Lernbox

Eine Lernbox ist ein abgetrennter Arbeitsbereich, in dem kleine Studierendengruppen ungestört arbeiten können. Sie ist mit Stromanschlüssen für Laptops und eventuell mit einem (interaktiven) Display ausgestattet, damit Ergebnisse präsentiert und gemeinsam Informationen recherchiert werden können.

Hauptbild des Beitrags

Lernboxen an der CAU (oben links u. rechts; Foto: Jürgen Haacks/ Univ. Kiel), an der TH Köln (oben mittig; Foto: Christian Kohls), an der Univ. Basel (unten links; Foto: Andi Cortellini/ Bildungstechnologien Univ. Basel) und an der HTWK Leipzig (unten mittig u. rechts; Foto: Christian Kohls)

Kontext

Lehre an Hochschulen findet zunehmend projektorientiert statt. Dabei gibt es viele unterschiedliche Varianten der Projektdurchführung. Einige Projekte müssen in Werkstätten durchgeführt werden, andere Projekte können daheim selbstorganisiert bearbeitet werden. Vielen Projekten ist gemein, dass sich kleine Teams von 2-4 Personen oder 4-8 Personen bilden, die zusammen an einer Aufgabenstellung arbeiten. Neben den formal angebotenen Projekten bilden Studierende zudem selbstorganisiert Gruppen, z.B. zum Lernen oder aus eigener Motivation, ein Projekt zu starten. Auch wenn Gruppen zunehmend online zusammenarbeiten können, ist das gemeinsame Treffen vor Ort für eine intensive Zusammenarbeit förderlich. Wenn Studierende ohnehin aufgrund von Lehrveranstaltungen auf dem Campus sind, dann bietet es sich an, dass sie sich auch auf dem Campus zur Gruppen- und Projektarbeit treffen.

Problem

Wenn es auf dem Campus keinen Raum für die Zusammenarbeit in kleinen Gruppen gibt, sind projektorientierte Formate nur eingeschränkt möglich. Dies gilt sowohl für selbstorganisiertes Lernen und eigene Projekte der Studierenden also auch für Break-out-Sessions im Rahmen von Lehrveranstaltungen.

Rahmenbedingungen

  • Raumgröße: Die Lehrräume auf dem Campus sind oft eher für große Gruppen ausgelegt: Hörsäle, Seminarräume und Labore. Diese sind in den Stundenplan integriert und häufig belegt. Die Nutzung von großen Räumen für kleine Gruppen ist verschwenderisch. Zudem sind die großen Räume ungemütlich für kleinere Gruppen.
  • Gruppengröße: Eine kleine Projektgruppe besteht oft aus 2-4 Studierenden, größere Gruppen aus 4-8 Studierenden. Raumangebote sollten auf unterschiedliche Gruppengrößen angepasst werden.
  • Ungestört arbeiten: Projektteams müssen auf dem Campus ungestört arbeiten können. Weichen Studierende auf klassische Lernräume aus, um dort gemeinsam zu arbeiten, werden sie von dort oft vertrieben, wenn geplante Lehrveranstaltungen stattfinden. Offen zugängliche Lernbereiche, z.B. in der Mensa, werden gerne genutzt, sind jedoch meist sehr laut und Lerngruppen werden schnell durch andere gestört.
  • Sichtbarkeit der Aktivitäten: Gleichzeitig sollten die Aktivitäten der Studierenden sichtbar werden. So kann einerseits die Neugierde bei anderen geweckt werden. Zudem können Dozierende sehen, welche Teams gerade aktiv sind oder Unterstützung benötigen.
  • Betreuung: Wenn Studierende auf dem Campus an einem Projekt arbeiten, können sie schneller Hilfe von wissenschaftlichem Personal oder Dozierenden erhalten. Zudem möchten lehrende Personen die Projektgruppen besuchen, wenn diese in Break-out-Sessions arbeiten.
  • Transparenz: Die Nutzung bzw. Belegung von Lernräumen durch Projektgruppen sollte für alle transparent sein. Wenn es wenige Arbeitsräume gibt, dann sollten diese nicht einfach als Aufenthaltsraum, sondern studienorientiert genutzt werden. Deshalb sollte sichtbar sein, welche Aktivitäten gerade in dem Raum stattfinden.
  • Vorbereitet für digitales Lernen: Projektteams nutzen bei ihrer Zusammenarbeit auch digitale Medien. Dies gilt für die Recherche ebenso wie für die Analyse, Reflektion und Produktion von Ergebnissen. Dabei kommen digitale Werkzeuge, wie Online-Whiteboards, Präsentationssoftware oder kollaborative Schreibwerkzeuge, zum Einsatz. Studierende greifen auf ihre eigene digitale Lernumgebung zurück und arbeiten mit den von ihnen bevorzugten Werkzeugen. Gleichzeitig möchten sie sich gegenseitig Ergebnisse präsentieren oder gemeinsam im selben digitalen Dokument arbeiten.

