Flexible Vorhangsysteme

Idealerweise sollen Räume auf dem Campus für unterschiedliche Lehr- und Lernszenarien nutzbar sein. Raumhohe Vorhangsysteme, mit denen sich kleinere Bereiche abtrennen lassen, können die flexible Nutzung von Räumen unterstützen.

Kontext

In Studium und Lehre kommen unterschiedlichste didaktische Szenarien zum Einsatz. Durch die Vielfalt an Methoden und Sozialformen sowie die vielfältige Nutzung digitaler Medien und Werkzeuge entstehen auch vielfältige Anforderungen an die Räumlichkeiten auf dem Campus, in denen Lehren und Lernen stattfindet. Insbesondere der Flächenbedarf kann dabei stark variieren: mal wird ein großer Raum benötigt, mal viele kleine Räume. Für Hochschulen ist es jedoch kaum möglich, viele unterschiedliche Raumgrößen in großer Anzahl auf dem Campus anzubieten – zumal meist gar nicht alle Räume gleichzeitig benötigt werden und die Räume nicht voll ausgelastet wären. Hochschulen haben entsprechend einen großen Bedarf an flexiblen Flächen, die trotz begrenzter Raumkapazitäten durch aufeinander abgestimmte Nutzungskonzepte eine Vielzahl an Lehr-Lernszenarien ermöglichen.

Problem

Je nach Lehr- und Lernsituation können sich die Anforderungen an einen Raum schnell ändern. Ein größerer Raum soll gegebenenfalls während einer Lehrveranstaltung ohne großen Aufwand für einen kurzen Zeitraum in mehrere Unterbereiche unterteilt werden. Insbesondere bei der Unterteilung des Raums für die Arbeit in mehreren Kleingruppen wird ein Sicht- und Schallschutz benötigt, damit die Gruppen sich nicht gegenseitig stören.

Rahmenbedingungen

  • Wechselnde Lehr-/Lernszenarien innerhalb einer Lehrveranstaltung: Lehrveranstaltungen beinhalten oftmals innerhalb einer einzelnen Präsenzsitzung unterschiedliche Arbeitsphasen mit einem Wechselspiel aus Großgruppe und kleineren Studierendengruppen.
  • Flexibilität in der Raumnutzung: Klassische Seminar- und Arbeitsgruppenräume lassen sich hinsichtlich ihrer Möblierung zwar gegebenenfalls an verschiedene Nutzungsszenarien anpassen, einen Sicht- und Schallschutz für die Arbeit in Kleingruppen bieten sie aber meist nicht.
  • Flexible Lernflächen und -räume: Studierende brauchen auf dem Campus Lernräume, in denen sie ungestört in verschiedenen Gruppengrößen arbeiten können. Ebenso werden Ruhezonen für das individuelle Lernen oder Pausen benötigt.
  • Hybride Lehr- und Lernszenarien: In hybriden Lehr- und Lernsettings kommen oftmals Videoübertragungen oder auch -aufnahmen zum Einsatz. Für eine gute Bild- und Tonqualität sowie eine möglichst ungestörte Kommunikation aller Teilnehmenden bedarf es einer lärmgeschützten, gegebenenfalls schallgedämpften Umgebung mit Sichtschutz bzw. neutralem und ruhigem Hintergrund und anpassbaren Lichtverhältnissen.
  • Projekträume und Studios: Lehrende und Studierende können auf dem Campus Studios und Projekträume nutzen, in denen sie Zugang zu hochwertigem technischem Equipment haben, bspw. um Videos oder Podcasts zu produzieren, VR-Umgebungen zu nutzen oder Prototypen zu entwickeln. Dabei unterscheiden sich je nach Nutzung die Anforderungen an den Raum hinsichtlich Größe, Lichtverhältnissen oder Schallschutz. Insbesondere Studios sind teils sehr groß angelegt, werden – je nach Fachbereich – jedoch nicht täglich benötigt und bieten entsprechend Raum für eine alternative Nutzung.

Lösung

Vorhangsysteme erlauben eine schnelle Unterteilung eines Raums in kleinere Einheiten. Die an der Decke über ein Schienensystem laufenden, raumhohen Vorhänge bieten als „flexible Wände“ sowohl einen Sicht- als auch Schallschutz zwischen den entstehenden Raumeinheiten und können ganz nach Bedarf verschoben und angepasst werden.

