Hybride Moderation

Die hybride Moderation eignet sich für Lehrveranstaltungen, die parallel vor Ort und im virtuellen Raum durchgeführt werden. Dabei wird für jeden der Räume eine Moderatorin oder ein Moderator eingesetzt, die bzw. der sich auf die Betreuung der teilnehmenden Personen in ihrem jeweiligen Raum konzentriert und zugleich im Austausch mit der jeweils anderen moderierenden Person steht.

Kontext

Eine Lehrveranstaltung mit aktiven Arbeitsphasen der Teilnehmenden findet zeitgleich sowohl vor Ort an der Hochschule als auch virtuell statt. Die online Teilnehmenden sind während der Veranstaltung über ein Videokonferenzsystem zugeschaltet. Für die aktiven Arbeitsphasen muss eine Betreuung der Studierenden sowohl vor Ort als auch online gewährleistet sein.

Problem

Es ist äußerst schwierig für eine Lehrperson, sowohl die Studierende vor Ort als auch die online Teilnehmenden im Blick zu haben, wenn aktive Arbeitsphasen mit Kleingruppen gestaltet werden. Zudem stehen im Physischen und im Virtuellen unterschiedliche Kommunikationsmodi zur Verfügung, so dass die Lehrperson ihre Aufmerksamkeit teilen und häufig mental umschalten muss.

Rahmenbedingungen

  • Gleichwertige Betreuung: Studierende, die online zugeschaltet sind oder vor Ort teilnehmen, sollten gleichwertig betreut werden. Oft schenkt die betreuende Lehrkraft jedoch einer Gruppe mehr Aufmerksamkeit. Dies kann die Gruppe vor Ort sein, weil sie präsenter ist. Oft ist es aber auch die Online-Gruppe, da Lehrpersonen versuchen, die fehlende räumliche Nähe sowie fehlende non-verbale Kommunikationssignale durch eine höhere Aufmerksamkeit auf die Online-Aktivitäten auszugleichen. 
  • Geteilte Aufmerksamkeit: Es ist nicht möglich, sowohl die online Teilnehmenden als auch die vor Ort Teilnehmenden gleichzeitig und gleichermaßen im Blick zu haben. Die Lehrperson muss häufig zwischen beiden Kontexten wechseln, was zu Stress und hoher kognitiver Belastung führen kann. Zudem bleibt das Gefühl, stets die Aktivitäten einer der beiden Gruppen aus dem Auge zu verlieren.
  • Verschiedene Arbeitsphasen: Die verschiedenen Arbeitsphasen einer Lehrveranstaltung erfordern eine unterschiedlich intensive Betreuung der Studierenden. Bei Aktivitäten wie z. B. einem Lehrvortrag oder der Präsentation von Ergebnissen, lassen sich die Online-Gruppe und die Vor-Ort-Gruppe noch einigermaßen gut gemeinsam im Blick behalten, da hier die Interaktion nicht im Vordergrund steht. Während erarbeitender Lernphasen sind hingegen viele Studierende gleichzeitig aktiv und dies oft in kleineren Untergruppen. Um die Studierenden in diesen Arbeitsphasen optimal unterstützen zu können, ist ein hohes Maß an Aufmerksamkeit seitens der Lehrperson gefordert.
  • Unterschiedliche Werkzeuge: Die Arbeitsgruppen vor Ort und die Online-Arbeitsgruppen nutzen eventuell verschiedene Werkzeuge. Während vor Ort am klassischen Whiteboard und mit Klebezetteln gearbeitet wird, greift die Online-Gruppe auf ein kollaboratives Online-Whiteboard zurück. Auf dem Campus verteilen sich Studierende auf verschiedene Räume, auf Lerninseln oder Lernecken. Online teilen sich Untergruppen in Breakout-Sessions auf. Beide Setups erfordern unterschiedliche Anleitungen, Anweisungen und Betreuungsformen.
  • Gleiches Informationsmanagement für alle: Auch wenn die Gruppenarbeitsphasen online und vor Ort durchaus unterschiedlich gestaltet werden können, gibt es Informationen, die für alle Teilnehmenden gleichermaßen relevant sind. Damit diese alle Teilnehmenden erreichen, ist eine Synchronisation der Arbeitsgruppen online und vor Ort erforderlich.

Lösung

Im Rahmen einer hybriden Lehrveranstaltung mit Gruppenarbeitsphasen der Teilnehmenden wird sowohl für den physischen als auch für den virtuellen Raum eine Lehrperson eingesetzt. Während der gemeinsamen Arbeitsphasen in der Gesamtgruppe übernimmt eine der beiden Lehrpersonen die Leitung und führt z. B. in die Veranstaltung ein, erklärt Zielsetzung und Aufgaben, vermittelt Informationen und moderiert die Ergebnispräsentation. Während der aktiven Arbeitsphasen in Kleingruppen von Studierenden agieren die beiden Lehrpersonen parallel – die eine im physischen und die andere im virtuellen Raum –, um auf die jeweiligen Besonderheiten einzugehen und jeweils ihre Lerngruppe im Blick zu haben. Dabei nutzen sie die unterschiedlichen Möglichkeiten der physischen Umgebung (z. B. Raumarchitektur, vorhandene Materialien) und der virtuellen Umgebung (z. B. Breakout-Sessions, Chatkanäle, kollaborative Whiteboards). 