Lösung

Lernboxen sind kleine Arbeitsräume für Gruppen von 2-8 Personen. Durch feste Trennwände können Lernboxen innerhalb bestehender Räume als Raum-in-Raum-Konzept integriert werden. Durch Glaswände oder Glastüren können Studierende sehen, ob der Raum frei ist und was darin passiert. Dozierende können die Aktivität der Studierenden sehen und auf Signale achten, ob Hilfe benötigt wird. Studierende sehen, wenn andere sich dem Raum nähern und können sich vorbereiten.

Die Boxen sollten mit Stromversorgung für Laptops und Smartphones ausgestattet sein. Sie können zudem Arbeitswerkzeuge wie Whiteboards, Notizzettel oder Methodenposter bereitstellen. Der Raum sollte mindestens einen Monitor oder großes Display enthalten, an das die Laptops der Studierenden angeschlossen werden können.

Details

Die Lernboxen sollten gut schallisoliert sein. Durch Türen sind die Boxen klar vom äußeren Raum getrennt und ermöglichen so ungestörtes Arbeiten. In rundum verglasten Lernboxen können innen angebrachte Vorhänge ganz nach Bedarf einen flexiblen Sichtschutz bieten.

Verschließbare Türen ermöglichen es, dass eine Gruppe ihre Sachen und Materialien dort eingeschlossen lässt, auch wenn sie in die Pause geht. Zudem kann durch Raumbuchung gesteuert werden, wann eine Gruppe Zutritt erhält. Die Buchbarkeit der Räume ist auch für unverschließbare Räume eine Option. Je nach verfügbarem Platz kann es eine Mischung aus buchbaren und spontan nutzbaren, abschließbaren und frei zugänglichen Boxen geben.
Durch die Installation von großen Displays kann ein solcher Projektraum auch zu einem Lernkino werden, wenn für ein Modul Lernvideos angeboten werden. Studierenden können dann in der Gruppe gemeinsam die Lernvideos anschauen und darüber diskutieren, statt diese alleine zuhause zu konsumieren. Wenn viele Lernboxen existieren, können Dozierende Filme produzieren, die genau auf dieses Szenario ausgerichtet sind und Übungsaufgaben für Gruppen enthalten.

Die Lernboxen können durch Messesysteme, Raumsysteme oder maßgeschneiderte Lösungen von lokalen Schreinereien umgesetzt werden. Wichtig ist dabei u.a. eine gute, gegebenenfalls automatische Beleuchtung und Belüftung der Lernboxen. Insgesamt sollten möglichst viele Lernboxen entstehen, damit die Nutzung nicht exklusiv für einige wenige Studierende bleibt.

