Kreativraum

Ein Kreativraum unterstützt studentische Teams bei der Ideenfindung, indem physische und digitale Werkzeuge für den Kreativitätsprozess in einer inspirierenden Umgebung bereitgestellt werden. Der Raum bietet Platz für kleine studentische Teams und enthält kreative Werkzeuge, Designmaterialien, (digitale) Denkanstöße zur Inspiration, Arbeitsbereiche sowie einfache Möglichkeiten zur digitalen Dokumentation der Arbeitsschritte und Ergebnisse.

Hauptbild des Beitrags

Abb. 1: Kreativraum „Ideenreich“ auf dem Campus Gummersbach der TH Köln (Foto: Christian Kohls)

Kontext

Studierende müssen neben den fachlichen Kernkompetenzen auch Zukunftskompetenzen (Future Skills) aufbauen. Zu diesen Kompetenzen gehören gestaltende, objektbezogene Kompetenzen wie etwa Design Thinking, Innovationskompetenz und systemisches Denken (Ehlers, 2020). Der Erwerb dieser Kompetenzen findet u. a. im Rahmen von Projektarbeit statt, während der die Studierenden oftmals konzeptionell arbeiten, planen oder entwerfen. Hierfür benötigen sie methodische Anleitungen, Unterstützung und einen geschützten Raum für ihren Gestaltungsprozess. 

Problem

Klassische Lernräume an Hochschulen bieten meist keine Werkzeuge oder Materialien, die zum freien Erforschen und Herumspielen mit Ideen anregen. Ausgerechnet Hochschulen, die Fortschritt und Innovation als Kernaufgabe haben, stellen den Studierenden nur selten Räume zur Verfügung, in denen sie Kreativitäts-, Innovations- und Designmethoden erlernen und erproben können. 

Rahmenbedingungen

  • Design-Methoden: Studierende sollten Design-Methoden kennen, auswählen und praktisch anwenden können. Im Sinne einer Gestaltung von Lösungen, Produkten, Prozessen, Strukturen usw. ist Design Thinking eine Schlüsselkompetenz, die fachbereichsübergreifend in einer Welt benötigt wird, die sich durch Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit auszeichnet (im Englischen oft als VUCA bezeichnet: Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity).
  • Handlungsorientierung: Bei der Gestaltung neuer Lösungen oder Produkte sollten Studierende praktisch und handlungsorientiert Erfahrungen sammeln können. Das praktische Gestalten und Ausprobieren sollte ohne lange Vorbereitungszeiten möglich sein.
  • Nahtloser Wechsel zwischen designorientierten Lernaktivitäten: Beim Design Thinking oder anderen gestalterischen Vorgehensweisen kommen verschiedene Arbeitsphasen vor (z. B. Problem- und Kontextanalyse, Fokussierung auf einzelne Designaufgaben, Ideenfindung, Prototypen entwickeln und testen, Feedback einholen und den Lösungsansatz verfeinern). Der Wechsel zwischen diesen Aktivitäten sollte möglichst reibungslos möglich sein.
  • Unterschiedliche Fähigkeiten und Wissensstände: Die Studierenden beginnen den Gestaltungsprozess von Produkten und Lösungen mit unterschiedlichen Kenntnissen und Erfahrungen. Bei der Entwicklung digitaler Lösungen haben z. B. einige Studierende Erfahrung im Programmieren, andere haben Kenntnisse im Bereich der Marktforschung, wieder andere sind handwerklich geschickt. 
  • Inspiration: Studierende sollten beim Gestalten dazu angehalten werden, Probleme und Lösungen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Kreatives Denken braucht Inspiration und Denkanstöße. Hilfreich kann dabei auch der Einblick in die Arbeit anderer sein: Die Produkte und Ideen eines Teams inspirieren oft andere Studierende.
  • Eintauchen in neue Welten: Es ist wichtig, eine besondere Umgebung und damit einen Kontrast zu normalen Seminarräumen und Hörsälen zu schaffen, um sicherzustellen, dass eine andere Denkweise gefördert wird.
  • Verspieltheit: Um eine offene Geisteshaltung zu erreichen und das Tüfteln zu fördern, sollte die Umgebung eine spielerische Atmosphäre aufweisen. Neue Ideen entstehen eher, wenn man mit bestehenden Konzepten herumspielt. Im Spiel können Annahmen in Frage gestellt, Ängste überwunden und Konventionen gebrochen werden. Es lassen sich verschiedene Alternativen ausprobieren und testen, ohne gleich an die Kosten oder negativen Konsequenzen zu denken.
  • Verschiedene Arten von Prototypen: Prototypen sind bei der Gestaltung von Produkten und Lösungsansätzen sehr wichtig. Es gibt jedoch viele verschiedene Arten von Prototypen, z. B. Skizzen, physische Prototypen, Produkte mit minimalem Funktionsumfang („Minimal Viable Products“) oder Objekte, bei denen Funktionalität nur vorgetäuscht wird („Wizard of Oz“).
  • Visuelle Zusammenarbeit: Prototypen und Entwürfe erfordern oft Visualisierungen, und Lerngruppen profitieren von Medien für die visuelle Zusammenarbeit. Teils müssen solche Visualisierungen auch mit remote teilnehmenden Personen gemeinsam entwickelt werden.