Details

Die Lehrveranstaltung wird durch zwei Lehrpersonen als Tandem durchgeführt. Dabei kann eine Person durchgehend die Leitung übernehmen, während die andere Person ausschließlich die aktiven Arbeitsphasen begleitet. So kann die Begleitung der Gruppenarbeitsphasen z. B. auch durch eine Tutorin oder einen Tutor unterstützt werden. Es können aber auch zwei Dozierende gleichberechtigt durch die Veranstaltung führen und sich in der Gesamtmoderation abwechseln.

Der Wechsel zwischen den gemeinsamen Arbeitsphasen in der Gesamtgruppe und den parallelen Arbeitsphasen von Online- und Vor-Ort-Gruppen sollte im Vorfeld sehr genau geplant werden. Die beiden Lehrkräfte sollten zudem zusätzliche Kommunikationskanäle jenseits des Videokonferenzsystems nutzen, um sich während der Veranstaltung abzustimmen – etwa, wenn im physischen oder virtuellen Raum zusätzliche Zeit in einer Gruppenarbeitsphase benötigt wird. Dafür können private Chatkanäle oder Instant Messenger eingesetzt werden. 

Stolpersteine

  • Für die gleichen Aufgaben kann online oder in physischer Präsenz unterschiedlich viel Zeit benötigt werden. So geschieht der Wechsel in eine Breakout-Session viel schneller als der Wechsel von einem physischen Lernraum zum nächsten. Dafür lässt sich im physischen Raum gegebenenfalls schneller und vielfältiger mit veranschaulichenden Materialien arbeiten. Bei der Nutzung von Online-Werkzeugen muss eventuell Zeit eingeplant werden, um deren Funktionsweise zu erklären. Solche unterschiedlichen Zeitaufwände sollten bei der Planung berücksichtigt werden. Es bietet sich daher an, vor dem Wechsel zurück in ein gemeinsames, hybrides Plenum eine Pause anzusetzen, die gegebenenfalls als Puffer genutzt werden kann.
  • Da im physischen und im virtuellen Raum unterschiedliche Werkzeuge und Materialien zur Verfügung stehen, können sich auch ungleiche Arbeitsbedingungen zum Nachteil einer der beiden Gruppen ergeben. Dies sollte thematisiert und gegebenenfalls durch eine leichte Variation in der Aufgabenstellung ausgeglichen werden.
  • Die Lehrperson vor Ort muss neben der Moderation auch das technische Setup im Blick haben. Für die online moderierende Person ist es dagegen schwieriger, alle Arbeitsgruppen im virtuellen Raum im Blick zu haben. Je nach Gruppengröße kann daher der Einsatz von (zusätzlichen) Hilfskräften sinnvoll sein. 

Vorteile

  • Das Konzept der hybriden Moderation ermöglicht die Teilnahme an einer Veranstaltung sowohl vor Ort als auch online. Die online Teilnehmenden können sich von vielen verschiedenen Standorten aus zu der Präsenzveranstaltung zuschalten. Auf diese Weise haben alle Teilnehmenden Zugriff auf Inhalte und Diskussionen, die die gesamte Lerngruppe betreffen. In Gruppenarbeitsphasen werden dagegen die Kommunikationsmöglichkeiten eines Präsenzraumes oder eines Online-Raumes genutzt.
  • Die Möglichkeiten des physischen und virtuellen Raumes können jeweils optimal ausgeschöpft werden, z. B., indem kollaborative Online-Werkzeuge für die online Teilnehmenden und großflächige Visualisierungswände für die in Präsenz Teilnehmenden eingesetzt werden. Durch Variationen in der Aufgabenstellung und eine passende Arbeitsteilung lassen sich die Besonderheiten beider Welten lernförderlich nutzen. 
  • Die Lehrperson vor Ort wird entlastet und kann sich besser um die in Präsenz anwesenden Studierenden kümmern. Zugleich ist auch eine gute Betreuung der online Teilnehmenden gewährleistet.

Nachteile

  • Es werden mindestens zwei Lehrpersonen und gegebenenfalls (weitere) Hilfskräfte benötigt.
  • Der Vorbereitungs- und Abstimmungsaufwand zwischen den Lehrpersonen ist höher als bei reinen Online-Veranstaltungen oder reinen Präsenzveranstaltungen.
  • Die Attraktivität der Teilnahme vor Ort kann aus Bequemlichkeit sinken. Für diejenigen, die vor Ort an der Hochschule anwesend sind, kann ein Nachteil entstehen, wenn sich Gruppenarbeiten und Diskussionen aufgrund der geringen Teilnehmendenzahl hier nicht mehr gut gestalten lassen.
  • Es kann trotz sorgfältiger Planung zu ungleichen Arbeitsbedingungen und Ungerechtigkeiten zwischen den beiden Gruppen kommen.