Details

Mit Vorhängen aus hochwertigen, schallschluckenden Materialien lassen sich sowohl Räume in kleinere Einheiten unterteilen als auch einzelne Bereiche von großen Lernflächen abtrennen. Bei einer durchschnittlichen Deckenhöhe und leichtgängigen Vorhangschienen lassen sich die Vorhänge gut von Hand verschieben. Ist der Raum hingegen sehr hoch kann ein elektrisches Vorhangsystem sinnvoll sein.

Die Vorhangsysteme eignen sich, um Seminarräume jederzeit flexibel in kleinere Bereiche für Gruppenarbeiten zu unterteilen. In größeren Lernarealen auf dem Campus können mit Vorhangsystemen auch einzelne Bereiche abgetrennt und bspw. als Gruppenarbeitsbereiche oder auch als Ruhezone genutzt werden. In Studios und Projekträumen lassen sich mit den Vorhängen ganz nach Bedarf z.B. Bereiche für die Videoproduktion einrichten oder Flächen für die VR-Nutzung abtrennen.

Steckdosenwürfel an der TH Köln
Abb.1: Decken-Steckdosenwürfel an der TH Köln (Foto: Mareike Kehrer)

Damit der Raum tatsächlich flexibel genutzt werden kann, bedarf es neben dem Vorhangsystem einer flexiblen Möblierung. Sitzgelegenheiten und Tische müssen transportabel sein und sich schnell und einfach an unterschiedliche Nutzungsszenarien anpassen lassen.

Elementar für die flexible Nutzung digitaler Medien sind zudem die Stromversorgung in allen Raumbereichen sowie Anschlüsse für die Raumtechnik in den entstehenden Raumeinheiten. Zu bevorzugen sind dabei gut zugängliche, barrierefreie Anschlüsse in Boden oder Wänden sowie gegebenenfalls von der Decke absenkbare Anschlüsse (siehe Abb.1), die die Bewegungsfreiheit im Raum nicht einschränken.

Stolpersteine

  • Werden Vorhänge zur Raumunterteilung verwendet, ergeben sich gegebenenfalls Raumeinheiten ohne Tageslicht. Zudem verändern sich abhängig vom Einsatz der Vorhänge immer wieder die Lichtverhältnisse im Raum. Notwendig ist deshalb ein gut durchdachtes Beleuchtungssystem, das in allen Raumbereichen eine gute Ausleuchtung ermöglicht und sich an die jeweilige Raumnutzung anpassen lässt.
  • Neben den Vorhangschienen müssen an der Decke gegebenenfalls auch die Beleuchtung sowie Raumtechnik, wie bspw. Beamer, angebracht werden, wobei sich die einzelnen Elemente je nach Platzierung in die Quere kommen und die Nutzungsmöglichkeiten gegenseitig einschränken können. Auch an den Wänden sind gegebenenfalls Präsentationsflächen oder Displays vorgesehen, die sowohl bei vorgezogenen als auch offenen Vorhängen zugänglich sein sollen. Diese Raumelemente und ihre Platzierung im Raum sollten entsprechend bereits vor der Installation aufeinander abgestimmt und im Falle konkurrierender Bedarfe für die zentralen Nutzungsszenarien des Raums optimiert werden.
  • Räumliche Gegebenheiten, wie etwa die Tragfähigkeit der Deckenkonstruktion, aber auch Sicherheitsbestimmungen, beispielsweise in Bezug auf den Brandschutz und verwendete Materialien, können Hürden für die Installation eines Vorhangsystems darstellen. Mit einer guten Planung vorab können jedoch meist gute Lösungen für eine Umsetzung gefunden werden. Allerdings können dadurch zusätzliche Kosten entstehen.
  • Wird ein Raum von mehreren Personengruppen gleichzeitig genutzt, kann der Einsatz des Vorhangsystems gegebenenfalls andere Personen in ihrer Raumnutzung beeinträchtigen. Hier helfen, neben einem grundsätzlich rücksichtsvollen Miteinander, klare Regeln für die Raumnutzung.
  • Hinzu kommt, dass bei zugezogenen Vorhängen Raumeinheiten als geschützte und geschlossene Umgebung wahrgenommen werden, was dazu führen kann, dass auch die Lautstärke der Anwesenden im Vergleich zu einer geteilten Raumnutzung ohne Vorhänge ansteigt. Andere Gruppen im Raum kompensieren dies, indem sie ebenfalls die Lautstärke ihrer Kommunikation erhöhen. Ist den Anwesenden dieser Effekt nicht bewusst, wird die schallreduzierende Funktion der Vorhänge durch den ansteigenden Geräuschpegel gegebenenfalls aufgehoben.

