Hörsaal mit Gruppentischen

Ein Hörsaal mit Gruppentischen erlaubt den sofortigen Wechsel zwischen Präsentations- und Gruppenarbeitsphasen. Der Hörsaal ist so bestuhlt, dass Studierende sowohl gut nach vorne zur Präsentationsfläche bzw. zur vortragenden Person schauen als auch an Arbeitstischen gemeinsam mit anderen Studierenden kommunizieren können.

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Abb. 1: Hörsäle mit Gruppentischen an der Universität Basel (Foto: Andi Cortellini/ Bildungstechnologien Univ. Basel) und der TU Delft

Kontext

Großveranstaltungen sind in der Hochschullehre ein verbreitetes Format, um vielen Studierenden gleichzeitig Wissen zu vermitteln. Lehrveranstaltungen mit vielen Teilnehmenden, wie bspw. Grundlagen-Vorlesungen, konzentrieren sich dabei häufig auf die Darbietung von Inhalten. Aktive Arbeitsphasen werden hingegen oftmals nicht direkt mit der Wissensdarbietung verzahnt. Dies führt nicht selten dazu, dass durch lange Vortragsstrecken oder darbietende Lernaktivitäten ohne aktivierende Elemente bei den Studierenden eine Ermüdung einsetzt. Selbst bei einer hohen Lernmotivation ist es schwer, einem langen Vortrag durchgehend aufmerksam zu folgen.

Problem

Dozierende sind bemüht, aktivierende Phasen in ihre Vorlesung einzubauen. Doch aufgrund der frontalen Ausrichtung des Hörsaals, mit einer oftmals starren, terrassierten Bauweise, sind die Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Studierendengruppen stark eingeschränkt. Somit kommt es meist doch zu längeren Vortragsstrecken und die dargebotenen Inhalte können innerhalb der eigentlichen Lehrveranstaltung nicht vertieft, reflektiert und verinnerlicht – also tatsächlich gelernt – werden.

Rahmenbedingungen

  • Aktivierende Elemente: Die Aktivierung von Lernenden in Großveranstaltungen beschäftigt die Hochschuldidaktik seit geraumer Zeit. So gibt es etwa Abstimmungssysteme, um alle Studierenden einzubinden oder Murmelgruppen, bei denen Studierende mit ihren Sitznachbarn diskutieren können. Diese Aktivitäten sind jedoch meist nur für kurze Zeitphasen möglich. Sie sind zudem auf diskursive Lernaktivitäten begrenzt. Für produzierende und kollaborative Arbeitsformen wird mehr Zeit und ein bequemerer Arbeitsbereich benötigt.
  • Lernpartner: Aufgrund der Sitzanordnung in klassischen Hörsälen können Studierende meist nur mit ihren direkten Sitznachbarn kommunizieren und nicht in einer darüberhinausgehenden Gruppe arbeiten.
  • Zeitliche Trennung von Lernaktivitäten: Eine enge Verzahnung von Lernaktivitäten ist im Hörsaal nicht möglich. Ohne aktivierende Elemente findet die vertiefte Auseinandersetzung mit den Inhalten häufig erst nach der Lehrveranstaltung im Selbststudium oder in Lerngruppen statt. Meist müssen Studierende zudem tagelang warten, bis sie die dargebotenen Konzepte praktisch in Übungen oder Praktika anwenden können. Wissensvermittlung und partizipative Wissenskonstruktion sollten aber nahtlos ineinandergreifen.
  • Flipped Classroom: Bei Flipped-Classroom-Ansätzen lernen Studierende das Basiswissen zu Hause, z.B. durch Lernvideos, und vertiefen und üben die Lerninhalte auf dem Campus. Dies geschieht häufig aufgrund der Gruppengröße weiterhin in Hörsälen, die für solche Aktivitäten nicht ausgelegt sind.
  • Blickrichtung: Das frontale Setting klassischer Hörsäle hat eine Ausrichtung nach vorne auf die Präsentation und die dozierende Person. Wenn Studierende sich jedoch in der Vorlesung austauschen oder sogar in Teams zusammenarbeiten wollen, müssen sie sich gegenseitig anschauen können. 

