Raumkombination

Viele Lehr-Lernszenarien können von einem nahtlosen Wechsel zwischen Plenum und Arbeitsphasen in kleineren Gruppen profitieren, dies gilt insbesondere für projektorientierte Formate. Hierzu müssen mehrere geeignete Räume eng beieinander liegen. Um den besonderen Anforderungen verschiedener Lernaktivitäten und Arbeitsphasen gerecht zu werden, können zudem mehrere komplementäre Räume miteinander zu einem Bereich kombiniert werden.

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Abb. 1: Raumkombination am Innovation Hub Bergisches RheinLand an der TH Köln (Fotos: Eva Backes/ Innovation Hub Bergisches RheinLand e.V.)

Kontext

Das Zusammenspiel von Vorlesungssaal, Übungsraum, Labor oder Praktikumsraum ist in vielen Lehr-Lernszenarien gut erprobt. Große Gruppen eines Semesters werden in allgemeinen Lehrräumen gemeinsam unterrichtet (z.B. in einem Hörsaal) und arbeiten anschließend in kleineren Gruppen in Fachräumen, z.B. in Laboren, Computerräumen, Werkstätten oder Studios. Da fachspezifische Räume nicht für jedes Fach geeignet, sondern auf spezifische Lernaktivitäten ausgelegt sind (etwa Laborexperimente, das Entwickeln von Prototypen oder Erstellen von Videoaufnahmen), bieten sie meist nur Platz für kleinere Studierendengruppen. Während eine größere Kohorte eines Fachsemesters gleichzeitig in einem Hörsaal oder Seminarraum sitzen kann, muss die Gruppenarbeit in kleinen fachspezifischen Räumen meist sequenziert werden, da nicht alle Studierenden gleichzeitig Platz darin finden.

Problem

Die sequenzielle Nutzung von fachspezifischen Räumen durch Kleingruppen (z.B. unterschiedliche Termine für Praktikumsgruppen oder für die Nutzung von Spezialräumen und Laboren) erschwert die enge Verzahnung unterschiedlicher Lernaktivitäten. So liegen zwischen der Vermittlung des theoretischen Basiswissens im großen Hörsaal, der praktischen Anwendung in kleineren Fachräumen und der Reflektion eigener Arbeitsergebnisse oft große zeitliche Abstände, wodurch es zu Brüchen im Lernprozess kommt.

Insbesondere bei Blockveranstaltungen (Blocktage, Blockwochen oder mehrstündige Veranstaltungen) und projektorientierten Szenarien gliedert sich die Durchführung einer Veranstaltung jedoch in unterschiedliche Phasen, die zeitlich eng miteinander verknüpft sein sollten. Um eine größere Kohorte aufzuteilen und gleichzeitig parallel in Kleingruppen arbeiten zu lassen, werden entsprechend viele kleine Räume benötigt.

Rahmenbedingungen

  • Allgemeine und fachbezogene Lernräume: Hochschulen verfügen in der Regel über große allgemeine Lehrräume (Vorlesungssaal, Seminarraum), die für viele Fächer geeignet sind, und kleine fachbezogene Lernräume (Labor, Projektraum), die jeweils auf einige wenige Fächer und Lernaktivitäten optimiert sind (z.B. Durchführen von Experimenten, Bedienen von Maschinen, Medienausstattung, Kreativräume).
  • Zuteilung der Räume: Die allgemeinen Lernräume werden gemeinsam vom Kollegium genutzt, wobei der Stundenplan die Raumnutzung festlegt. Die fachbezogenen Lernräume werden von einzelnen Arbeitsgruppen, Instituten oder Fachbereichen betreut und verwaltet. Diese Räume sind meist kleiner und richten sich enger an den Bedarfen der Forschungsfelder und Lehrgebiete aus. Sie eignen sich für kleine Gruppengrößen, wobei einzelne Gruppen die Fachräume nacheinander nutzen können.
  • Sequenzierung und Parallelität: Bei einer engen Verzahnung zwischen Lernen in der großen Gruppe und projektorientiertem Arbeiten in kleinen Teams sollten die einzelnen Kleingruppen nicht mehr nacheinander in die Fachräume aufgeteilt werden, sondern parallel im direkten Anschluss vor/nach einer Plenumsbesprechung in mehreren Fachräumen arbeiten.
  • Unterschiedliche Ausstattung: In den verschiedenen Phasen der Lehrveranstaltung (etwa bei der Vermittlung theoretischer Grundlagen, der Ideenfindung, der Umsetzung, in Feedbackprozessen usw.) können unterschiedliche fachspezifische Materialien oder Werkzeuge benötigt werden. Diese setzen unterschiedliche Raumkonfigurationen voraus, die ineinandergreifen sollten.
  • Laufwege: Wenn unterschiedliche Raumausstattungen benötigt werden oder verschiedene Lernaktivitäten und Arbeitsphasen abwechselnd in großen und kleinen Gruppen stattfinden, dann führt der häufige Wechsel zwischen Räumen zu langen Laufwegen, hohem Organisationsaufwand und Störungen im Lernfluss.
  • Transfer von Material: Beim Arbeiten in verschiedenen Räumen muss zudem der Transfer von Arbeitsaufträgen und Arbeitsergebnissen organisiert werden. So müssen alle Studierenden Zugriff auf den Arbeitsauftrag haben und bei der Ergebnispräsentation sollten Arbeitsergebnisse wiederum in ein gemeinsames Plenum mitgebracht werden können. Dies ist bei haptischen Materialien oft sehr schwer umzusetzen. 