Lösung

Ein Kreativraum bietet Platz für kleine studentische Teams (4-8 Studierende) und enthält kreative Werkzeuge, Designmaterialien, Arbeitsbereiche, (digitale) Inspirationsmöglichkeiten und einfache Möglichkeiten zur digitalen Dokumentation der Arbeitsschritte und Ergebnisse. Damit Studierende ihre Ideen ausbreiten können, sollten eine große gemeinsam nutzbare Arbeitsflächen bereitstehen, z. B. in Form einer großen Tischfläche, aber auch an den Wänden, etwa durch Whiteboard-Flächen. Für die Einbindung Online-Teilnehmender und das Mitnehmen von Arbeitsergebnissen werden interaktive Whiteboards und Arbeitsflächen, die durch Kameraaufnahmen digitalisiert werden können, bereitgestellt. Durch eine bunte, verspielte Ausstattung grenzt sich der Raum von anderen Räumen ab und lädt zum Ausprobieren und Durchspielen von Ideen ein.

Details

Zur Grundausstattung eines Kreativraums gehören:

  • Große, gemeinsam nutzbare Arbeitsflächen, z.B. (höhenverstellbare) Stehtische oder Werkbänke
  • Visualisierungsmöglichkeiten, z. B. Whiteboards und interaktive Displays
  • Regale mit Kreativitätswerkzeugen, Arbeitsmaterialien und inspirationsfördernden Materialien
  • Legosteine und andere Baumaterialien zur visuellen Kommunikation und dem Erstellen von Prototypen
  • Hochwertiges Mobiliar für eine besondere Atmosphäre
  • Inspirierende Wände, z.B. Wandverkleidungen, Poster, Bilder, Fenster mit schönem Ausblick

Nach Kohlert und Cooper (2017) gehören Kommunikation, Kollaboration, Konzentration und Erholung (Aufladen der Batterie, „Rejuvenation“) zu den vier zentralen Aufgaben von Räumlichkeiten, die kreatives Arbeiten ermöglichen sollen. Ein Kreativraum ermöglicht das fokussierte Erarbeiten von Lösungen mithilfe von Kreativitätswerkzeugen und -methoden. Dazu ist der Raum mit Impulsgebern, Methodenkarten und Arbeitsmaterialien ausgestattet. Für den offenen Zugriff auf alle Materialien bieten sich Regaltürme zur Lagerung der Materialien an. Wenn die Arbeitsmaterialien auch in anderen Räumen genutzt werden dürfen, dann können bewegliche Rollwagen mit Materialsammlungen eine gute Ausstattungsoption sein.

Die Nutzung von (interaktiven) Whiteboards zur Visualisierung ist eine etablierte Vorgehensweise. Doorley und Witthoft (2012) fordern, dass überall beschreibbare Flächen angeboten werden, um schnell Brainstormings durchzuführen und zufällige Ideen festhalten zu können. Zeichnungen sind ein besonders effektiver Weg der Kommunikation (Sibbet, 2010). Konzepte können kritisch begutachtet und verbessert werden. Diagramme veranschaulichen Ideen und können für die Planung, den Entwurf und die Strukturierung von Ideen verwendet werden (Ware, 2008). Wenn digitale Displays im Raum vorhanden sind, dann können digitale Arbeitsvorlagen und methodische Hilfestellungen eingesetzt werden.

Studierende am Whiteboard
Abb. 2: Studierende visualisieren ihre Ideen an einem interaktiven Whiteboard (Foto: Christian Kohls)

Der Raum sollte Aktivität und das Bewegen im Raum fördern. Wenn Stehtische als zentrale Arbeitsfläche genutzt werden, dann können Studierende um den Tisch herumlaufen und schnell den Blickwinkel anpassen. Auch der Wechsel zum Whiteboard fällt leichter, wenn man bereits steht (Dark Horse Innovation, 2018).Gleichzeitig sollten Studierende die Möglichkeit haben, sich auch gemütlich hinzusetzen. Oft werden Kreativräume mit kombinierbaren Holzblöcken („Bleacher“, englisch für Sitztribüne) ausgestattet, die sich wie Legos zu verschiedenen Sitz- und Arbeitsmöbeln, Raumteilern und Stauräumen umbauen lassen.