Beispiele

An der Technischen Hochschule Köln wurde im Januar 2022 im Rahmen eines fünftägigen Blockseminars mit Master-Studierenden der Informatik ein Design-Thinking-Modul eingesetzt. Von den knapp zwanzig teilnehmenden Studierenden konnten drei aufgrund von beruflichen Tätigkeiten neben dem Studium nicht vor Ort an der Hochschule sein. Diese Studierenden nahmen online am Blockseminar teil. Jeder Veranstaltungstag begann mit einem Impulsvortrag des Dozenten, der jeweils mithilfe einer mobilen Videokonferenzanlage im Seminarraum aufgenommen und an die online Teilnehmenden übertragen wurde. Die Videobilder der online zugeschalteten Personen wurden während der Präsentation nicht übertragen, allerdings wurden Chat-Nachrichten (in denen z. B. Nachfragen formuliert wurden) eingeblendet. Im Anschluss gab es praktische Design-Übungen. Diese wurden vor Ort in einem Kreativraum durchgeführt, in dem sich zahlreiche Arbeitsmaterialien (Klebezettel, Whiteboards, Methodenkarten) befinden. Für die online Teilnehmenden wurde die Aufgabenstellung leicht abgeändert. Anstelle der haptischen Werkzeuge vor Ort wurde ein Online-Whiteboard eingesetzt. Hier konnten digitale Arbeitsvorlagen und virtuelle Klebezettel genutzt werden. Auch das angestrebte Arbeitsergebnis sollte digital vorliegen und nicht als physisches Artefakt. Während der praktischen Projektarbeit fand die Betreuung auf unterschiedliche Weise statt. Der Dozierende begleitete die Studierenden vor Ort. Für die online Teilnehmenden konnte ein wissenschaftlicher Mitarbeiter die Betreuung übernehmen. Am Ende eines Veranstaltungstages wurden die online Teilnehmenden jeweils per Videokonferenzsystem zugeschaltet und haben ihre Ergebnisse vorgestellt. Die Teilnehmenden vor Ort präsentierten ihre Ergebnisse als physische Artefakte im Rahmen der Videokonferenz. Die betreffenden Artefakte wurden dafür vor die Kamera gehalten. Während dieses Veranstaltungsteils waren die online zugeschalteten Personen dauerhaft für alle Teilnehmenden vor Ort sichtbar.

Auch im Rahmen wissenschaftlicher Konferenzen gibt es regelmäßig Veranstaltungsteile, die mit einer hybriden Moderation gestaltet werden. Von den vielfältigen in diesen Kontexten gesammelten Erfahrungen können hybride Lehrveranstaltungen mit aktiven Arbeitsphasen der Teilnehmenden profitieren. Ein Beispiel dafür ist der von Seiten des Projekts HybridLR im Rahmen der GMW-Tagung 2022 organisierte Workshop „Hybride Lernräume für Hochschulen planen und gestalten“. An diesem Workshop nahmen vor Ort ca. 15 Personen und online ca. 10 Personen teil. Ein Moderator und eine Moderatorin gestalteten gemeinsam die Veranstaltung vor Ort und eine weitere Moderatorin führte die online Teilnehmenden durch die Veranstaltung. Die Einführung ins Thema übernahm die Moderation vor Ort, während die online Teilnehmenden über ein Videokonferenzsystem zugeschaltet waren und sich über die Chatfunktion zu Wort melden konnten. Die Online-Moderatorin konnte sich auch mündlich zu Wort melden und alle online Beteiligten waren über einen großen Monitor für die am Veranstaltungsort anwesenden Personen sichtbar. Für die Gruppenarbeitsphase nutzten die online Teilnehmenden Break-out-Sessions der Videokonferenzsoftware und waren mit Online-Whiteboards sowie virtuellen Impulskarten ausgestattet. Während die Online-Moderatorin die einzelnen Gruppen in den Break-out-Rooms besuchte und unterstützte, suchten die vor Ort moderierenden Personen die in verschiedenen Bereichen des Veranstaltungsorts befindlichen Gruppen auf. Vor Ort arbeiteten die Teilnehmenden mit Flipcharts, großen Papierblöcken und haptischem Kartenmaterial. Die entstandenen Artefakte wurden von der Moderation mit einer Kamera aufgenommen und online bereitgestellt. In einer hybriden Plenums-Session wurden die Ergebnisse präsentiert, d. h. die online Teilnehmenden waren per Videokonferenzsystem zugeschaltet und es wurde jeweils auf die digitale bzw. digitalisierte Dokumentation zugegriffen. So konnten zum einen die online Teilnehmenden alle Ergebnisse gut erkennen und zum anderen waren auch für die Teilnehmenden vor Ort alle Ergebnisse auf einer großen Projektionsfläche sichtbar.