Lösung

Eine Kombination aus mehreren fachspezifischen Lernräumen, die in räumlicher Nähe zueinander untergebracht sind und sich gegenseitig ergänzen, ermöglicht die enge Verzahnung von Lernaktivitäten und das Aufteilen einer Großgruppe in mehrere Kleingruppen während einer Veranstaltung. Die fachspezifischen Räume variieren einerseits, um bestimmte Lernaktivitäten optimal zu unterstützen. Gleichzeitig sollten sie eine vergleichbare Basisausstattung besitzen, um mehrere Gruppen gleichzeitig an derselben Aufgabe arbeiten zu lassen. Dies gilt insbesondere für die mediale Ausstattung, damit digitalisierte Arbeitsergebnisse zwischen den Räumen mitgenommen und ausgetauscht werden können. Der Wechsel zwischen Lernaktivitäten in der großen Gruppe und mehreren kleinen Gruppen kann in diesem Setup häufiger und ohne Zeitverzögerung geschehen. Die Entfernung zwischen den fachspezifischen Räumen und einem (fachunspezifischen) Plenum sollte ebenfalls nicht zu weit sein. Im Idealfall befinden sich die Räume auf einer Etage oder sind direkt benachbart. 

Details

Ein großer allgemeiner Lernraum (z.B. ein Hörsaal oder Seminarraum) kann als Plenum für Impulse, die Ergebnispräsentation und die allgemeine Koordination dienen. Für die Aufteilung einer großen Kohorte in parallel arbeitende Kleingruppen sollte die Summe der Arbeitsplätze in den angrenzenden fachspezifischen Räumen der Kapazität des Plenums entsprechen. Beispiel: ein Hörsaal umfasst 60 Plätze, dann können sich die Gruppen auf fünf Räume mit je max. 12 Teilnehmenden verteilen. Bei flexiblen Hörsälen oder mit flexiblem Mobiliar ausgestatteten Seminarräumen kann der Hauptraum ebenfalls von ein oder zwei Gruppen genutzt werden. Die Aufteilung der Gruppen auf mehrere Räume ermöglicht es, dass direkt im Anschluss an die Plenumsarbeit mehrere Gruppen zeitgleich arbeiten können.

Schematische Darstellung einer Raumkombination
Abb. 2: Schematische Beispiel-Darstellung einer Raumkombination

Wird die Lehrveranstaltung in einzelne Phasen ausdifferenziert, so können unterschiedliche Werkzeuge, Materialien und Ausstattungen in den Räumen bereitgehalten werden, um für die verschiedenen Arbeits- und Lernphasen optimale Bedingungen zu schaffen. Neben den fachspezifischen Unterschieden der Räume sollte jedoch auch eine vergleichbare Arbeits- und Technikinfrastruktur aufgebaut werden, damit Gruppen auf verlässliche Werkzeuge zurückgreifen können. Z.B. könnten alle Räume über einen Gruppenarbeitstisch mit interaktiven Displays verfügen. Dies erlaubt den Gruppen den Zugriff auf Aufgaben aus dem Lernmanagementsystem und das digitale Sammeln von Ergebnissen (z.B. auf einem Online-Whiteboard), um diese dann später in den nächsten Raum oder ins Plenum mitzunehmen.

Die zuständige Lehrperson sollte sich in der Nähe zu den Fachräumen aufhalten. Dabei kann entweder das eigene Büro in der Nähe sein – dies ist bei Fachräumen eines Instituts oft der Fall – oder während der Veranstaltung wird ein Raum als Basisraum festgelegt, in dem man die dozierende Person finden kann.

Damit genügend fachspezifische Räume gleichzeitig für eine Veranstaltung bereitstehen, empfiehlt es sich, dass einzelne Institute und Fachbereiche zusammenarbeiten und sich gegenseitig Zutritt zu ihren Fachräumen gewähren. Dies erfordert einerseits etwas mehr Koordinierungsaufwand, führt aber anderseits zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsgruppen, Instituten oder Fachbereichen. Als Dozierender erhält man für die eigene Lehrveranstaltung Zugriff auf zusätzliche Räume, die gleichzeitig genutzt werden können. Durch die Aufteilung der Gruppen auf mehrere, aneinandergrenzende Räume mit teils unterschiedlicher, teils identischer Ausstattung erhöht sich der didaktische Spielraum. Lehrveranstaltungen können entlang unterschiedlicher Aktivitäten und Sozialformen gegliedert werden und es entstehen keine zeitlichen Lücken zwischen den Phasen.