Stolpersteine

  • Wenn Lernboxen für eine spezifische Lehrveranstaltung als Break-out-Räume genutzt werden sollen, dann müssen diese auch durch Dozierende reservierbar sein. Dies kann gegebenenfalls viele Räume blockieren. Dies sollte rechtzeitig angekündigt und transparent kommuniziert werden.
  • Die Auslastung der Lernboxen ist schwer zu planen. Wenn Studierende die Erfahrung machen, dass Lernboxen nicht zuverlässig auf dem Campus verfügbar sind, können Akzeptanz und Nutzungshäufigkeit sinken. Daher sollte ein individuelles Konzept erarbeitet werden, für welche Zeiteinheiten und wie häufig Räume gebucht werden dürfen. Digitale Raumbuchungssysteme können dabei unterstützen.

Vorteile

  • Lernboxen machen den Campus als Aufenthaltsraum attraktiver. Die Zeit zwischen Lehrveranstaltungen kann produktiver genutzt werden. Für Lernende wird es nun interessant auf den Campus zu kommen, selbst wenn sie nur eine einzige formale Lehrveranstaltung an einem Tag haben, da sie im Anschluss gemeinsam mit anderen Studierenden weiterarbeiten können.
  • Lernboxen ermöglichen viele innovative Lehrformate überhaupt erst. Dazu gehören unterschiedlichste Projektarbeitsformen aber auch andere Taktungen und Verzahnungen von instruktionalen und selbstorganisierten Lernphasen. Der Wechsel zwischen formalen und informellen, zwischen individuellem und sozialem Lernen in kleinen und großen Gruppen geschieht fließender.
  • Lernboxen leisten einen wichtigen Beitrag zur Flexibilisierung der Lehre, da sie vielseitig genutzt werden können. Sie intensivieren den sozialen Austausch vor Ort, da sie einladend für Projektteams und Lerngruppen sind.

Nachteile

  • Für Gruppenarbeit wird mehr Raum benötigt als in frontalen Settings, wie etwa einer Vorlesung oder einem Seminar. In der Regel müssen deshalb Flächen umgewidmet werden, um diese als Lernboxen zu nutzen.
  • Wartung, Reinigung und Pflege von Lernboxen sind aufwändiger als bei großen Räumen. Studierende müssen ein hohes Maß an Eigenverantwortung zeigen, damit die Boxen nicht verwahrlosen. Im Idealfall befinden sich die Boxen in Bereichen, die beaufsichtigt werden, z.B. als Teil einer Bibliothek oder im Foyer einer Hochschule.

Beispiele

Im Rahmen eines umfassenden Umbaus der Universitätsbibliothek hat die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) eine ganze Reihe von Lernboxen als Raum-in-Raum-Lösungen für hybrides Lehren und Lernen in die Lern- und Arbeitsbereiche der Zentralbibliothek integriert. Die transparent gestalteten Lernboxen umfassen Gruppenarbeitsplätze mit Präsentationsmöglichkeiten, Arbeitskabinen für hybrides Arbeiten und Videoproduktion sowie einen Sehbehindertenbereich.

Bild einer Reihe von Lernboxen an der CAU Kiel
Lernboxen in der Universitätsbibliothek der CAU (Foto: Jürgen Haacks/ Univ. Kiel )
Lernbox in der UB der Univ. Basel
Lernbox in der Universitätsbibliothek der Universität Basel (Foto: Andi Cortellini/ Bildungstechnologien Univ. Basel)


Auch an der Universität Basel stehen in der Universitätsbibliothek verschiedene Lernboxen zur Verfügung. Die Universitäts- und Kantonsbibliothek versteht sich als zentraler Lern- und Begegnungsort und bietet u.a. mehrere abgetrennte Kabinen als Raum-in-Raum-Lösung, die für unterschiedliche Nutzungsszenarien konzipiert wurden: als Besprechungsboxen, als größere Gruppenboxen mit Wanddisplay oder auch als Lernboxen mit Einzel-Arbeitsplätzen. Einen guten Einblick in die Lernlandschaft der Universitätsbibliothek sowie die Lernraumentwicklung insgesamt an der Universität Basel bietet die 2022 erschienene, reichhaltig bebilderte Open-Access-Publikation „Laboratorium Lernräume - Neue Lernräume an der Universität Basel“.