Asynchron hybride Vorlesung

Die asynchron hybride Vorlesung lässt Studierenden die Wahl zwischen einer Teilnahme in Präsenz und einer rein digital-asynchronen Teilnahme über ein Lernmanagementsystem. So können mit der betreffenden Lehrveranstaltung auch Studierende erreicht werden, die aufgrund von zeitlichen und räumlichen Hindernissen nicht an der Präsenzveranstaltung teilnehmen können.

Kontext

Konzepte hybrider Lehre, mit denen Studierenden eine flexible Teilnahme an Lehrveranstaltungen ermöglicht werden soll, reichen vom synchronen hybriden Streaming-Format bis hin zum HyFlex-Ansatz, bei dem Studierende sich zwischen einer Teilnahme in Präsenz, einer digital-synchronen Teilnahme und einer digital-asynchronen Teilnahme entscheiden können (zur Abgrenzung der unterschiedlichen Varianten hybrider Lehre vgl. Reinmann 2021). Während sich synchrone Hybrid-Veranstaltungen (bei guten technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen) mit überschaubarem Aufwand umsetzen lassen, bedeutet der HyFlex-Ansatz für Lehrende einen sehr großen Aufwand und eine hohe didaktische Komplexität. 

Problem

Synchrone Vorlesungssettings (online, im Hörsaal oder hybrid) bieten Studierenden wenig zeitliche Flexibilität. Diese Flexibilität kann jedoch wichtig sein, um beispielsweise Studium und Familie oder Studium und Arbeit vereinbaren zu können.

Rahmenbedingungen

  • Stellenwert von Präsenzveranstaltungen für Studierende: Präsenzveranstaltungen bieten dem persönlichen (auch informellen) Austausch Raum − zwischen den Studierenden, aber auch zwischen der oder dem Dozierenden und den Studierenden. Viele Studierende nutzen diese Angebote auch, um ihren Studienalltag zu strukturieren.
  • Zeitliche und räumliche Einschränkungen: Aufgrund von unter anderem gesundheitlichen Einschränkungen, familiären Verpflichtungen und studentischer Erwerbstätigkeit, ist für einige Studierende die Teilnahme an Präsenzveranstaltungen (zeitweise) nicht möglich.
  • Arbeitsaufwand für die Lehrperson: Lehrende stehen vor der Herausforderung, einerseits den Studierenden ein möglichst hohes Maß an Flexibilität für den Besuch ihrer Lehrveranstaltung zu bieten und sich andererseits keiner unverhältnismäßigen Arbeitsbelastung auszusetzen.

Lösung

Ein hybrides Vorlesungssetting, bei dem die Studierenden die Wahl zwischen einer Teilnahme in Präsenz und einer rein digital-asynchronen Teilnahme über ein Lernmanagementsystem (LMS) haben, bietet eine große Flexibilität bei der Organisation des Studienalltags. Für die asynchrone Teilnahme kann entweder die Veranstaltung aufgezeichnet werden oder ein anderes Videoformat (z. B. ein Screencast) im LMS zur Verfügung gestellt werden. Eine gleichwertige Betreuung der in Präsenz teilnehmenden und der digital-asynchron teilnehmenden Studierenden ist für die erfolgreiche Umsetzung des Konzepts von zentraler Bedeutung.

Details

Für die rein digitale Teilnahme an der Lehrveranstaltung sollte im LMS ein didaktisches Gesamtpaket zur Verfügung gestellt werden, das neben Vorlesungsvideos auch Interaktionsmöglichkeiten und Materialien zur Vor- und Nachbereitung der Inhalte umfasst. Die Lehrveranstaltung sollte im LMS übersichtlich abgebildet sein, sodass alle Informationen zum Aufbau, zum Ablauf, zu den intendierten Lernzielen sowie zu den zu erbringenden Prüfungsleistungen auf einen Blick zur Verfügung stehen. Dafür bietet sich ein kurzer Infoblock an; hier kann ggf. auch mit Aufklappmenüs gearbeitet werden. Außerdem sollte erklärt werden, wie mit dem LMS gearbeitet werden kann bzw. wie die Veranstaltung im LMS aufgebaut und gedacht ist, welche Form der Teilnahme erwartet wird etc.

Für die rein digital-asynchron teilnehmenden Studierenden ist es außerdem wichtig, dass sowohl die Möglichkeit besteht, der Lehrperson Fragen zu stellen als auch mit den in Präsenz teilnehmenden Studierenden in Austausch zu treten. Deshalb sollte im LMS für alle ein moderiertes Forum angeboten werden. Auch die in Präsenz teilnehmenden Studierenden können – etwa durch die gegenseitige Beantwortung von Fragen – von dieser Kommunikationsmöglichkeit profitieren. Im Forum ist es besonders für die gleichwertige Betreuung der asynchron teilnehmenden Studierenden wichtig, dass die Lehrperson und/oder Tutor*innen zeitnah auf Fragen reagieren – z. B. jede Woche an festen Wochentagen. Hier kann außerdem eine Auswahl der Fragen, die in der Präsenzsitzung diskutiert wurden, dokumentiert werden.