Lösung

Hörsäle werden so mit Tischen und drehbaren Stühlen ausgestattet, dass Studierende sowohl frontal nach vorne auf die Präsentation und den Vortrag schauen als auch durch Stuhldrehen an einem Gruppenarbeitstisch arbeiten können. Dies ermöglicht es den Studierenden, sich während der Vorlesung jederzeit zu Arbeitsgruppen zusammenzuschließen. Darbietende und kollaborative Lernaktivitäten können ohne Zeitverlust im direkten Wechsel stattfinden. 

Details

Hörsäle mit Gruppentischen ermöglichen in einem einzigen Raum mehrere Nutzungsformen und sind dadurch ein klassisches Beispiel für einen flexiblen Raum mit einer primären Funktion (Vorlesung) und einer sekundären Funktion (Gruppenarbeit).

Die räumliche Gestaltung erfolgt abhängig von den örtlichen Gegebenheiten: In kleineren Hörsälen können alle Tische und Stühle auf einer Ebene angeordnet sein. Die Tischreihen dienen dann gleichzeitig als Gruppenarbeitstische und als Schreibtische während der Vorlesung. Bei größeren Sälen ist bei einer flachen Anordnung der Tische und Stühle die vortragende Person an der Frontseite des Raumes eventuell nicht mehr gut zu sehen. Deshalb haben klassische Hörsäle mehrere Stufen, auf denen die Sitzreihen angeordnet sind. Dieses Prinzip lässt sich auch für Hörsäle mit Gruppentischen nutzen, da sich auch hier die Arbeitstische auf mehreren Ebenen anordnen lassen. Eine solche Raumgestaltung bietet sich auch an, wenn bestehende Hörsaalräume mit ihren Treppenkonzepten in flexible Hörsäle mit Gruppentischen umgebaut werden sollen.

Eine weitere Variante ist die Erhöhung des Vortragsbereichs durch ein Podest. Dies ist aber eher eine Notlösung, da das Aufschauen zur vortragenden Person für beide Seiten unangenehm sein kann. Bei großen Sälen können zusätzliche Monitore oder Projektionsflächen die dargebotenen Inhalte auch in den hinteren Reihen gut sichtbar darstellen. 

(Interaktive) Displays an den Gruppentischen können hybrides Arbeiten im Sinne einer integrierten Nutzung digitaler Medien unterstützen.

Flexibler Hörsaal an der NTNU Trondheim
Abb. 2: Hörsaal R2 der NTNU Trondheim (Foto: NTNU Trondheim)

Stolpersteine

  • Insgesamt benötigen die Hörsäle mit Gruppentischen sehr viel mehr Flächenkapazitäten als klassische Hörsäle. Dafür sind sie außerhalb der Vorlesungszeiten aber auch flexibler nutzbar, z.B. für Gruppenarbeiten oder als Selbstlernorte.
  • Die Investition in einen Hörsaal mit Gruppentischen lohnt sich nur, wenn es genug Dozierende gibt, die ihre Vorlesung tatsächlich so weit umgestalten, dass ein häufiger Wechsel zwischen Gruppenarbeitsphasen und Inputphasen erfolgt. Wenn insgesamt die Gruppenarbeit im Vordergrund steht, können verschachtelte Lernräume, wie etwa eine Lernlandschaft mit unterschiedlich ausgestatteten Teilbereichen, eine bessere Alternative sein. Für einen Wechsel aus Impulsen bzw. Wissensdarbietung und direkt anknüpfenden Projektarbeiten eignet sich hingegen eine Raumkombination aus nah beieinanderliegenden, in der Raumausstattung aufeinander abgestimmten Räumen. Bei sehr kurzen Impulsen in kleineren Lerngruppen ist ein Mini-Plenum innerhalb eines informell ausgerichteten Lernraums zu bevorzugen.

