Stellvertreterexkursion

Wenn aus organisatorischen Gründen nicht die Möglichkeit besteht, dass die gesamte Lerngruppe an einer Exkursion teilnimmt, können Studierende, Dozierende oder externe Expertinnen bzw. Experten den betreffenden Lernort stellvertretend besuchen. Die nicht am Exkursionsort befindlichen Studierenden können im Rahmen einer Videokonferenz durch den Exkursionsort geführt werden und mit den dort anwesenden Personen interagieren.

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Foto: Monika Probst (TH Köln)

Kontext

In vielen Studiengängen sind Exkursionen ein wichtiges Format für eine besondere Form der Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Lerngegenstand. So können unter anderem Beobachtungskompetenzen geschult und die Praxisrelevanz von Lerngegenständen verdeutlicht werden. Das physische Erleben von Exkursionsorten ermöglicht prägende, außeralltägliche Lernerfahrungen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die intensive Zusammenarbeit und die Verarbeitung des Erlebten in einer Lerngruppe (vgl. Meyer 2019). Auch der Austausch mit Expertinnen oder Experten vor Ort kann ein wesentlicher Bestandteil von Exkursionen sein.

Problem

Aufgrund von unterschiedlichen persönlichen Reisehindernissen (z. B. gesundheitlichen Einschränkungen oder Betreuungsverpflichtungen) können sich nicht alle Studierenden an einer für ihr Studium relevanten Exkursion beteiligen. Auch eine weite Anreise oder Sicherheitsbestimmungen am Exkursionsort können Gründe dafür sein, dass nicht die gesamte Lerngruppe den ausgewählten Lernort physisch besuchen kann. 

Rahmenbedingungen

  • Didaktisches Potenzial: Studierende sollten die Möglichkeit haben, sich an Lernorten außerhalb der Hochschule neue Perspektiven auf bestimmte Lerngegenstände zu erschließen.
  • Begrenzte Zugänglichkeit: Es gibt Lernorte, die aufgrund von z. B. geographischen Gegebenheiten oder Sicherheitsbestimmungen nur von einzelnen Personen oder sehr kleinen Gruppen besucht werden können. Sind soziale Einrichtungen für den betreffenden Studiengang relevante Lernorte, ist ein Besuch in größeren Gruppen ggf. nicht möglich, weil die Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung in ihrer Privatsphäre zu sehr gestört würden.
  • Reiseaufwand und Kosten: Studierende mit bestimmten persönlichen Hindernissen können an zeitaufwändigen Exkursionen ggf. nicht teilnehmen. Auch hohe Reisekosten können ein Hindernis für eine Beteiligung an einer Exkursion sein.
  • Live-Erlebnis und Interaktion: Schriftliche Berichte, Bilder oder Videoaufnahmen können für Studierende, die an einer Exkursion nicht teilnehmen konnten, eine hilfreiche Dokumentation des Gelernten und Erlebten darstellen. Dabei handelt es sich allerdings um einen nur unzureichenden Ersatz für das Live-Erlebnis in der Lerngruppe und ggf. auch den persönlichen Austausch mit Expertinnen und Experten vor Ort.

Lösung

Ein Lernort außerhalb der Hochschule wird – stellvertretend für die gesamte Lerngruppe – von einer einzelnen Person oder einer Teilgruppe besucht. Dabei kann z. B. der physische Umgang mit Lerngegenständen oder auch die Interaktion mit anwesenden Personen eine zentrale Rolle spielen. Den nicht am Exkursionsort befindlichen Studierenden wird nicht nur per Video-Livestream vom physischen und sozialen Erleben bzw. den Erfahrungen vor Ort berichtet, sondern es wird auch ein intensiver standortübergreifender Austausch gestaltet.

Details

Dieses Lehrformat lässt sich in vielfältigen Varianten ausgestalten. Als „Stellvertreter“ kann eine einzelne Person (eine Studierende bzw. ein Studierender, die Lehrperson oder auch eine externe Expertin bzw. ein externer Experte), aber auch eine Teilgruppe, der an der betreffenden Lehrveranstaltung beteiligten Studierenden (ggf. gemeinsam mit der Lehrperson, die die Veranstaltung leitet) fungieren.