Stolpersteine

  • Bei der gemeinsamen Nutzung von Fachräumen ist eine intensive Absprache der beteiligten Institute, Arbeitsgruppen bzw. Fachbereiche notwendig. Dies kann schnell sehr aufwändig werden, da sich Veranstaltungen überlappen und kollidieren, wenn man auf Fachräume zugreift, die nicht in der allgemeinen Stundenplanung berücksichtigt sind. Eine Alternative besteht in der gemeinsamen Verwaltung mehrerer fachspezifischer Räume, die dann für einzelne Veranstaltungen (z.B. Blockveranstaltungen) als zusammenhängende Raumkombination gebucht werden können.
  • Bei sequenziellen Arbeitsaufträgen, bei denen für jede Arbeitsphase ein anderer, spezifisch ausgestatteter Raum benötigt wird, müssen die einzelnen Gruppen entweder per Rotationsverfahren an verschiedenen Punkten anfangen oder doch zeitverzögert beginnen, d.h. wenn Gruppe 1 im ersten Raum fertig ist und in den zweiten Raum wechselt, dann startet Gruppe 2 usw. 

Vorteile

  • Blockkurse mit unterschiedlichen Arbeitsphasen (verschiedene Methoden und Sozialformen) lassen sich besser umsetzen.
  • Lange Zeitabstände zwischen unterschiedlichen Phasen einer Lehrveranstaltung können vermieden werden.
  • Studierende haben ein besseres Lernerlebnis, da Aktivitäten ineinandergreifen und sie den jeweils optimalen Raum nutzen können.
  • Es können gemeinsam Räume für bestimmte Arbeitsphasen eingerichtet werden, wenn sich mehrere Lehrstühle zusammenschließen. Die Zusammenarbeit von Lehrstühlen, Arbeitsgruppen, Instituten und Fachbereichen wird so ggf. sogar gestärkt. 

Nachteile

  • Die gleichzeitige Belegung mehrere Fachräume durch eine große Anzahl von Studierenden erhöht den Raumbedarf einer Hochschule
  • Bei parallelen Arbeitsaufträgen sollten alle Fachräume – trotz spezifischer Unterschiede – dieselben Möglichkeiten bieten. Dies erfordert eventuell eine zusätzliche Ausstattung der Räume.
  • Während einer Blockveranstaltung können keine regulären, regelmäßig getakteten Veranstaltungen des Semesters in den Fachräumen stattfinden. 

Beispiele

Der Innovation Hub Bergisches RheinLand (siehe Abb. 1 und Abb. 3) wird von der Technischen Hochschule Köln für Design-Sprints und Hackathons genutzt. Auf einer Etage befinden sich mehrere miteinander verknüpfte Räume, die für verschiedene Phasen des Design Thinkings optimiert sind. Im Innovationsplenum können bis zu 80 Studierende gleichzeitig einem Impulsvortrag beiwohnen. Für die Arbeit in Kleingruppen stehen mehrere Kreativ- und Moderationsräume bereit, in die direkt gewechselt werden kann. Für den Austausch untereinander gibt es ein Arbeitscafé und einen Demobereich. Für die Umsetzung von Ideen wurde ein Makerspace eingerichtet. Zum Reflektieren und Erholen stehen eine Innovationsbibliothek und ein „Leuchtturmraum“ zur Verfügung. Der Innovation Hub vernetzt zudem Unternehmen der Region und der TH Köln für gemeinsame Projekte und Lehrveranstaltungen. 

Einzelansichten Innovation Hub TH Köln
Abb. 3: Einzelansichten der Räume im Innovation Hub Bergisches RheinLand an der TH Köln (Fotos: Eva Backes/ Innovation Hub Bergisches RheinLand e.V.)

Die einzelnen Institute der Fakultät für Informatik und Ingenieurwissenschaften der TH Köln betreiben zudem gemeinsam auf dem Campus Gummersbach fachspezifische Räume, die eng miteinander vernetzt sind. So befindet sich z.B. auf dem Flur einer Etage eine Kombination aus einem Studio (für bis zu 80 Teilnehmende), einem Kreativraum, einem Gamification-Projektraum, einem Workshopraum mit flexiblem Mobiliar und weiteren fachspezifischen Räumen, die während fest definierter Projektwochen für einzelne Lehrveranstaltungen gleichzeitig genutzt werden können. Dies funktioniert nur durch die enge Absprache und Kooperation der einzelnen Arbeitsgruppen und Institute. 

Das CoLiLab (Cooperative Liberal Laboratory) ist ein pädagogischer Makerspace der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Er besteht aus gemeinschaftlichen Arbeitsräumen für kollaboratives und interdisziplinäres Arbeiten. Auch hier stehen für die einzelnen Phasen der Gestaltung unterschiedliche Räume zur Verfügung, die von Studierenden und Lehrenden genutzt werden können.