Damit sich der Kreativraum auch für hybride Szenarien eignet, sollte es neben der Hinzuschaltung weiterer Online-Teilnehmenden (z. B. über eine Mobile Videokonferenzanlage) die Möglichkeit geben, die entstehenden Artefakte leicht zu digitalisieren und aufzeichnen (Physische Artefakte einbinden). Hierfür eignet sich ein gemeinsamer Bereich, in dem Artefakte platziert werden können und die Online-Teilnehmenden sofort sehen können, was dort platziert ist. Für diesen Bereich müssen Kameras dauerhaft installiert werden, um einen sofortigen Videostream dieser Artefakte zu ermöglichen.

Studierende sollten sich in dem Raum frei entfalten und ausbreiten können. Daher sollte der Raum in der Regel von einem einzelnen Team mindestens für einen halben oder ganzen Tag genutzt werden können. Dreitägige oder fünftägige Design-Workshops (sogenannte Design-Sprints) sind am effektivsten. 

Die Ausstattung des Kretivraums mit sinnvollen kreativen Werkzeugen und Materialien ist ein wichtiges Detail, das häufig übersehen wird. Denn neben der besonderen Atmosphäre sollten auch kreativitätsförderliche Medien, Materialien und Werkzeuge vorhanden sein. Es sollte Dinge zum Entdecken und Überraschungen geben, um eingefahrene Denkpfade und Denkmuster zu verlassen (Kelley & Littman, 2001). Zudem werden Sticky Notes und Bastel-Utensilien für (nicht-digitales) Prototyping benötigt, z. B. Legosteine, Pappe, Pfeifenreiniger, Maisplättchen usw.

Empfehlungen zur Ausstattung:

  • Karten mit Beschreibungen von Kreativitätsmethoden (z. B. „Design Thinking Methodenkarten“ „75 Tools for Creative Thinking: A Fun Card Deck for Creative Inspiration“, „Diese Karten bringen dich auf Ideen“, „Creative Whack Pack“)
  • Bildkarten oder Würfel zur Inspiration (z. B. MethodKit, Sammlung von Postkarten, Story Cubes)
  • Arbeitsvorlagen (z. B. „Business Model Canvas“, „SWOT-Analyse“)
  • Kabinett mit Kuriositäten (interessante Objekte, Stofftiere, Geräte)
  • Eventuell digitale Maker-Bausteine (z. B. Fischertechnik oder Little Bits)

Um das „Eintauchen in andere Welten“ zu begünstigen, werden Kreativräume manchmal als thematisch gestaltete Räume angelegt, z. B. als Strandzimmer, Almhütte, Wiese, Weltall, Spielzimmer oder Café. Aus der Kreativitätsforschung ist bekannt, dass Momente der Erleuchtung oder Einsicht („Heureka“-Momente) häufig eintreten, wenn Personen sich entspannen und in eine Ruhephase treten. 

Kreativraum mit Küstenthema
Abb. 3: Themenraum im Innovation Hub am Campus Gummersbach (Foto: Eva Backes)