Für die Übertragung der Erkundung des Exkursionsortes ist eine für den jeweiligen Ort angemessene mobile Technik erforderlich – zumindest ein internetfähiges mobiles Endgerät, das über ein Mikrophon und eine gute Kamera verfügt (z. B. ein Smartphone) und ggf. auch ein Ansteckmikrophon, um eine bessere Tonqualität zu gewährleisten. Je nach Exkursionsort kann aber auch weitere Ausrüstung, wie z. B. eine Stirn- oder Helmkamera mit einer zusätzlichen Beleuchtung, erforderlich sein. Wenn am Exkursionsort außerdem ein Austausch mit Expertinnen und Experten vorgesehen ist, stehen dafür idealerweise geeignete Räumlichkeiten mit Videokonferenztechnik zur Verfügung.

Für die organisatorische und didaktische Gestaltung der Lehrveranstaltung ist grundlegend zu entscheiden, ob die nicht am Exkursionsort befindlichen Studierenden einzeln online oder als Gruppe in Präsenz an der Hochschule an der Veranstaltung teilnehmen.

Im Falle der einzeln online zugeschalteten Studierenden ist es besonders wichtig, die Interaktion zwischen allen Beteiligten gut vorzubereiten, damit (auch) die online Teilnehmenden sich als Lerngruppe wahrnehmen und von den besonderen Austauschmöglichkeiten im Rahmen der Exkursion profitieren können. Sind mehrere „Stellvertreter“ am Exkursionsort, kann z. B. eine Arbeitsteilung zwischen Personen, die vor Ort Gespräche mit Expertinnen und Experten führen und Personen, die den Austausch mit den online teilnehmenden Studierenden gestalten, hilfreich sein (Vorschläge für eine solche Aufgabenteilung findet man auch im Praxisbeispiel „Exkursion hybrid: Digital vermitteltes Erfahrungslernen mit Kopf, Herz und Hand“ auf der Seite „Atlas der guten Lehre“ des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung).

Wenn die nicht am Exkursionsort befindlichen Studierenden als Gruppe an der Hochschule an der Veranstaltung teilnehmen, ist hier eine entsprechende technische Ausstattung erforderlich. Diese kann ein hybrider Video-Seminarraum oder eine mobile Videokonferenzanlage gewährleisten. Für die Lerngruppe an der Hochschule lässt sich die Atmosphäre einer tatsächlichen Exkursion in Teilen nachbilden, in dem ein außeralltägliches Gemeinschafts- und Lernerlebnis ermöglicht wird. Der Austausch mit den Personen am Exkursionsort kann mit einem eigenen Arbeits- und Rahmenprogramm vor Ort kombiniert werden. So besteht etwa die Möglichkeit, (ähnlich wie bei einem standortübergreifenden Hybridseminar) in Gruppenarbeiten weiterführende Perspektiven zum Exkursionsthema zu erarbeiten und in einer darauffolgenden Online-Phase mit den Expertinnen und Experten am Exkursionsort zu diskutieren. Ist (auch) die für die Lehrveranstaltung verantwortliche dozierende Person am Exkursionsort, sollten die Studierenden an der Hochschule durch eine Tutorin oder einen Tutor betreut werden. Die Tutorin oder der Tutor strukturiert die Abläufe und leitet die inhaltlichen Arbeitsphasen. Eine informelle Rahmung mit gemeinsamen Kaffee- und Mittagspausen kann dazu beitragen, dass außeralltägliche Formen des Austauschs zu einem praxisrelevanten Thema und des Lernens in der Gruppe ermöglicht werden.

Unabhängig von der Aufteilung der Gruppen am Exkursionstag können die Vor- und Nachbereitung der Exkursion entweder online oder in Präsenz an der Hochschule in der gesamten Lerngruppe erfolgen. In jedem Fall bietet es sich an, zur Vorbereitung Lernmaterialien in unterschiedlichen Formaten über ein Lernmanagementsystem zur Verfügung zu stellen. Insbesondere wenn nur eine Person als „Stellvertreter“ am Exkursionsort ist, kann die Veranstaltung abwechslungsreicher gestaltet werden, indem hier – beispielsweise in Form von Videos mit Statements oder Kurzvorträgen von Expertinnen und Experten – weitere Perspektiven zum Lerngegenstand bzw. zum Exkursionsort berücksichtigt werden.