Vorteile

  • Raumkapazitäten bzw. die vorhandenen Flächen auf dem Campus können durch Vorhangsysteme auf unterschiedliche Weise genutzt werden. Je nach Bedarf können offene , halboffene oder geschlossene Unterbereiche erstellt werden.
  • Im Gegensatz zu frei verstellbaren Sicht- und Schallschutzwänden oder fest installierten Schiebewänden können Vorhänge deutlich schneller genutzt werden. Zudem wirkt der Raum stets aufgeräumt, da keine mobilen Stellwände herumstehen.
  • Mehrere Personen(gruppen) können einen Raum gleichzeitig für unterschiedliche Zwecke nutzen, während gegenseitige Störungen reduziert werden.
  • Die Vorhangsysteme können eigenständig und schnell veränderbar von allen Personen im Raum eingesetzt werden.
  • Lichtverhältnisse und Raumklang lassen sich ganz nach Bedarf anpassen.

Nachteile

  • Das Schienensystem an der Decke gibt unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten für die Raumunterteilung vor, so dass die Flexibilität in der Nutzung durch vordefinierte Optionen eingeschränkt wird.
  • Entstehende Raumeinheiten sind durch die unterteilenden Vorhänge nicht einsehbar. Um zu erkennen, ob ein Raumbereich gerade genutzt wird oder um mit dort anwesenden Personen zu kommunizieren, muss der entsprechende Bereich betreten werden. Dies kann als ein „In-den-Raum-Platzen“ bzw. als Störung empfunden werden.
  • Als flexible Raumelemente sind Vorhangsysteme Verschleißteile. Hochwertige Materialien können zwar die Lebensdauer verlängern, dennoch muss mit einer regelmäßigen Wartung und gegebenenfalls dem Austausch von Systemteilen geplant werden.

Beispiele

An der Technischen Hochschule Köln werden auf dem Campus Gummersbach Vorhangsysteme zur Raumtrennung eingesetzt, um einen großen Raum ganz nach Bedarf in kleinere Unterbereiche zu unterteilen (siehe Abb.2). Tragende Säulen im Raum wurden dabei gezielt als Trennelemente in das Vorhangsystem integriert.

Vorhangsystem an der TH Köln
Abb.2: Vorhangsystem am Campus Gummersbach der TH Köln (Fotos: Mareike Kehrer)

 

Vorhangsystem im hybriden Lernatelier der Uni Weimar
Abb. 3: Ein Teil des Vorhangsystems im hybriden Lernatelier (Foto: Bauhaus Universität Weimar)

An der Bauhaus Universität Weimar ist im Rahmen des Projekts Lernraum.Bauhaus ein hybrides Lernatelier entstanden, in dem prototypisch hybride Lehr- und Lernsituationen inszeniert und erprobt sowie technologische Lösungen hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit, Bedienbarkeit und Nutzungsfreundlichkeit sowie ihrer didaktisch-methodischen Potenziale getestet werden. Ein flexibles Vorhangsystem ermöglicht die Unterteilung des Ateliers in Unterbereiche und stellt einen wichtigen Aspekt des Raumkonzepts dar, in dem insbesondere ästhetische und atmosphärische Aspekte des Raumes als wesentliche Faktoren der Nutzungserfahrung berücksichtigt wurden.

Im Zeitschriftenmagazin der Universitätsbibliothek der Universität Basel wurde ein Vorhangsystem angebracht, um eine Ruhezone von einer größeren Lernfläche mit Arbeitsplätzen abzutrennen (siehe Abb.4). Diese und viele weitere Gestaltungslösungen finden sich in der 2022 erschienenen Open-Access-Publikation „Laboratorium Lernräume - Neue Lernräume an der Universität Basel“.

Ruhezone in der UB Basel
Abb.4: Ruhezone im Zeitschriftenmagazin der Universitätsbibliothek der Universität Basel (Foto: Andi Cortellini/ Bildungstechnologien Univ. Basel)