele innovativer Lehre vorgestellt, jedoch werden daraus i.d.R. Schlussfolgerungen abgeleitet, die auch über die konkrete Veranstaltung hinaus hilfreich sind.

Noch vor der Auseinandersetzung mit den Themenschwerpunkten wird zu Beginn des Buches am Beispiel der TU Braunschweig erläutert, wie innovative Lehrprojekte nachhaltig an der Hochschule verankert und übertragen werden könne. Dabei werden sehr anschaulich deren Strategie und Innovationsmodelle vorgestellt sowie konkrete Maßnahmen dargelegt – zum Beispiel akademische Fachzirkel, der Lehrpreis „LehrLEO“ oder Innovations- sowie Transferprogramme, die dazu beigetragen haben innovative Lehre von der Tiefe in die Breite zu führen.

Entsprechend stammen etwa die Hälfte der Autorenbeiträge von Lehrenden der TU Braunschweig. Darüber hinaus konnten die Herausgeber jedoch auch Beiträge renommierter Expertinnen und Experten anderer Hochschulen für ihre Publikation gewinnen, deren Lehrkonzepte jeweils durch Lehrpreise ausgezeichnet wurden oder sich in wettbewerblichen Verfahren durchgesetzt haben. So beschreibt bspw. Malte Persike den Einführungsprozess eines Blended-Learning-Ansatzes in (seinen) Großveranstaltungen an der Universität Mainz. Dabei geht er unter anderem auf die Bedeutung verschiedener digitaler Lernformate ein und bietet praktische Empfehlungen zum Umgang mit Problembereichen des Inverted-Classroom-Modells, etwa der studentischen Vorbereitung während des Selbststudiums oder der Aktivierung der Studierenden während der Präsenzphasen.
Von einem Projekt des Fachbereichs Psychologie an der Universität Heidelberg, bei dem die Studierenden im Rahmen eines Seminars Interviews mit Experten bzw. Expertinnen führen, berichtet Birgit Spinath, Professorin für Pädagogische Psychologie. Die Studierenden suchten sich ein spezielles Thema aus, recherchierten, entwickelten Interviewleitfäden und führten die Interviews selbstständig durch. Die von den Studierenden aufbereiteten Texte wurden in der Reihe „Meet the Expert: Wissen aus erster Hand“ im Springer-Verlag veröffentlicht.
Sönke Knutzen, Henning Klaffke und Alexander Schmitt beschreiben das Projekt mytrack, mit dem Studierende an der TU Hamburg in der Studieneingangsphase Unterstützung bei der individuellen Studienorganisation erhalten. Strukturgebendes Element ist dabei vor allem eine online-gestützte Diagnose individueller Kompetenzförderbedarfe und ein anschließendes Beratungs- und Orientierungskonzept zur Entwicklung von individuellen Studienverlaufsplänen.

Bereits diese drei exemplarisch herausgegriffenen Beispiele aus verschiedenen thematischen Abschnitten zeigen deutlich, dass die Beiträge im Handbuch innovative Lehre sehr vielfältig sind und tatsächlich viele verschiedene Fachbereiche und Lehrprojekte abgedeckt werden. Eins haben allerdings alle Beiträge gemeinsam: die sehr anschauliche, praxis- und transferorientierte Darstellung.

Insgesamt wird deutlich das vorliegende Handbuch ist zwar kein Handbuch im klassischen Sinne, jedoch bietet es mehr als eine bloße Ansammlung von Best-Practice Beispielen. Es handelt sich um eine systematisch aufbereitete Anleitung, die zum Nachmachen und zum Ideentransfer einlädt. Die Neuerscheinung steckt ihre Leserschaft mit der Begeisterung der Autoren und Autorinnen für innovative Lehre an und bietet zahlreiche Inspirationsquellen für die eigene Lehre. Ein wirklich lesenswertes Buch für Praktiker und Praktikerinnen, das fundierte Anregungen gibt und dazu ermutigt neue Methoden und Ansätze in der eigenen Lehre zu erproben.

 

 

 

Letzte Änderung: 23.10.2019