Stolpersteine

  • Die Einrichtung eines Kreativraums erfordert die Anschaffung von Mobiliar, das meist nicht in den Beschaffungs-Rahmenverträgen berücksichtigt ist. Es empfiehlt sich daher frühzeitig mit dem Einkauf Kontakt aufzunehmen und die Ausstattung des Raumes zu begründen (z.B. durch einen Verweis auf diese Entwurfsmusterbeschreibung).
  • Stehtische, hoch aufgehängte Wandelemente und Regale sind für Personen mit geringer Körpergröße oder Personen im Rollstuhl nicht gut nutzbar. Durch höhenverstellbare Tische und Wandelemente kann der Raum besser an die Bedürfnisse unterschiedlicher Nutzender angepasst werden.
  • Wenn sich Studierende frei ausbreiten dürfen, dann wird der Raum sehr schnell unordentlich und unaufgeräumt. Bei der Durchführung einer Veranstaltung ist also Zeit einzuplanen, den Raum wieder ansprechend herzurichten. Dabei können Listen mit Materialien und die dafür vorgesehenen Plätze hilfreich sein.
  • Einige der Materialien sind Verbrauchsmaterialien. Dies gilt für Papiervorlagen, Sticky Notes, aber auch für Baumaterialien, deren Bestand regelmäßig wieder aufgefüllt werden muss. Dies ist beim Betrieb des Kreativraums zu berücksichtigen.
  • Bei der Einrichtung des Raums sollte überlegt werden, welche Materialien besonders schnell gefunden und zugänglich sein sollten. Wenn z.B. Schreibblöcke oder Sticky Notes nicht auf Augenhöhe sichtbar sind, dann werden diese oft nicht eingesetzt. Die Vielfalt der angebotenen Materialien kann Studierende zudem überfordern. Es kann daher sinnvoll sein, für eine bestimmte Designaufgabe eine Vorauswahl zu treffen und diese auf der Arbeitsfläche bereitzustellen (Kuratieren der eingesetzten Methoden und Materialien).
  • Für größere Gruppen reicht ein einzelner Kreativraum nicht aus. Im Rahmen einer Veranstaltung können Gruppen jedoch nacheinander den Raum nutzen, z.B. könnte jedes Projektteam den Raum für eine Woche im Semester reservieren. Durch Rollwagen könnten zudem Materialien aus dem Innovationraum in andere Projekträume mitgenommen werden. Diese verfügen dann zwar nicht über die besondere Atmosphäre, aber zumindest steht das Material schnell bereit. 

Vorteile

  • Die Erkundung, Ideenfindung, das Sammeln vieler verschiedener Ansichten und Aufzeichnen von Prozessen, Ergebnissen und Konzepten werden erleichtert.
  • Es wird eine Maker-Kultur etabliert sowie das Lernen durch Handeln ermöglicht.
  • Teams haben einen geschützten Arbeitsraum für eine längere Zeitstrecke, z.B. mehrere Tage.
  • Visuelles Zusammenarbeiten wird gefördert.
  • Der Entstehungsprozess kann auf einem interaktiven Display erfasst werden.
  • Es können Informationen und Daten aus dem Feld und von externen Experten gesammelt werden.
  • Teilnehmende vor Ort und online können gemeinsam an Produkten arbeiten

Nachteile

  • Es werden Personalkapazitäten benötigt, um sicherzustellen, dass die Technik funktioniert und dass Materialien geordnet und aufgefüllt werden.
  • Um das Potential solcher Räume voll auszuschöpfen, wird ein Schulungsangebot für Lehrende benötigt, um zu vermitteln, welche Arten von Lernaktivitäten in diesem Raum durchgeführt werden können.
  • Zu viele Kameras im Raum sind häufig unangenehm für die Teilnehmenden. Eine optische Anzeige am Eingang bzw. im Raum selbst kann hier zumindest sichtbar machen, wann Kameras im Raum angeschaltet sind.
  • Die Verwaltung des Zugangs zum Raum erfordert ein Raumbuchungskonzept. 

Beispiele

Das CoLiLab (Cooperative Liberal Laboratory) an der Pädagogischen Hochschule Weingarten verfügt als Makerspace bzw. offenes Atelier über verschiedene gemein­schaft­liche Arbeits­räume für kollabo­ratives und inter­disziplinäres Arbeiten. Dazu gehört auch eine Kre@tivzone. Der Raum ist speziell für die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams, die Konzeptentwicklung sowie die Entwicklung, Umsetzung und Erprobung neuer Ideen eingerichtet.

Das „Ideenreich“ (Abb. 1, 2 und 4) ist ein Kreativraum am Campus Gummersbach der TH Köln. Es ist ausgestattet mit einem höhenverstellbaren Holztisch als zentrale Bühne für das Entwickeln von Ideen. Ein Regalsystem enthält umfangreiche Methodenkarten, Arbeitsmaterialien und Kuriositäten. Zwei miteinander verbundene interaktive Displays ermöglichen das Visualisieren und Dokumentieren von Ideen. Verschiedene digitale Arbeitsvorlage unterstützen das methodische Vorgehen. 

Studierende am Arbeitstisch
Abb. 4: „Ideenreich“ am Campus Gummersbach der TH Köln (Foto: Christian Kohls)

Ebenfalls am Campus Gummersbach der TH Köln befinden sich in einem Innovation Hub weitere Kreativräume (Abb. 3 und 5), die im Rahmen von Hackathons genutzt werden können.

Kreativraum im Innovation Hub
Abb. 5: Kreativraum im Innovation Hub (Foto: Eva Backes)