Vorteile

  • Ein Hörsaal mit Gruppentischen unterstützt den nahtlosen Wechsel zwischen verschiedenen Lernaktivitäten, ohne dass ein Raumwechsel nötig wird.
  • Gruppenarbeitsphasen können direkt in den Kontext einer Großveranstaltung eingebaut werden. Es handelt sich dann weniger um eine Vorlesung im wörtlichen Sinne, sondern eher um eine Veranstaltung, die darbietende, übende und kollaborative Arbeitsphasen verknüpft. Und auch Flipped-Classroom-Formate mit größeren Gruppen werden durch das Raumangebot gut unterstützt.
  • Das vielfältigere Raumangebot erweitert das Spektrum didaktischer Möglichkeiten, da eine Vielzahl unterschiedlicher Lernaktivitäten im gleichen Raum stattfinden können.
  • Die Ausstattung von Hörsälen mit Gruppenarbeitstischen hat das Potenzial, die didaktischen Ansätze an einer Hochschule zu transformieren. Dozierende werden bei den ihnen vertrauten Formaten abgeholt und können schrittweise ihre Veranstaltung mit interaktiven Elementen anreichern.
  • Die Raumgestaltung weckt Neugierde, da es sich um ein innovatives Konzept handelt.

Nachteile

  • Der Ansatz ist kostenintensiv und benötigt mehr Fläche als ein klassischer Hörsaal. Diese Fläche fehlt an anderer Stelle, z.B. für Gruppenarbeitsräume.
  • Das Konzept der klassischen Vorlesung wird zwar aufgelockert, aber andererseits auch verstetigt, da der Hörsaal weiterhin auf längere präsentierende Phasen ausgerichtet ist.
  • Bei der Nutzung außerhalb der Vorlesungszeiten stehen die Gruppentische zwar für Lerngruppen zur Verfügung. Oft finden sich im großen Hörsaal dennoch nur wenige Gruppen ein. Ein großer Raum ist nicht sehr gemütlich. Zudem kann das Gemurmel der anderen Gruppen beim Lernen stören.

Beispiele

Ein Hörsaal mit flexibler Raumnutzung wurde an der Universität Basel im Rahmen eines Pilotprojekts umgesetzt. Der Raum unterstützt sowohl die Nutzung als Hörsaal als auch Gruppenarbeiten. Jeweils zwei Sitzreihen im Raum sind auf einer Ebene angebracht. Studierende der jeweils vorderen Reihe können sich auf drehbaren Stühlen nach vorne zur Kopfseite des Saals ausrichten oder sich zu den hinter ihnen sitzenden Personen umdrehen und so an einem gemeinsamen Tisch als Kleingruppe arbeiten. Einen Einblick in das Pilotprojekt geben ein Erfahrungsbericht auf e-teaching.org sowie die Publikation „Laboratorium Lernräume: Neue Lernräume an der Universität Basel“.

Flexibler Hörsaal an der Univ. Basel
Abb. 3: Hörsaal für „Mixed Practice“ an der Universität Basel (Fotos: Andi Cortellini/ Bildungstechnologien Univ. Basel)


Ähnliche Raumlösungen beschreibt das „Cookbook Education Spaces“ der TU Delft. Auch hier wurden große, terassiert aufgebaute Räume mit drehbaren Stuhlreihen ausgestattet, um neben einer klassischen Nutzung als Hörsaal oder Seminarraum auch Gruppenarbeiten zu unterstützen.

Flexible Räume an der TU Delft
Abb. 4: Flexible Räume an der TU Delft (Fotos: TU Delft/ Cookbook Education Spaces, CC BY-NC-SA)


Dass sich diese Form der Raumgestaltung auch gut mit der technischen Ausstattung für hybride Lehr- und Lernszenarien kombinieren lässt, zeigt ein Hörsaal an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens (NTNU) in Trondheim (siehe Abb. 2). Hier ermöglicht der Hörsaal durch die Raumgestaltung nicht nur Gruppenarbeiten, sondern unterstützt u.a. durch Bildschirme an den Gruppenarbeitsplätzen auch das gemeinsame Arbeiten mit digitalen Medien.