Hybrider Gastvortrag

Externe Personen können als Gastvortragende und Diskussionspartner Lehrveranstaltungen an Hochschulen sehr bereichern. Die Zuschaltung der eingeladenen Expertinnen und Experten per Videokonferenzsystem kann dabei den Aufwand für die externen Gäste deutlich reduzieren, ohne dass die Lehrqualität darunter leiden muss.

Kontext

Für bestimmte Themen und Inhalte kann es sinnvoll sein, externe Expertinnen und Experten in eine Lehrveranstaltung einzuladen. Personen aus studiengangsnahen Berufsfeldern geben den Studierenden Einblick in unterschiedliche Themen und aktuelle Entwicklungen, sie können ihnen die Praxisrelevanz von Lerninhalten aufzeigen und diese in einen authentischen Kontext setzen. Aber auch Forschende anderer Hochschulen oder Institute können mit ihrer fachlichen Expertise die Lehrveranstaltung bereichern, den Studierenden neue Themenfelder zugänglich machen und sie für Spezialgebiete ihres Fachs begeistern.

Eingeladene Personen können dabei aus dem nahen Umfeld der Hochschule kommen, beispielsweise aus Unternehmen der Region, mit denen auch im Rahmen von Praktika oder Qualifikationsarbeiten kooperiert wird oder die Studierende gezielt im Rahmen des Recruitings über Berufschancen informieren und als Fachpersonal gewinnen wollen. Ebenso kann es für die Studierenden aber auch attraktiv sein, überregional Expertinnen und Experten mit ausgewiesener fachlicher Expertise und internationalem Renommee kennenzulernen.

Problem

Die Anreise an den Hochschulstandort ist für die Expertinnen und Experten mit einem hohen Aufwand verbunden. Entsprechend kann der Nutzen einer Teilnahme an einer einzelnen Lehrveranstaltung für einen eingeladenen Gast schnell als zu gering in Bezug auf den Aufwand erscheinen, wodurch die Hochschule attraktive externe Gäste gegebenenfalls nur schwer oder gar nicht für ihre Lehrveranstaltungen gewinnen kann.

Rahmenbedingungen

  • Hoher Aufwand: Expertinnen und Experten können und wollen häufig nicht viel Zeit für eine lange Anreise an den Hochschulstandort aufbringen. Die Reise an die jeweilige Hochschule bedeutet für sie zudem eine vorübergehende Abwesenheit von ihrem Arbeitsplatz mit einem entsprechenden Organisationsaufwand.
  • Kosten: Durch die Anreise externer Gäste entstehen Fahrtkosten sowie gegebenenfalls Kosten für Verpflegung und Unterkunft, die finanziert werden müssen.
  • Schwierige Terminfindung: Lehrveranstaltungen an Hochschulen finden häufig innerhalb vorgegebener Zeiträume statt und bieten wenig Flexibilität, um sich zeitlich an den häufig vollen Terminkalender der Expertinnen und Experten anzupassen.
  • Vorteile für Studierende: Durch die Einbindung externer Gäste sollen Studierende im Rahmen der Lehrveranstaltung einen exklusiven Zugang zu fachlich und beruflich relevanten Personen erhalten. Studierende profitieren durch die Einbindung von Expertinnen und Experten indem sie weitere Perspektiven auf ihr Fach kennenlernen. Durch das Knüpfen neuer Kontakte außerhalb der eigenen Hochschule können sich zudem vielfältige berufliche Chancen für sie ergeben.
  • Vorteile für Lehrende: Auch für Hochschullehrende ist der Kontakt mit anderen Forschenden und Personen aus der Praxis wichtig und kann Kooperationsmöglichkeiten eröffnen. Hochkarätige Gäste können zudem die Reputation der eigenen Lehrveranstaltung sowie der Hochschule steigern.
  • Vorteile für externe Gäste: Für die eingeladenen Expertinnen und Experten kann der Kontakt zu den Studierenden unterschiedliche Vorteile mit sich bringen, beispielsweise die Anwerbung zukünftiger Mitarbeitender, aber auch neue Impulse im fachlichen Austausch. Idealerweise können somit alle Beteiligten von einem Expertenbeitrag in der Lehrveranstaltung profitieren.

Lösung

Die Expertin oder der Experte nimmt nicht vor Ort an der Lehrveranstaltung teil, sondern wird über ein Videokonferenzsystem zugeschaltet. Die Lehrperson sowie die Studierenden befinden sich gemeinsam in einem Raum an der Hochschule und können dem Vortrag der eingeladenen Person per Videoübertragung folgen sowie Fragen stellen und mit der Expertin bzw. dem Experten diskutieren. Die Lehrperson übernimmt dabei – gegebenenfalls zusammen mit den Studierenden – die Koordination und Moderation der Veranstaltung.

Details

Der an der Hochschule genutzte Raum sollte über eine Projektionsfläche für die Bildübertragung der Expertin bzw. des Experten und Lautsprecher für die Tonausgabe verfügen sowie über eine oder mehrere Kameras und Mikrofone, über die sowohl die Lehrperson als auch die Studierenden der Videokonferenz stets gut sichtbar zugeschaltet sind. Idealerweise kann für die Lehrveranstaltung ein Raum mit vorinstallierter Technik genutzt werden, beispielsweise ein Hybrider Video-Seminarraum.
Die eingeladene Person benötigt für ihre Teilnahme eine angemessene technische Ausstattung, mindestens aber eine Laptopkamera sowie Mikrofon und Lautsprecher.

Viele Videokonferenz-Anwendungen bieten die Möglichkeit, einfach über einen Weblink, d.h. ohne vorherige Installation einer Software, einer Videokonferenz beizutreten. Die Videokonferenz kann also seitens der Hochschule vorbereitet werden und die eingeladene Person tritt über einen vorab zugesandten Weblink bei.

Für einen für alle Beteiligten zufriedenstellenden Ablauf ist nicht nur die technisch-organisatorische, sondern auch die inhaltliche Vorbereitung des Gastbeitrags von großer Bedeutung. Externe Gäste sind eher bereit, sich auf einen intensiven Austausch einzulassen, wenn sie Wertschätzung sowie die Präsenz und das Interesse der Studierenden wahrnehmen. Auch die Studierenden profitieren besonders, wenn sie aktiv in die Gestaltung der Lehrveranstaltung eingebunden werden, sich inhaltlich auf den Gastbeitrag vorbereiten und die Diskussion beispielsweise mit eigenen Fragen mitgestalten können. Entsprechend sollte die Lehrperson den Veranstaltungsbesuch gemeinsam mit den Studierenden gezielt vorbereiten.

Das Videokonferenzsystem bietet die Möglichkeit, den Gastvortrag aufzuzeichnen und so Studierenden oder weiteren interessierten Personen zeitunabhängig zur Verfügung zu stellen. Soll der Vortrag aufgezeichnet werden, so muss hierfür das Einverständnis der vortragenden Person eingeholt werden. Allerdings sollten auch immer die Ziele der Veranstaltung sowie die jeweiligen Interessen berücksichtigt werden. Der Gastbeitrag verliert durch eine Aufzeichnung schnell an Exklusivität und hat für die Studierenden womöglich einen weniger einmaligen und motivierenden Charakter. Um einen vertrauensvollen Austausch zu gewährleisten, empfiehlt es sich zudem, in Diskussionsphasen auf eine Aufzeichnung der Veranstaltung zu verzichten.

Stolpersteine

  • Möchte die eingeladene Person in der Videokonferenz Materialien, wie beispielsweise Folien oder Videos teilen, kann es zu Nutzungsproblemen und damit zu zeitlichen Verzögerungen kommen, wenn die Mechanismen zum Hochladen oder Teilen der Materialien nicht bekannt sind. Hier kann bereits eine kurze Einführung mit der Möglichkeit, Funktionen auszutesten, helfen. Dies kann in einem Vorgespräch oder kurz vor der eigentlichen Veranstaltung geschehen.
  • Auch eine gute Tonqualität sollte vorab in einem Testlauf mit dem externen Gast sichergestellt werden. Durch einen schlechten Ton wird auch die inhaltliche Qualität des Videobeitrags direkt und massiv beeinträchtigt. Vortragenden ist oftmals nicht bewusst, wie schlecht sie mit dem von ihnen verwendeten Equipment, aufgrund von Umgebungsgeräuschen oder unpassenden Toneinstellungen zu verstehen sind.
  • Für die Studierenden ist es in diesem hybriden Setting nicht einfach möglich, mit der eingeladenen Person vor oder nach der Lehrveranstaltung informell ins Gespräch zu kommen und im persönlichen Austausch Kontakte zu knüpfen. Ist diese Möglichkeit gewünscht, muss hierfür ein zusätzliches virtuelles Austauschformat eingeplant werden, beispielsweise über das Videokonferenzsystem oder durch einen Chat.
  • Externe Gäste können die lernförderliche Eigendynamik, die im Semesterverlauf in einer Lehrveranstaltung entstehen kann, unterbrechen. Sie kennen weder die bislang in der Lehrveranstaltung behandelten Inhalte noch den Wissensstand der Studierenden. Ihre Einbindung in die Lehrveranstaltung als Ganzes sollte deshalb gut geplant und inhaltlich sowie thematisch möglichst optimal eingepasst werden. Dabei sollte die Lehrperson als vermittelnde Instanz dienen, die mit den externen Gästen vorab den Rahmen des Gastbeitrags absteckt und während der Veranstaltung gegebenenfalls Anknüpfungspunkte und Verbindungen aufzeigt sowie den Studierenden durch ergänzende Informationen Orientierung bietet.

Vorteile

  • Durch die Zuschaltung per Videokonferenzsystem muss die eingeladene Person vor und nach der Lehrveranstaltung keine Reisezeit aufbringen. Insbesondere hochkarätige sowie internationale Expertinnen und Experten können so leichter für die Teilnahme an einer Lehrveranstaltung gewonnen werden.
  • Kosten für die Reise, Unterkunft und Verpflegung der eingeladenen Person entfallen.
  • Durch den leichteren Zugang zu externen Gästen kann das Themenspektrum einer Lehrveranstaltung über die an der Hochschule vorhandene personengebundene Expertise hinaus erweitert werden, wodurch z.B. Studierende sogenannter Kleiner Fächer sehr profitieren können.
  • Die eingeladene Person kann von einem Büro aus, aber auch von einem anderen Arbeitsplatz bzw. aus einer inhaltlich relevanten, passenden Umgebung heraus an der Videokonferenz teilnehmen. So können beispielsweise Abläufe in einer Produktionsstätte oder der Aufbau und die Nutzung von Geräten gezeigt werden. Aber auch für Studierendengruppen ansonsten schwer zugängliche Orte, wie Forschungsstationen oder wissenschaftliche Sammlungen und die dort zugänglichen Artefakte können in den Expertenbeitrag eingebunden werden.
  • Die Lehrperson hat die Möglichkeit, den Gastbeitrag mit den Studierenden bedarfsgerecht vor- und nachzubereiten, wobei die Vorteile eines direkten, persönlichen Austauschs in Präsenz bestehen bleiben.
  • Einzelne Studierende können per Videokonferenzsystem an der Lehrveranstaltung teilnehmen, wenn sie nicht vor Ort präsent sein können.
  • Externe Gäste lassen sich auf diese Weise nicht nur für einzelne Lehrveranstaltungen zuschalten, sondern können beispielsweise auch hochschulöffentlich Vorträge halten. Dies kann insbesondere bei sehr renommierten Personen interessant sein. Die Zahl an Teilnehmenden ist dann nicht auf physische Raumkapazitäten beschränkt, sondern kann durch die Möglichkeit der Online-Teilnahme erweitert werden.
  • Abhängig von den Zielen der Lehrveranstaltung können externe Gäste auch für die Präsentation und Begutachtung studentischer Arbeiten eingeladen werden. Studierende erhalten dadurch eine authentische Einschätzung ihrer Arbeiten sowie wertvolles Feedback.

Nachteile

  • Werden Expertinnen und Experten nicht persönlich als Gast an der Hochschule begrüßt, sondern lediglich per Videokonferenzsystem in einer Lehrveranstaltung zugeschaltet, kann es passieren, dass sie ihren Gastbeitrag als weniger verbindlich und wichtig wahrnehmen – insbesondere, wenn sie für ihren Beitrag kein Honorar erhalten. Dies erhöht das Risiko, dass Gastbeiträge aufgrund anderer Verpflichtungen schneller abgesagt werden oder dass die inhaltliche Qualität des Beitrags sinkt.
  • Sind externe Gäste persönlich an der Hochschule zu Besuch, kann ihnen etwa durch eine geführte Besichtigung von Hochschuleinrichtungen oder ein gemeinsames Essen mit Hochschulangehörigen Wertschätzung signalisiert werden. Ein gemeinsames Essen wird zudem häufig genutzt, um informell in den Austausch zu kommen, über aktuelle und geplante Projekte zu sprechen oder eine zukünftige Zusammenarbeit anzubahnen. Diese Möglichkeit entfällt bei einer Zuschaltung per Videokonferenzsystem.
  • Abhängig von den an der Hochschule vorhandenen Raumkapazitäten kann die termingerechte Organisation eines Veranstaltungsraums mit der benötigten technischen Ausstattung schwierig sein.

Werkzeuge

Beispiele

Für die Zuschaltung externer Expertinnen und Experten finden sich im Hochschulbereich zahlreiche Anwendungsbeispiele, von denen im Folgenden einige exemplarisch in ihrer grundlegenden Form vorgestellt werden:

Berufliche Orientierung und Kontaktbörse

Die Zuschaltung externer Gäste kann der beruflichen Orientierung sowie dem Kontaktaufbau zu Personen aus der Wirtschaft dienen. Dabei können sich Studierende selbst in die Gestaltung der Lehrveranstaltung einbringen und individuelle Interessen berücksichtigen. Studierende laden beispielsweise in Absprache mit ihrer Dozentin einen Gast aus einem für sie interessanten, regional ansässigen Unternehmen ein, um sich im Rahmen eines Praxis-Seminars über die Möglichkeit zu informieren, im betreffenden Unternehmen ein Praktikum zu absolvieren oder als Werksstudierende bzw. später als Fachkraft tätig zu sein. Im Semesterverlauf werden so mehrere Gastbeiträge aus unterschiedlichen Unternehmen in die Lehrveranstaltung eingebunden, wobei jeweils eine kleine Studierendengruppen einen Gast einlädt und rund um die Veranstaltung betreut.

Kleine Fächer

Lehrveranstaltungen in sogenannten Kleinen Fächern können von einer Zuschaltung von Expertinnen und Experten per Videokonferenzsystem sehr profitieren. Oftmals gibt es in diesen Fächern an einer einzelnen Hochschule nur wenige Lehrende, wodurch das vorhandene Personal mit seiner Expertise nur einen begrenzten Bereich des jeweiligen Fachs abdecken kann. Die Zuschaltung von Expertinnen und Experten anderer Hochschulen erweitert hier ganz nach Bedarf das Themenspektrum der Lehrveranstaltungen und kann somit die Studienqualität spürbar erhöhen. Lehrende und Forschende innerhalb Kleiner Fächer kennen sich häufig bereits persönlich durch Fachtagungen oder gemeinsame Forschungsprojekte und können wechselseitige Gastbeiträge zur kontinuierlichen Kontaktpflege nutzen.
Soll die Zusammenarbeit intensiviert und auch der Austausch der Studierenden an unterschiedlichen Hochschulstandorten gefördert werden, bietet sich die Durchführung von standortübergreifenden Hybridseminaren an, zu denen ebenfalls Gastvortragende eingeladen werden können.

Kultureller Austausch

Die Einbindung einer Expertin oder eines Experten aus dem Ausland kann in vielerlei Hinsicht interessant sein. Lässt sich die Anreise eines internationalen Gastes für eine einzelne Lehrveranstaltung oftmals nicht oder nur schwer finanzieren, bieten sich durch die Zuschaltung per Videokonferenzsystem neue Möglichkeiten für einen kulturellen, sprachlichen oder auch einfach nur fachlichen Austausch. So können internationale Gäste eine kulturell vollkommen anders geprägte Perspektive auf einen Sachverhalt eröffnen und damit Studierende zur kritischen Auseinandersetzung und Reflexion mit den eigenen Vorstellungen und Überzeugungen anregen.