BGH zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke auf universitären Lernplattformen

10.12.2013 | Kurzmeldung

Revisionsurteil des I. Zivilsenats konkretisiert "kleine Teile eines Werkes" und "öffentlich zugänglich machen" i.S.v. § 52a Urheberrechtsgesetz

Der auch als "Wissenschaftsparagraf" bekannte § 52a Urheberrechtsgesetz (UrhG) wurde 2003 eingeführt und ermöglicht es Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, bei Zahlung einer angemessenen Vergütung urheberrechtlich geschützte Werke in kleinen Teilen, in einem abgegrenzten Bereich - wie dem Intranet oder in E-Learning-Einheiten - zu nutzen. Die Regelung steht schon lange in der Diskussion und ihre Gültigkeit wurde zuletzt bis Ende 2014 verlängert (vgl. Giersberg, "Umstritten und umkämpft: Wissenschaftsparagraf 52a").

Am 28. November entschied der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, dem u.a. Rechtsstreitigkeiten über das Urheber- und Verlagsrecht zugewiesen sind, dass "kleine Teile eines Werkes" dann vorliegen, wenn
  • diese nicht mehr als 12% des Gesamtwerks ausmachen und
  • es sich um höchstens 100 Seiten handelt.
Ein Zugänglichmachen i.S.v. § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG sei aber nicht geboten, falls vom Rechtsinhaber eine angemessene Lizenz für die Nutzung angeboten wurde.

Ausgangspunkt des Rechtsstreits zwischem dem in Stuttgart ansässigen Alfred Kröner Verlag und der Fernuniversität in Hagen sind 91 Seiten des Werkes "Meilensteine der Psychologie", die von der Fernuniversität Studierenden des Bachelor-Studiengangs Psychologie über das Learning Management System Moodle zur Verfügung gestellt wurden. Nach einer Abmahnung verknappte die Fernuniversität die Verfügbarkeit auf 70 Seiten; der Verlag klagte auf Unterlassung und Schadensersatz.

Mit der Entscheidung hebt der BGH das Urteil der Berufungsinstanz (OLG Stuttgart) auf und verweist die Sache an sie zurück. Das OLG war noch dem Hauptantrag des Verlags gefolgt und hatte eine Zugänglichmachung von maximal 3 Seiten erlaubt. Dagegen hätten nach Auffassung des BGH "grundsätzlich bis zu 63 Seiten des Werkes [...] auf der Lernplattform" eingestellt werden dürfen. Außerdem ermögliche "§ 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG [...] nicht nur ein Bereithalten kleiner Teile eines Werkes zum Lesen am Bildschirm [..., sondern auch...] ein Ausdrucken und Abspeichern der Texte". Ob der Beklagten durch den Verlag ein angemessenes Lizenzangebot für die Nutzung unterbreitet wurde*, wird nun das OLG Stuttgart zu prüfen haben.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 194/2013

Interessierte können sich über den kostenlosen "BGH Push"-Service per E-Mail benachrichtigen lassen, sobald der Volltext der Entscheidung auf der Website des BGH veröffentlicht ist. Der Dienst wird von der Europäischen EDV-Akademie des Rechts (eear.eu) und dem Institut für Rechtsinformatik der Universität des Saarlands (Lehrstuhl Prof. Dr. Maximilian Herberger) in Zusammenarbeit mit dem Bundesgerichtshof angeboten.

* 10 Cent pro genutzter Seite und Zugangsberechtigtem pro Lerneinheit (Klageschrift, S. 10)

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Gepostet von: mschmidt
Kategorie: Kurzmeldung