Stolpersteine

  • Je nach Exkursionsort kann eine stabile Internetverbindung ein Problem darstellen. Die diesbezüglichen Gegebenheiten sollten in jedem Fall im Vorfeld abgeklärt werden. Möglicherweise ist in bestimmten Bereichen am besuchten Ort ein Livestream nicht möglich, sodass es sinnvoll sein kann, Videos oder Audiodateien, die von diesen Bereichen einen Eindruck vermitteln, für die asynchrone Nutzung zur Verfügung zu stellen.
  • Für das Filmen am Exkursionsort (z. B., wenn die Räumlichkeiten einer Firma oder einer öffentlichen Einrichtung besucht werden) kann eine Genehmigung erforderlich sein. Wenn bestimmte Beobachtungen am Exkursionsort nicht nur gestreamt, sondern aufgezeichnet werden sollen, ist die Zulässigkeit gesondert zu prüfen.
  • Insbesondere wenn die nicht am Exkursionsort befindlichen Studierenden einzeln online zu der Veranstaltung zugeschaltet sind, besteht die Gefahr, dass sie die Übertragung der Erkundung des Exkursionsortes eher konsumieren, als sich aktiv an der Auseinandersetzung mit dem Lernort zu beteiligen. Um dies zu vermeiden, sollten insbesondere die interaktiven Elemente der Veranstaltung sorgfältig geplant werden und ggf. auch Absprachen getroffen werden, die für den Austausch und das Gruppenerlebnis förderlich sind (z. B., dass die online zugeschalteten Studierenden so weit als möglich mit eingeschalteter Kamera an der Veranstaltung teilnehmen).

Vorteile

  • Studierenden mit unterschiedlichen Reisehindernissen wird die Teilnahme an einer Exkursion ermöglicht.
  • Es kann das Erleben von Lernorten in die Lehrveranstaltung eingebunden werden, die nur schwer zugänglich sind und/oder von größeren Gruppen nicht besucht werden können. 
  • Es können zusätzlich Expertinnen oder Experten, die sich an einem dritten Ort befinden, in das Exkursionskonzept eingebunden werden.
  • Wenn diejenigen Studierenden, die den Exkursionsort nicht physisch besuchen, gemeinsam an der Hochschule an der Veranstaltung teilnehmen, besteht der Vorteil, dass auch hier ein besonderes Gruppenerlebnis gestaltet werden kann. Ähnlich wie bei einer inversen Konferenz können Orte außerhalb des Campus mit einem eigenen Konzept in die Lehre an der Hochschule eingebunden werden.

Nachteile

  • Die Vorbereitung dieses Lehrformats ist komplex: Es müssen die technischen Voraussetzungen am Exkursionsort geklärt werden und wenn eine Lerngruppe an der Hochschule betreut wird, sind dort geeignete Räumlichkeiten mit entsprechender technischer Ausstattung erforderlich. Außerdem bedarf es eines passgenauen didaktischen Konzeptes für den Austausch zwischen den am Exkursionsort anwesenden Personen und der (anderen) Studierendengruppe. Je nach Ausgestaltung des Formats sollte die Unterstützung der Lehrperson durch mindestens eine studentische Hilfskraft gewährleistet sein.
  • Je nach Zielsetzung der Lehrveranstaltung, ist das physische Erleben vor Ort oder der persönliche Austausch am Exkursionsort so bedeutsam, dass eine „Stellvertreterexkursion“ kein angemessenes Format ist.

Werkzeuge

  • Videokonferenzsystem
  • Lernmanagementsystem für die Vor- und Nachbereitung der Exkursion
  • Mindestens ein internetfähiges mobiles Endgerät, das über ein Mikrophon und eine gute Kamera verfügt (z. B. ein Smartphone) und ggf. ein zusätzliches Ansteckmikrophon 
  • Je nach Exkursionsort und Veranstaltungskonzept: zusätzliche mobile Technik, wie eine Stirn- oder Helmkamera ggf. mit einer zusätzlichen Beleuchtung oder auch geeignete Räumlichkeiten mit Videokonferenztechnik
  • Wenn die nicht am Exkursionsort befindlichen Studierenden als Gruppe an der Hochschule an der Veranstaltung teilnehmen: mobile Videokonferenzanlage oder hybrider Video-Seminarraum

Beispiele

Ein Beispiel für eine „Stellvertreterexkursion“ unter dem Motto „Schick Deinen Prof“, die für die Studierenden im reinen Online-Format stattfand, ist eine Lehrveranstaltung von Jun. Prof. Dr. Janpeter Schilling im Fachbereich Umweltwissenschaften, für die der Dozent den Lehrpreis der Universität Koblenz-Landau erhalten hat.

Weiterführende Erklärungen zum Konzept einer „Stellvertreterexkursion“, die hier einfach als „hybride Exkursion“ bezeichnet wird, und mehrere Umsetzungsbeispiele finden sich im Praxisbeispiel „Exkursion hybrid: Digital vermitteltes Erfahrungslernen mit Kopf, Herz und Hand“ der FH Salzburg GmbH auf der Seite „Atlas der guten Lehre“ des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung.