Lernnische

Eine Lernnische ist ein offener, aber dennoch geschützter Arbeitsbereich für 2-6 Personen, der ad hoc von Lerngruppen und Projektteams genutzt werden kann. Die Lernnische ist fließend in die Umgebung eingebunden, so dass andere leicht dazustoßen können, bietet aber dennoch Privatsphäre.

Kontext

Das Campusleben besteht aus einem bunten Treiben, bei dem private und studienorientierte Situationen ineinander übergehen. Der Campus sollte deshalb auch fließende Übergange zwischen verschiedenen Formen des Lernens ermöglichen: selbstorganisiert oder angeleitet, individuell oder gemeinsam in Klein- oder Großgruppen, formal oder informell. Für einige Lernaktivitäten sind geschützte Lernbereiche erforderlich, die Arbeitsgruppen eine Privatsphäre bieten, ohne sie von der Gesamtlerngruppe zu isolieren.

Problem

Räume sind meist in sich geschlossen, so dass fließende Übergänge und spontane Wechsel zwischen Aktivitäten, Gruppen und Kontexten schwer möglich sind. Gleichzeitig benötigen Studierende auch geschützte Räume für die ungestörte Kommunikation und das Erarbeiten von Ergebnissen. Der Wunsch nach Privatsphäre in der Gruppe und gleichzeitiger Offenheit für die Campusallgemeinheit scheint ein Widerspruch zu sein.

Rahmenbedingungen

  • Nahtlose Übergänge: Im Sinne des „seamless learnings“ sollen nahtlose Übergänge zwischen verschiedenen Aktivitäten, Sozialformen und Mediennutzungen möglich sein. Die Vielzahl der verschiedenen Aufgaben und Aktivitäten auf dem Campus erfordert die flexible Nutzung von Räumen.
  • Soziales Lernen: Studierende lernen voneinander in der Gruppe. Das „über die Schulter schauen“ und Dazustoßen zu einer Lerngruppe bietet viele Lernmomente. Hierfür benötigen Studierende eine Umgebung, in der sie ad hoc Lerngruppen bilden können, die sowohl geschlossen als auch für weitere Mitglieder offen sind.
  • Berührungspunkte: Es soll zwischen verschiedenen Arbeitskontexten und Lernaktivitäten Berührungspunkte geben, die einen schnellen Wechsel ermöglichen, vielleicht sogar dazu einladen, aber nicht erzwingen. Daher müssen Raumangebote geschaffen werden, die sowohl offen arbeitenden Lerngruppen (z.B. an Lerninseln) als auch geschützt arbeitenden Lerngruppen einen Arbeitsbereich bieten. Der Wechsel zwischen diesen Arbeitsbereichen sollte fließend möglich sein, um der jeweiligen Lernsituation gerecht zu werden.
  • Informeller Charakter: Informelle Umgebungen fördern auch in formalen Settings einen offeneren und informelleren Austausch und eine Kommunikation aller Hochschulangehörigen auf Augenhöhe.
  • Begrenzte Anzahl an Projekträumen: Aufgrund des begrenzt verfügbaren Platzes gibt es oft nur wenige frei zugängliche Projekträume oder Lernboxen. Diese müssen zudem häufig gebucht werden und sind dann für eine kurzfristige Nutzung oftmals bereits belegt. Das Buchen im Voraus erlaubt außerdem keine spontane Formierung von Lern- oder Arbeitsgruppen.
  • Zoning: Auf dem Campus gibt es oftmals Bereiche, in denen ein lautes und lebendiges Treiben herrscht, wie etwa in Mensa oder Cafeteria, und Ruhebereiche, die ungestörtes Arbeiten ermöglichen. Ebenso werden aber auch Bereiche benötigt, die für Gruppenarbeit und flexible Nutzungsszenarien geeignet sind. Für jede dieser Aktivitäten sollten klar erkennbare Zonen eingerichtet sein, die auch Übergangsbereiche für wechselnde Aktivitäten bieten.

Lösung

Lernnischen sind offen zugängliche Bereiche, in denen man bequem, ungestört und lärmgeschützt sitzen kann und gleichzeitig Teil eines größeren, geschäftigeren Raumes ist. Sie lassen sich in verschiedene offene Bereiche integrieren, z.B. in Bibliotheken, die Mensa, Lernarenen, Foyers oder Übergänge. Sie bieten Sitzgelegenheit für 2-6 Personen, einen Arbeitstisch mit guter Beleuchtung und sind z.B. durch Filzwände schallgeschützt.

Details

Lernnischen sind von Wandelementen umgeben und oftmals auch nach oben hin durch eine Decke abgegrenzt. Insbesondere durch Polsterelemente entsteht so ein lärmgeschützter Raum, der dennoch mindestens auf einer Seite zur Umgebung hin offen ist.

Um hybride Formate der Einzel- und Gruppenarbeit zu unterstützen, sollten Lernnischen eine gut zugängliche Stromversorgung für Laptops und Smartphones bieten – etwa durch in Wandelelemente oder in die Tischplatte eingelassene Steckdosen. Auch ein größeres Display kann in Lernnischen integriert werden – insbesondere Lernnischen mit mehreren Sitzplätzen werden so zu schallgeschützten Gruppenarbeitsplätzen für eine Zusammenarbeit an (interaktiven) Displays. Studierende können ihre mobilen Endgeräte für die Zusammenarbeit nutzen und haben zudem eine ruhige Umgebung, um beispielsweise mit Headsets an Videokonferenzen teilzunehmen, ohne durch eigene Redebeiträge andere Personen im Raum zu stören.

Lernnische mit Display
Abb. 1: Lernnische mit Display (Foto: Christian Hahn/ TH Köln)

Stolpersteine

  • Insbesondere zu Stoßzeiten können verfügbare Lernnischen schnell ausgelastet sein. Ein Buchungs- oder Reservierungssystem würde jedoch dem offenen, informellen Charakter dieser Arbeitsplätze widersprechen. Über den Campus verteilt sollte deshalb ein ausreichendes Angebot an Lernnischen verfügbar sein. Unterstützen können auch (digitale) Campuspläne, die Arbeitsplätze für unterschiedliche Nutzungsszenarien übersichtlich darstellen und Studierenden das Auffinden geeigneter Lernorte erleichtern.
  • Lernnischen können auch in Außenanlagen des Campus integriert werden. Als Trennwände und Lärmschutz können hierbei u.a. (bepflanzte) Stein- und Erdwälle, Hecken oder Bäume sowie Sonnensegel zum Einsatz kommen. Eine Herausforderung kann im Außenbereich jedoch die Bereitstellung einer guten WLAN-Verbindung sowie einer Stromversorgung sein. Zumindest bei der Neugestaltung von Außenanlagen sollten diese Anforderungen in die Planung einbezogen werden. Aber auch eine Aufrüstung bestehender Sitzbereiche, etwa mit Photovoltaik-Anlagen, ist möglich.
  • Während Schallschutzelemente oftmals die Personen innerhalb der Lernnische gut von Außengeräuschen abschirmen, können deren Gespräche im umgebenden Raum dennoch gut zu hören sein. Mit einer gezielten Platzierung von Akustik- bzw. Schallschutzelementen in der Lernnische kann dem entgegengewirkt werden.

Vorteile

  • Lernnischen können vielseitig genutzt werden. Insbesondere Gruppen, aber auch Einzelpersonen, bieten sie einen offenen und dennoch geschützten Raum für unterschiedlichste Lehr- und Lernformen.
  • Sie unterstützen informelles Lernen und stärken den Campus als Ort der Begegnung und des sozialen Austauschs.
  • Die Aufenthaltsqualität auf dem Campus wird erhöht, da Studierende insbesondere für längere Pausen zwischen Lehrveranstaltungen einen Ort haben, der sowohl ruhige (Lern-)Aktivitäten als auch Gespräche und sozialen Austausch ermöglicht.
  • Lernnischen bieten Privatsphäre und sind gleichzeitig weniger isoliert als Lernboxen oder abgetrennte Projekträume.
  • Der Wechsel zwischen verschiedenen Lernaktivitäten wird gefördert. Studierende können in die Lernnischen wechseln, wenn sie mehr Privatsphäre benötigen und sich ungestört unterhalten möchten. Die geräuschabsorbierenden Wände der Lernnische machen das Arbeiten dabei besonders angenehm.
  • Lernnischen vermitteln eine angenehme, moderne Arbeitsatmosphäre und liegen insbesondere bei Co-Working Spaces im Trend. Übertragen auf gemeinsame Lernbereiche („Learning Commons“) sind sie ein wichtiger Baustein für Co-Learning Szenarien.
Lernnischen in Röhrenform
Abb. 2: Lernnischen – hier in Form einer zu zwei Seiten offenen Röhre – schaffen einen Lärmschutz, bieten Lerngruppen aber gleichzeitig auch Offenheit zum Austausch mit anderen. (Fotos: Monika Probst/ TH Köln)

Nachteile

  • Lernnischen bieten keine völlig ungestörte Umgebung, etwa für vertrauliche Gespräche. Unterbrechungen durch vorbeikommende Personen sind jederzeit möglich.
  • Die Arbeitsbereiche können nicht reserviert werden, so dass sie zu festen Zeit nicht verlässlich als Lernraum, beispielsweise für Tutorien in kleinen Gruppen oder im Rahmen größerer Lehrveranstaltungen, zur Verfügung stehen.
  • Wartung, Reinigung und Pflege von Lernnischen sind aufwändiger als bei großen Räumen. Studierende müssen ein hohes Maß an Eigenverantwortung zeigen, damit diese Bereiche nicht verwahrlosen.
  • Lernnischen sind eine relativ teure Variante, um Platz für selbstorganisiertes Lernen zu schaffen. Es sollten nicht zu viele Nischen auf einmal eingerichtet werden.

Beispiele

Lernnischen können in Form eines Hauses mit einem Dach und einer offenen Seitenwand gestaltet werden. In dieser Form können sie sowohl freistehend im Raum als auch an einer Wand platziert werden. Abbildung 3 zeigt beispielhaft eine solche Lernnische an der Technischen Hochschule Köln (links) mit zwei gegenüberliegenden Sitzbänken und einem Arbeitstisch. Die Decke, Seitenwände sowie Sitzflächen sind schallisolierend gepolstert. In die Decke sind Beleuchtungselemente eingelassen, neben dem Tisch finden sich Stromanschlüsse. Das Beispiel rechts zeigt eine Lernnische an der Universität Utrecht. Diese ist aus Holz gefertigt, mit jeweils zwei höhenversetzten Sitzbänken an den gegenüberliegenden Seiten.

Lernnischen in Hausform
Abb. 3: Lernnischen an der TH Köln (links) und an der Universität Utrecht (Fotos: Christian Kohls)

Lernnischen können aber auch direkt in einen Raum integriert werden und durch Seitenwände des Raumes begrenzt sein. Abbildung 4 veranschaulicht hierfür unterschiedliche Lösungen. Das Beispiel links zeigt eine Lernnische an der Universität Utrecht: Die Lernnische wurde in einer Reihe mit weiteren gleichförmigen Lernnischen entlang eines Flurs eingebaut und bietet zum Flur hin einen offenen Zugang. Das rechts abgebildete Beispiel zeigt die Integration einer Lernnische in eine bestehende Nische im Raum auf dem Campus der Universität Leipzig.

Lernnischen Beispielbilder
Abb. 4: Lernnischen an der Universität Utrecht (links) und an der Universität Leipzig (Fotos: Christian Kohls)