Wenn für die asynchrone Teilnahme nicht die Vorlesung aufgezeichnet wird, sondern eigene Videos (z. B. Screencasts) erstellt werden, können auch hier Reflexionsfragen, Arbeitsaufträge etc. eingebunden werden.

Darüber hinaus kann es inhaltlich sinnvoll und für das Gemeinschaftsgefühl der Studierenden förderlich sein, ein paar wenige (terminierte) Arbeitsaufträge explizit für eine gruppenübergreifende Kooperation im LMS zu hinterlegen (z. B. zur Umsetzung in einem Etherpad).

Die asynchron hybride Vorlesung kann in unterschiedlichem Maße flexibel gestaltet werden. Um eine bessere Planbarkeit zu gewährleisten, kann es z. B. sinnvoll sein, Fristen für die Bearbeitung von Materialien oder Aufgaben zu setzen oder festzulegen, dass sich die Studierenden zu Beginn des Semesters entscheiden müssen, ob sie grundsätzlich in Präsenz oder digital-asynchron an der Veranstaltung teilnehmen möchten. 

Stolpersteine

  • Bei rein asynchroner Teilnahme an Lehrveranstaltungen ist von den Studierenden große Selbstdisziplin gefordert. Die Studierenden sollten daher im Vorfeld der betreffenden Lehrveranstaltung über die besonderen Herausforderungen dieser Variante aufgeklärt werden. Außerdem sollte der Austausch mit den asynchron Teilnehmenden kontinuierlich gefördert werden, sodass deren Hemmschwelle möglichst niedrig ist, sich auch bei Problemen an die Dozentin oder den Dozenten zu wenden.
  • Damit den asynchron teilnehmenden Studierenden keine Nachteile entstehen, sollte deren Betreuung (z. B. das Beantworten von Fragen) kontinuierlich erfolgen, was einen nicht unerheblichen Arbeitsaufwand bedeuten kann. Daher ist es ratsam, sich, wenn möglich, bei der Betreuung dieser Teilnehmenden-Gruppe durch Tutorinnen und Tutoren unterstützen zu lassen.

Vorteile

Für die Studierenden:

  • Die asynchron hybride Vorlesung bietet Studierenden sowohl zeitlich als auch räumlich Wahlmöglichkeiten in Bezug auf die für sie jeweils passende Teilnahme an der Lehrveranstaltung.
  • Auch die in Präsenz Teilnehmenden können von den umfassenden Angeboten, die im LMS zur Verfügung stehen, profitieren.

Für die Lehrenden: 

  • Da die Lehrperson den Studierenden große Flexibilität bietet, kann davon ausgegangen werden, dass die Studierenden, die sich bewusst für die Teilnahme in Präsenz entscheiden, auch wirklich vor Ort sein und aktiv mitarbeiten möchten.

Nachteile

Für die Studierenden:

  • Die soziale Komponente, in der Form, in der man sie aus der Präsenz kennt (z. B. der spontane fachliche Austausch in Gruppen in einer Veranstaltung, aber auch der informelle Austausch nach und vor der Veranstaltung unter den Studierenden und zwischen den Studierenden und den Lehrenden), lässt sich nicht auf digital-asynchrone Beteiligungsformen übertragen. 

Für die Lehrenden:

  • Ob und wie die Studierenden die zur Verfügung gestellten Inhalte nutzen, ist für die Lehrenden im asynchronen Setting ggf. schwer nachzuvollziehen.

Werkzeuge

  • Lernmanagementsystem
  • Screencast- und evtl. zusätzliches Schnittprogramm oder Equipment für Veranstaltungsaufzeichnungen (Kamera/s, Mikrofon/e)

Beispiele

Im Rahmen der Videoreihe „Blitzlichter digitaler Lehre“ des Projekts „HessenHub − Netzwerk digitale Hochschullehre Hessen“ stellt Prof. Dr.-Ing. Jörg Lange aus dem Fachgebiet Stahlbau an der TU Darmstadt zwei von ihm durchgeführte hybride Veranstaltungen vor. Eine der Veranstaltungen bietet den Studierenden die Wahl zwischen einer Teilnahme in Präsenz und einer digital-asynchronen Teilnahme. Im Video berichtet er u. a. von seiner Entscheidung für dieses Konzept und den gemachten Erfahrungen.

Die ILIAS-Beispielkurse (JLU) der Justus-Liebig-Universität Gießen zeigen, wie digitale Lehrveranstaltungen ausgehend von ILIAS-Kursen strukturiert und für Studierende übersichtlich angelegt werden können. Die Pakete bestehen aus einem Beispielkurs, einem Leitfaden, der weiterführende Informationen zur Idee hinter dem Beispiel gibt, und Screencasts, die zeigen, wie die Kurse in ILIAS umgesetzt werden können.

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